Wangens Räte pochen auf Glasfaserausbau
Millionen-Investitionen stehen beim Breitband an – Gemeinderat sieht auch die Stadt in der Pflicht
Politiker sehen bei Millionen-Investitionen auch die eigene Stadt in der Pflicht.
WANGEN - Soll es in Wangen über kurz oder lang Glasfaseranschlüsse für jeden Haushalt geben – also auch für abgelegene Weiler und Höfe und damit in Bereichen, von denen Telekommunikationsunternehmen aus Kostengründen die Finger lassen? Diese Frage stand im Mittelpunkt einer Bestandsaufnahme zum Thema am Montagabend im Gemeinderat. Vor allem aber die daraus folgenden Kosten. Und die sind enorm.
Man hätte im großen Sitzungssaal unter dem Dach des Wangener Rathauses eine Stecknadel fallen hören können, als Nathalie Hess, Projektleiterin des auf der Ostalb ansässigen, auf den Ausbau des schnellen Internet spezialisierten Unternehmens Geodata, sich Karte für Karte das Wangener Stadtgebiet vornahm, jeweils kurz nötige Maßnahmen für den Breitbandausbau vorstellte, vor allem aber die Kosten vortrug. Beispiele: Allein im Bereich Karsee müssten 3,3 Millionen Euro in die Hand genommen werden, in Leupolz wären es zwei Millionen und in Haslach 1,3 Millionen.
„Das Thema hat es in sich“
Unterm Strich standen 21,2 Millionen Euro, sollte das Stadtgebiet flächendeckend mit Breitband versorgt werden. Abzüglich von Eigenanteilen der Grundstückseigentümer und zwei zur Wahl stehender Fördermöglichkeiten, bliebe an der Stadt eine Summe in einer Bandbreite von 7,6 bis 8,7 Millionen hängen.
Ergo schlussfolgerte OB Michael Lang: „Das Thema hat es für die Außenbereiche in sich.“Vor allem, weil er seit längerem stets betont, die Stadt sei allein mit der Erfüllung nötiger Pflichtaufgaben wie Investitionen in Kindergärten und Schulen auf Jahre gebunden. Und der Rathauschef wurde politisch: Von übergeordneten Ebenen werde „Druck auf die Kommunen aufgebaut“, für schnelles Internet zu sorgen. Dabei gebe es dafür – anders als etwa bei Wasser- und Abwasseranschlüssen – keine gesetzliche Grundlage. „Da ist die Frage: Wo kommt das Geld her?“, so Lang. Gleichwohl hielt er die von der Stadt selbst in Auftrag gebenenen Berechnungen für sinnvoll: „Die Informationen müssen auf den Tisch, damit man sieht, worum es geht.“
Was ist „Daseinsvorsorge“?
Dies war Startpunkt einer Debatte, die auch grundlegende Fragen streifte. Die Politik insgesamt müsse über den Begriff der „Daseinsvorsorge“nachdenken und ihn womöglich enger fassen, befand GOL-Fraktionsvorsitzender Tilman Schauwecker. Denn dass der Breitbandausbau nötig werden wird, blieb im Plenum unbestritten – und wurde von GeodataProkurist Manuel Hommel zusätzlich unterstrichen: „Glasfaser ist die Basisinfrastruktur, die irgendwann geschaffen werden muss.“85 Prozent der Gewerbebetriebe benötigten diese schon heute, branchenübergreifend handele es sich für sie um das „wichtigste Standortkriterium“.
Christian Natterer (CDU) sah deshalb Handlungsbedarf – aber nicht nur bei Bund oder Land, sondern auch bei der Stadt. Sie müsse sich „dem Thema stellen“und „in Vorleistung“gehen. Denn auf mehrere Jahre verteilt, sei ein Beitrag von 7,6 Millionen Euro stemmbar. Auch weil er sich von der Gesamtsumme von gut 20 Millionen Euro überrascht zeigte. Er habe mit 50 bis 100 Millionen Euro gerechnet.
„Frage der Zukunftsfähigkeit“
Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionsvorsitzender Alwin Burth. Er hielt den Breitbandausbau für eine „Frage der Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raums“. Und da sei selbst in der Wangener Kernstadt nicht alles zum Besten bestellt. Der Arzt schilderte Versuche, seine Gemeinschaftspraxis im Gesundheitszentrum mit Glasfaser auszustatten – es habe sich aber kein Anbieter gefunden. „Da hat man sich zusammengeschlossen und das auf eigene Kosten selbst gemacht“, erklärte Burth.
Jörg Endrass forderte deutlich: „Es ist Aufgabe der Stadt, sich einzumischen.“Niemand in den Außenbereichen wolle abgehängt werden, so der GOL-Stadtrat aus Primisweiler. Er schlug daher einen Masterplan nach dem Modell der Landesgartenschau vor. Demnach könnte jährlich Geld für Breitband beiseite gelegt werden und damit der Ausbau über die kommenden zehn Jahre finanziert werden.
Auch die Freien Wähler gingen bei der Forderung nach städtischem Engagement mit. Reinhold Meindl relativierte die Höhe der Gesamtinvestition ebenfalls und pochte auf kostensparende Synergien zum Beispiel beim Straßenbau.
Dass es beim Breitbandausbau auch andere Förder- und damit Finanzierungsmöglichkeiten als in Baden-Württemberg gibt, wird beim Blick in Wangens Nachbarschaft deutlich. Jörg Endrass hatte in Hergatz rege Bautätigkeit beobachtet: „Da wird wirklich jeder Hof angeschlossen.“Geodata-Prokurist Hommel erläuterte, warum: In Bayern betrage die Förderquote bis zu 90 Prozent: „Da kann die letzte Alm angeschlossen werden – und das wird auch gemacht.“
In der Stadt liegen Kabel parallel
In Wangen soll zunächst dann stets etwas gemacht werden, wenn es sich anbietet. Etwa in Karsee, wo man den Bau von Wasser- und Abwasserleitungen für die Verlegung von Glasfaser nutzt. Und OB Lang verwies auf städtische Aktivitäten in zurückliegenden Jahren in der Kernstadt. Da sei Wangen der Zeit vergleichsweise weit voraus gewesen.
Überdies warnte der Rathauschef vor dem Aufbau von Parallelstrukturen. Die Erfahrung zeige, dass Private wie die Telekom immer dann ausbauten, wenn die Stadt aktiv werde – und zwar an derselben Stelle. So gebe es nicht nur im von ihm in der Debatte genannten Bereich Erba-West zwei unmittelbar nebeneinander verlaufende Glasfaserleitungen, sondern auch anderswo.
Grundsätzlich plädierte Lang für eine „ehrliche Diskussion“– auch um die Frage, ob sich etwaige Investitionen von mehreren hunderttausend Euro für einen einzigen Hof lohnten. „Guten Willens aber sind wir.“