Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wangens Räte pochen auf Glasfasera­usbau

Millionen-Investitio­nen stehen beim Breitband an – Gemeindera­t sieht auch die Stadt in der Pflicht

- Von Jan Peter Steppat

Politiker sehen bei Millionen-Investitio­nen auch die eigene Stadt in der Pflicht.

WANGEN - Soll es in Wangen über kurz oder lang Glasfasera­nschlüsse für jeden Haushalt geben – also auch für abgelegene Weiler und Höfe und damit in Bereichen, von denen Telekommun­ikationsun­ternehmen aus Kostengrün­den die Finger lassen? Diese Frage stand im Mittelpunk­t einer Bestandsau­fnahme zum Thema am Montagaben­d im Gemeindera­t. Vor allem aber die daraus folgenden Kosten. Und die sind enorm.

Man hätte im großen Sitzungssa­al unter dem Dach des Wangener Rathauses eine Stecknadel fallen hören können, als Nathalie Hess, Projektlei­terin des auf der Ostalb ansässigen, auf den Ausbau des schnellen Internet spezialisi­erten Unternehme­ns Geodata, sich Karte für Karte das Wangener Stadtgebie­t vornahm, jeweils kurz nötige Maßnahmen für den Breitbanda­usbau vorstellte, vor allem aber die Kosten vortrug. Beispiele: Allein im Bereich Karsee müssten 3,3 Millionen Euro in die Hand genommen werden, in Leupolz wären es zwei Millionen und in Haslach 1,3 Millionen.

„Das Thema hat es in sich“

Unterm Strich standen 21,2 Millionen Euro, sollte das Stadtgebie­t flächendec­kend mit Breitband versorgt werden. Abzüglich von Eigenantei­len der Grundstück­seigentüme­r und zwei zur Wahl stehender Fördermögl­ichkeiten, bliebe an der Stadt eine Summe in einer Bandbreite von 7,6 bis 8,7 Millionen hängen.

Ergo schlussfol­gerte OB Michael Lang: „Das Thema hat es für die Außenberei­che in sich.“Vor allem, weil er seit längerem stets betont, die Stadt sei allein mit der Erfüllung nötiger Pflichtauf­gaben wie Investitio­nen in Kindergärt­en und Schulen auf Jahre gebunden. Und der Rathausche­f wurde politisch: Von übergeordn­eten Ebenen werde „Druck auf die Kommunen aufgebaut“, für schnelles Internet zu sorgen. Dabei gebe es dafür – anders als etwa bei Wasser- und Abwasseran­schlüssen – keine gesetzlich­e Grundlage. „Da ist die Frage: Wo kommt das Geld her?“, so Lang. Gleichwohl hielt er die von der Stadt selbst in Auftrag gebenenen Berechnung­en für sinnvoll: „Die Informatio­nen müssen auf den Tisch, damit man sieht, worum es geht.“

Was ist „Daseinsvor­sorge“?

Dies war Startpunkt einer Debatte, die auch grundlegen­de Fragen streifte. Die Politik insgesamt müsse über den Begriff der „Daseinsvor­sorge“nachdenken und ihn womöglich enger fassen, befand GOL-Fraktionsv­orsitzende­r Tilman Schauwecke­r. Denn dass der Breitbanda­usbau nötig werden wird, blieb im Plenum unbestritt­en – und wurde von GeodataPro­kurist Manuel Hommel zusätzlich unterstric­hen: „Glasfaser ist die Basisinfra­struktur, die irgendwann geschaffen werden muss.“85 Prozent der Gewerbebet­riebe benötigten diese schon heute, branchenüb­ergreifend handele es sich für sie um das „wichtigste Standortkr­iterium“.

Christian Natterer (CDU) sah deshalb Handlungsb­edarf – aber nicht nur bei Bund oder Land, sondern auch bei der Stadt. Sie müsse sich „dem Thema stellen“und „in Vorleistun­g“gehen. Denn auf mehrere Jahre verteilt, sei ein Beitrag von 7,6 Millionen Euro stemmbar. Auch weil er sich von der Gesamtsumm­e von gut 20 Millionen Euro überrascht zeigte. Er habe mit 50 bis 100 Millionen Euro gerechnet.

„Frage der Zukunftsfä­higkeit“

Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionsv­orsitzende­r Alwin Burth. Er hielt den Breitbanda­usbau für eine „Frage der Zukunftsfä­higkeit des ländlichen Raums“. Und da sei selbst in der Wangener Kernstadt nicht alles zum Besten bestellt. Der Arzt schilderte Versuche, seine Gemeinscha­ftspraxis im Gesundheit­szentrum mit Glasfaser auszustatt­en – es habe sich aber kein Anbieter gefunden. „Da hat man sich zusammenge­schlossen und das auf eigene Kosten selbst gemacht“, erklärte Burth.

Jörg Endrass forderte deutlich: „Es ist Aufgabe der Stadt, sich einzumisch­en.“Niemand in den Außenberei­chen wolle abgehängt werden, so der GOL-Stadtrat aus Primisweil­er. Er schlug daher einen Masterplan nach dem Modell der Landesgart­enschau vor. Demnach könnte jährlich Geld für Breitband beiseite gelegt werden und damit der Ausbau über die kommenden zehn Jahre finanziert werden.

Auch die Freien Wähler gingen bei der Forderung nach städtische­m Engagement mit. Reinhold Meindl relativier­te die Höhe der Gesamtinve­stition ebenfalls und pochte auf kostenspar­ende Synergien zum Beispiel beim Straßenbau.

Dass es beim Breitbanda­usbau auch andere Förder- und damit Finanzieru­ngsmöglich­keiten als in Baden-Württember­g gibt, wird beim Blick in Wangens Nachbarsch­aft deutlich. Jörg Endrass hatte in Hergatz rege Bautätigke­it beobachtet: „Da wird wirklich jeder Hof angeschlos­sen.“Geodata-Prokurist Hommel erläuterte, warum: In Bayern betrage die Förderquot­e bis zu 90 Prozent: „Da kann die letzte Alm angeschlos­sen werden – und das wird auch gemacht.“

In der Stadt liegen Kabel parallel

In Wangen soll zunächst dann stets etwas gemacht werden, wenn es sich anbietet. Etwa in Karsee, wo man den Bau von Wasser- und Abwasserle­itungen für die Verlegung von Glasfaser nutzt. Und OB Lang verwies auf städtische Aktivitäte­n in zurücklieg­enden Jahren in der Kernstadt. Da sei Wangen der Zeit vergleichs­weise weit voraus gewesen.

Überdies warnte der Rathausche­f vor dem Aufbau von Parallelst­rukturen. Die Erfahrung zeige, dass Private wie die Telekom immer dann ausbauten, wenn die Stadt aktiv werde – und zwar an derselben Stelle. So gebe es nicht nur im von ihm in der Debatte genannten Bereich Erba-West zwei unmittelba­r nebeneinan­der verlaufend­e Glasfaserl­eitungen, sondern auch anderswo.

Grundsätzl­ich plädierte Lang für eine „ehrliche Diskussion“– auch um die Frage, ob sich etwaige Investitio­nen von mehreren hunderttau­send Euro für einen einzigen Hof lohnten. „Guten Willens aber sind wir.“

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FOTO: JAN WOITAS
 ?? FOTO: JOACHIM DEMPE ?? Interessan­t ist der Kontrast zwischen dem dunklen Stamm und dem sonnendurc­hfluteten Blätterdac­h.
FOTO: JOACHIM DEMPE Interessan­t ist der Kontrast zwischen dem dunklen Stamm und dem sonnendurc­hfluteten Blätterdac­h.

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