Bauplatzevergabe in den Gemeinden
Familien haben gute Chancen in Argenbühl – Kißlegg hat keine festen Kriterien
Nach diesen Kriterien werden die Bewerber für Bauplätze ausgesucht.
AMTZELL/ARGENBÜHL/KISSLEGG Der Bauplatz ist rar, die Wohnungsnot groß, die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum hoch: Diese Themen sind auch in den Gemeinden rund um Wangen immer wieder auf der Tagesordnung, sowohl privat bei den Bürgern, als auch in den Gemeinderäten. Doch wer soll berücksichtigt werden, wenn es mal wieder ein neues Baugebiet gibt? Viele Gemeinden haben dafür Satzungen festgelegt, Kriterien ausgewählt und sich überlegt, wie Bewerbungen gewertet werden sollten. Vielerorts ist es üblich, Einheimische zu bevorzugen. Doch das sieht der Europäische Gerichtshof seit einem Urteil im Jahr 2013 kritisch.
Ortsfremde EU-Bürger sollen dieselben Chancen auf Wohnraum in einer Gemeinde haben wie einheimische Bürger, so der Gerichtshof. Daraus resultierende Leitlinien gibt es seit 2017. Sie wurden von der Europäischen Kommission, dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und der Bayerischen Staatsregierung ausgearbeitet. Und die Regelungen enthalten mehrere Vorgaben. Beispielsweise dürfen Ortsansässige nur bevorzugt werden, wenn sie bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschreiten und ihr Vermögen nicht größer ist als der Wert des Bauplatzes, den sie erwerben möchten. Des Weiteren dürfen Kriterien wie „Erstwohnsitz“, „Ehrenamt“oder „Erwerbstätigkeit in der Gemeinde“bei der Vergabe nur noch zu maximal 50 Prozent berücksichtigt werden.
Zuletzt waren Vergabekriterien in Amtzell im Gemeinderat Thema. Mitte September beschloss das Gremium ein Punktesystem, nach dem künftig Bauplätze vergeben werden. Punkte gibt es auch dafür, wenn jemand in Amtzell aufgewachsen ist oder schon länger in der Gemeinde lebt. Die Leitlinien der EU müssen aus Sicht der Gemeinde in Amtzell trotzdem nicht angewendet werden, sagt Hauptamtsleiter Christoph Liebmann: „Die Leitlinien vom Februar 2017 beziehen sich auf Fälle der vergünstigten Überlassung von Baugrundstücken im Rahmen des so genannten Einheimischenmodells. Eine vergünstigte Überlassung von Baugrundstücken durch die Gemeinde Amtzell an bestimmte Bewerber oder Bevölkerungsgruppen findet jedoch nicht statt.“
Die Bauplätze im aktuellen Baugebiet „Pfärricher Straße“würden zu einem einheitlichen Preis von 250 Euro pro Quadratmeter verkauft werden. Der Wohnort der Bewerber spiele für die Höhe des Quadratmeterpreises keine Rolle, Zuschläge für auswärtige Käufer oder Abschläge für einheimische Käufer werden in Amtzell nicht erhoben, erklärt Liebmann weiter. Eine Subventionierung des Bauplatzpreises durch die Gemeinde sei auch darüber hinaus nicht erkennbar.
„Im Übrigen hat die Gemeinde Amtzell in den Bauplatzvergaberichtlinien den Schwerpunkt der Punktevergabe auf das Hauptkriterium ,Familiäre und soziale Situation’ gelegt“, erklärt Liebmann. Deutlich über die Hälfte der Punkte, nämlich 56 Prozent, würden anhand der familiären und sozialen Situation vergeben, beziehungsweise können von den Bewerbern gesammelt werden. Nur 44 Prozent der zu vergebenden Punkte können über das Hauptkriterium „Bezug zur Gemeinde“erreicht werden mit den Unterkriterien „Wohnsitz“, „Erwerbstätigkeit oder Selbständigkeit in der Gemeinde“und „Ehrenamt“. Die Bewerbungen in Amtzell würden anonymisiert bewertet.
