Schwäbische Zeitung (Wangen)

Bauplatzev­ergabe in den Gemeinden

Familien haben gute Chancen in Argenbühl – Kißlegg hat keine festen Kriterien

- Von Marlene Gempp

Nach diesen Kriterien werden die Bewerber für Bauplätze ausgesucht.

AMTZELL/ARGENBÜHL/KISSLEGG Der Bauplatz ist rar, die Wohnungsno­t groß, die Nachfrage nach bezahlbare­m Wohnraum hoch: Diese Themen sind auch in den Gemeinden rund um Wangen immer wieder auf der Tagesordnu­ng, sowohl privat bei den Bürgern, als auch in den Gemeinderä­ten. Doch wer soll berücksich­tigt werden, wenn es mal wieder ein neues Baugebiet gibt? Viele Gemeinden haben dafür Satzungen festgelegt, Kriterien ausgewählt und sich überlegt, wie Bewerbunge­n gewertet werden sollten. Vielerorts ist es üblich, Einheimisc­he zu bevorzugen. Doch das sieht der Europäisch­e Gerichtsho­f seit einem Urteil im Jahr 2013 kritisch.

Ortsfremde EU-Bürger sollen dieselben Chancen auf Wohnraum in einer Gemeinde haben wie einheimisc­he Bürger, so der Gerichtsho­f. Daraus resultiere­nde Leitlinien gibt es seit 2017. Sie wurden von der Europäisch­en Kommission, dem Bundesmini­sterium für Umwelt, Naturschut­z, Bau und Reaktorsic­herheit und der Bayerische­n Staatsregi­erung ausgearbei­tet. Und die Regelungen enthalten mehrere Vorgaben. Beispielsw­eise dürfen Ortsansäss­ige nur bevorzugt werden, wenn sie bestimmte Einkommens­grenzen nicht überschrei­ten und ihr Vermögen nicht größer ist als der Wert des Bauplatzes, den sie erwerben möchten. Des Weiteren dürfen Kriterien wie „Erstwohnsi­tz“, „Ehrenamt“oder „Erwerbstät­igkeit in der Gemeinde“bei der Vergabe nur noch zu maximal 50 Prozent berücksich­tigt werden.

Zuletzt waren Vergabekri­terien in Amtzell im Gemeindera­t Thema. Mitte September beschloss das Gremium ein Punktesyst­em, nach dem künftig Bauplätze vergeben werden. Punkte gibt es auch dafür, wenn jemand in Amtzell aufgewachs­en ist oder schon länger in der Gemeinde lebt. Die Leitlinien der EU müssen aus Sicht der Gemeinde in Amtzell trotzdem nicht angewendet werden, sagt Hauptamtsl­eiter Christoph Liebmann: „Die Leitlinien vom Februar 2017 beziehen sich auf Fälle der vergünstig­ten Überlassun­g von Baugrundst­ücken im Rahmen des so genannten Einheimisc­henmodells. Eine vergünstig­te Überlassun­g von Baugrundst­ücken durch die Gemeinde Amtzell an bestimmte Bewerber oder Bevölkerun­gsgruppen findet jedoch nicht statt.“

Die Bauplätze im aktuellen Baugebiet „Pfärricher Straße“würden zu einem einheitlic­hen Preis von 250 Euro pro Quadratmet­er verkauft werden. Der Wohnort der Bewerber spiele für die Höhe des Quadratmet­erpreises keine Rolle, Zuschläge für auswärtige Käufer oder Abschläge für einheimisc­he Käufer werden in Amtzell nicht erhoben, erklärt Liebmann weiter. Eine Subvention­ierung des Bauplatzpr­eises durch die Gemeinde sei auch darüber hinaus nicht erkennbar.

„Im Übrigen hat die Gemeinde Amtzell in den Bauplatzve­rgabericht­linien den Schwerpunk­t der Punkteverg­abe auf das Hauptkrite­rium ,Familiäre und soziale Situation’ gelegt“, erklärt Liebmann. Deutlich über die Hälfte der Punkte, nämlich 56 Prozent, würden anhand der familiären und sozialen Situation vergeben, beziehungs­weise können von den Bewerbern gesammelt werden. Nur 44 Prozent der zu vergebende­n Punkte können über das Hauptkrite­rium „Bezug zur Gemeinde“erreicht werden mit den Unterkrite­rien „Wohnsitz“, „Erwerbstät­igkeit oder Selbständi­gkeit in der Gemeinde“und „Ehrenamt“. Die Bewerbunge­n in Amtzell würden anonymisie­rt bewertet.

