„Auch dieser Mensch hat Würde“
Publizist Michael Rag spricht in Kißlegg anlässlich des deutschen Hospiztags
KISSLEGG - Ein namhafter Redner aus den Reihen der Gegner von Sterbehilfe und Befürworter der Hospizarbeit ist jüngst in Kißlegg zu hören gewesen: Michael Ragg, umstrittener Journalist sowie Radio- und Fernsehmoderator, sprach anlässlich des deutschen Hospiztags. Hierbei wurde außerdem ein Kooperationsvertrag zwischen dem Seniorenheim Ulrichspark und der Hospizgruppe Kißlegg unterzeichnet (siehe Kasten). Für den musikalischen Rahmen sorgte Miriam Heuberger am Klavier.
„Wir müssen uns darauf einstellen, dass es eine große Kampagne geben wird, dass wir es nicht dem Zufall überlassen, wann wir von der Erde scheiden“, befürchtete Michael Ragg zu Beginn des Vortrags. Damit bezog er sich auf die sogenannte vorausschauende Behandlungsplanung, ein Werkzeug für Patienten, mit dem sie eine Art erweiterte Patientenverfügung erstellen können. Der Referent hantierte mit Begriffe wie beispielsweise dem „sozialverträglichen Frühableben“, das dem Staat angesichts Demografie und teurer Pflege Kosten spare. „Die Medien werden uns nahelegen, uns entsprechend zu verhalten“, prophezeite Ragg, ohne das Wort Propaganda zu scheuen. „Überall da, wo menschliches Leben Schwäche zeige, solle es aussortiert werden“, schilderte Ragg seinen Eindruck der aktuellen Lage und nannte Abtreibung, pränatale Diagnostik und Organtransplantation als Belege für die These.
Ragg ist sich sicher: „Wenn es um das Thema Sterbehilfe geht, hat die Art und Weise, wie wir in eine bestimmte Richtung gedrückt werden, eine diabolische Qualität.“Dem Argument, der Mensch habe ein Recht auf Leben und ein Recht auf Sterben, entgegnete Ragg, dass der Mensch gar kein Recht auf Leben habe: „Unser Leben verdanken wir der Gnade – die einzige Antwort darauf kann Dankbarkeit sein – solange wie es dem gefällt, der uns einst ins Leben geführt hat.“Der Referent zog Parallelen von der Debatte um Abtreibungen zur Sterbehilfe. Wenn zu jungen Mädchen im Schwangerschaftskonflikt gesagt werde, „du musst selbst wissen, ob du das Kind bekommst“, bedeute das umgekehrt: „Wenn du es bekommst, stehst du alleine da.“Würde man nun, so der Referent, zu alten Menschen sagen, „entscheide selbst, ob du sterben willst“, dann käme jeder unter Druck, der Leben möchte. „Er fühlt sich dann schlecht, weil er damit seinen Angehörigen die Umstände der Pflege aufbrummt.“Der Standpunkt Raggs: Beihilfe tötet. Wenn sich jemand umbringen möchte, gebe es „genug Möglichkeiten“, ohne andere mit reinzuziehen.
Zur Legalisierung der Sterbehilfe werde außerdem mit dem „hohen Wert der Selbstbestimmung gelockt“, stellte Michael Ragg fest. „Nur um dann alle Selbstbestimmung wegzuwerfen.“Der Pflegebedürftige, der von einem liebenden Umfeld umgeben ist, habe hingegen immer noch Selbstbestimmung. Häufig sei davon die Rede, dass Sterbende niemandem zu Last fallen wollen. Dem liege folgende Denkweise zu Grunde: „Wenn ich einmal von anderen abhängig bin, dann habe ich keine Würde mehr.“Der Redner entgegnete, dass am Anfang des Lebens schließlich jeder auf andere angewiesen ist. „Haben Kinder also keine Würde?“
Wenn das Ziel des Lebens wäre, möglichst autonom zu sein, dann käme eine Welt von Robotern heraus, sagt Ragg. Jeder könne etwas zum Gemeinwohl beitragen, sei ansonsten aber auf andere angewiesen: „Wenn Selbstbestimmung der Kern des Menschen wäre, dann würde sie permanent verletzt.“Auf Sterbende bezogen bedeute das: Je erbärmlicher die Lage eines Menschen ist, desto wichtiger ist es, sich dafür einzusetzen „auch dieser Mensch hat Würde.“Die Leistung Sterbender sei oft, dem Leben derjenigen der ihnen hilft, Sinn zu stiften. „Wir dürfen andere nicht daran hindern, Gutes zu tun“, lautete das Fazit.