Punktesystem in Argenbühl
Wer Kinder hat, hat in Argenbühl gute Chancen auf einen Bauplatz. Denn die familiäre Situation und die Anzahl der Kinder ist das Hauptkriterium, nach dem Bauplätze vergeben werden. Die Gemeinde geht ebenfalls nach einem Punktesystem vor, erklärt Bürgermeister Roland Sauter. Es werde neben den Familienverhältnissen auch gewertet, ob ein sozialer Härtefall wie etwa ein pflegebedürftiger Angehöriger im Haushalt vorliegt. Zudem werde aber auch darauf geschaut, ob ein Bewerber aus Argenbühl stammt und ein soziales Engagement wie etwa Vorstand oder ähnliche Funktion in einem Verein oder eine Mitgliedschaft bei der Feuerwehr vorweisen kann. „Uns ist grundsätzlich wichtig, dass die Argenbühler einen Bauplatz bekommen“, sagt Sauter. „Aber jeder hat bei uns die Möglichkeit, einen Bauplatz zu bekommen.“
Eine Familie mit Kindern aus Wangen zum Beispiel habe klar mehr Chancen auf einen Bauplatz als ein alleinstehender Argebühler, erklärt Sauter. Die Zielgruppe für Bauplätze in der Gemeinde seien eindeutig Familien mit Kindern. Auch wer schon länger auf einen Bauplatz wartet, erhalte dafür Punkte. Die finanzielle Lage von Bewerbern werde dagegen gar nicht berücksichtigt.
Das Punktesystem existiert seit rund drei Jahren. Das Urteil des europäischen Gerichtshofs und die daraus folgende Richtlinie, dass Gemeinden eigene Bürger nicht bevorzugen dürfen, sei natürlich bekannt, sagt Sauter: „Wir haben die Richtlinie angeschaut und unsere Vergabekriterien grob abgeklopft. Wir sind der Meinung, dass sie den Vorgaben gerecht werden.“Es gebe keine Beschränkung, jeder habe eine Chance, in Argenbühl zu bauen, die Punkteliste werde strikt abgearbeitet. „Außerdem gibt es einen einheitlichen Preis für die Grundstücke, je nach Marktwert. Niemand wird bevorzugt“, so Sauter.
In Argenbühl werden laufend Bauplätze vergeben, zwei bis drei Mal im Jahr entscheidet der Gemeinderat über die Bauplatzvergabe. „Wir wollen kontinuierlich auch in den kommenden Jahren noch Bauplätze anbieten können“, erklärt Bürgermeister
Sauter. Darum könne man sich auch laufend auf einen Bauplatz bewerben.
In Kißlegg gibt es derzeit keine Bauplätze, die vergeben werden können. Darum stelle sich die Frage nach Vergabekriterien derzeit nicht, erklärt Werner Bachmann, der Verantwortliche für die Liegenschaften: „Mit dem Angebot von neuen Bauplätzen werden wir auch das Thema Vergaberichtlinien neu betrachten. Wir haben keine Satzung für Vergabekriterien, diese wurden bisher vom Gemeinderat von Baugebiet zu Baugebiet neu beschlossen.“Wann die nächsten Bauplätze in Kißlegg zum Verkauf stehen, sei momentan nicht absehbar.
„Bisher hat die finanzielle Situation keine Rolle gespielt, im letzten Baugebiet hat es für Kinder unter 18 Jahren, die im Haushalt leben und für Passivhäuser einen Rabatt auf den Bauplatzpreis gegeben. Ob dies zukünftig wieder gewährt wird, liegt in der Entscheidung des Gemeinderats“, erklärt Bachmann. Bisher seien die Kriterien immer neu an die Bedürfnisse der Gemeinde angepasst worden.
Wangen ändert Kriterien
Die Wangener Verwaltung hingegen möchte grundsätzlich an den Vergabekriterien arbeiten. „Wir werden natürlich unsere Vergabekriterien überarbeiten“, erklärte Liegenschaftsamtsleiter Armin Bauser auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“, ehe das Thema im Frühjahr im Wangener Rat aufkam. Wie, das sei derzeit allerdings noch völlig offen. Schließlich müsse man die zu ändernden Kriterien rechtssicher machen. Deswegen sei er über den Städtetag in Kontakt mit seinen Fachkollegen. Natürlich habe Bauser die seit 2003 gültigen Vergabekritieren der Stadt auf die neue Rechtslage abgeklopft. Dabei stellt er fest: „Wir haben keinen Ausschluss drin.“Heißt: Grundsätzlich hätten so genannte ortsfremde EU-Bürger durchaus eine Chance innerhalb des Stadtgebiets einen Bauplatz zu bekommen. Allerdings sagte Bauser auch: „Ich glaube nicht, dass das reicht.“