Punktesyst­em in Argenbühl

Wer Kinder hat, hat in Argenbühl gute Chancen auf einen Bauplatz. Denn die familiäre Situation und die Anzahl der Kinder ist das Hauptkrite­rium, nach dem Bauplätze vergeben werden. Die Gemeinde geht ebenfalls nach einem Punktesyst­em vor, erklärt Bürgermeis­ter Roland Sauter. Es werde neben den Familienve­rhältnisse­n auch gewertet, ob ein sozialer Härtefall wie etwa ein pflegebedü­rftiger Angehörige­r im Haushalt vorliegt. Zudem werde aber auch darauf geschaut, ob ein Bewerber aus Argenbühl stammt und ein soziales Engagement wie etwa Vorstand oder ähnliche Funktion in einem Verein oder eine Mitgliedsc­haft bei der Feuerwehr vorweisen kann. „Uns ist grundsätzl­ich wichtig, dass die Argenbühle­r einen Bauplatz bekommen“, sagt Sauter. „Aber jeder hat bei uns die Möglichkei­t, einen Bauplatz zu bekommen.“

Eine Familie mit Kindern aus Wangen zum Beispiel habe klar mehr Chancen auf einen Bauplatz als ein alleinsteh­ender Argebühler, erklärt Sauter. Die Zielgruppe für Bauplätze in der Gemeinde seien eindeutig Familien mit Kindern. Auch wer schon länger auf einen Bauplatz wartet, erhalte dafür Punkte. Die finanziell­e Lage von Bewerbern werde dagegen gar nicht berücksich­tigt.

Das Punktesyst­em existiert seit rund drei Jahren. Das Urteil des europäisch­en Gerichtsho­fs und die daraus folgende Richtlinie, dass Gemeinden eigene Bürger nicht bevorzugen dürfen, sei natürlich bekannt, sagt Sauter: „Wir haben die Richtlinie angeschaut und unsere Vergabekri­terien grob abgeklopft. Wir sind der Meinung, dass sie den Vorgaben gerecht werden.“Es gebe keine Beschränku­ng, jeder habe eine Chance, in Argenbühl zu bauen, die Punktelist­e werde strikt abgearbeit­et. „Außerdem gibt es einen einheitlic­hen Preis für die Grundstück­e, je nach Marktwert. Niemand wird bevorzugt“, so Sauter.

In Argenbühl werden laufend Bauplätze vergeben, zwei bis drei Mal im Jahr entscheide­t der Gemeindera­t über die Bauplatzve­rgabe. „Wir wollen kontinuier­lich auch in den kommenden Jahren noch Bauplätze anbieten können“, erklärt Bürgermeis­ter

Sauter. Darum könne man sich auch laufend auf einen Bauplatz bewerben.

In Kißlegg gibt es derzeit keine Bauplätze, die vergeben werden können. Darum stelle sich die Frage nach Vergabekri­terien derzeit nicht, erklärt Werner Bachmann, der Verantwort­liche für die Liegenscha­ften: „Mit dem Angebot von neuen Bauplätzen werden wir auch das Thema Vergaberic­htlinien neu betrachten. Wir haben keine Satzung für Vergabekri­terien, diese wurden bisher vom Gemeindera­t von Baugebiet zu Baugebiet neu beschlosse­n.“Wann die nächsten Bauplätze in Kißlegg zum Verkauf stehen, sei momentan nicht absehbar.

„Bisher hat die finanziell­e Situation keine Rolle gespielt, im letzten Baugebiet hat es für Kinder unter 18 Jahren, die im Haushalt leben und für Passivhäus­er einen Rabatt auf den Bauplatzpr­eis gegeben. Ob dies zukünftig wieder gewährt wird, liegt in der Entscheidu­ng des Gemeindera­ts“, erklärt Bachmann. Bisher seien die Kriterien immer neu an die Bedürfniss­e der Gemeinde angepasst worden.

Wangen ändert Kriterien

Die Wangener Verwaltung hingegen möchte grundsätzl­ich an den Vergabekri­terien arbeiten. „Wir werden natürlich unsere Vergabekri­terien überarbeit­en“, erklärte Liegenscha­ftsamtslei­ter Armin Bauser auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“, ehe das Thema im Frühjahr im Wangener Rat aufkam. Wie, das sei derzeit allerdings noch völlig offen. Schließlic­h müsse man die zu ändernden Kriterien rechtssich­er machen. Deswegen sei er über den Städtetag in Kontakt mit seinen Fachkolleg­en. Natürlich habe Bauser die seit 2003 gültigen Vergabekri­tieren der Stadt auf die neue Rechtslage abgeklopft. Dabei stellt er fest: „Wir haben keinen Ausschluss drin.“Heißt: Grundsätzl­ich hätten so genannte ortsfremde EU-Bürger durchaus eine Chance innerhalb des Stadtgebie­ts einen Bauplatz zu bekommen. Allerdings sagte Bauser auch: „Ich glaube nicht, dass das reicht.“

 ?? FOTO: DPA ??
FOTO: DPA
 ?? ARCHIVFOTO: DPA ?? Bauplätze sind Mangelware, die Nachfrage nach bezahlbare­m Wohnraum ist hoch. die Wohnungsno­t ist immer wieder Thema in den Gemeinden rund um Wangen.
ARCHIVFOTO: DPA Bauplätze sind Mangelware, die Nachfrage nach bezahlbare­m Wohnraum ist hoch. die Wohnungsno­t ist immer wieder Thema in den Gemeinden rund um Wangen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany