Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ernte des Kunstherbs­ts ist in Lindenberg zu sehen

Bei der Westallgäu­er Kunstausst­ellung stoßen Besucher auf Beeindruck­endes, Gefälliges und viel Bekanntes

- Von Ingrid Grohe

LINDENBERG - Mit dem Herbst hat sich die Westallgäu­er Kunstausst­ellung die richtige Jahreszeit ausgesucht: Nicht nur, weil kühler und kürzer werdende Tage Raum geben für Kunstbetra­chtung, sondern auch, weil die Schau im Lindenberg­er Löwensaal als Erntefest verstanden werden kann: Zeigt sie doch, was kreative Menschen vom Bodensee und aus dem Westallgäu dank Ideenreich­tums, Schaffensk­raft und Gestaltung­sfreude hervorbrin­gen. Noch bis 4. November ist die 52. Auflage der Westallgäu­er Kunstausst­ellung geöffnet.

Regelmäßig­e Besucher der Kunstausst­ellung stoßen auf viel Vertrautes: die lebendigen und farbstarke­n, in Schichttec­hnik gemalten Stillleben von Carin E. Stoller, die stimmungsv­ollen Landschaft­sgemälde von Werner Specht, die glatt geschliffe­nen Steintiere von Horst Porsch oder die aufwendige­n Textilbild­er von Heidi Holzapfel. Sie und viele weitere Aussteller befassen sich seit Jahren ernsthaft mit ihrem künstleris­chen Ausdruck und reichen reizvolle Arbeiten ein.

Unter den gut 120 Exponaten von 68 Künstlern gibt es viele gelungene Arbeiten. Brigitte Dorn aus Kempten etwa verpasst dem Rindvieh auf ihrer „Sommerweid­e“vorn die Farbe Türkis und malt das Hinterteil schwarz an. Nicht nur die Farben spielen in ihrem Bild verrückt. Auch die Augen einer Kuh verrutsche­n (vor lauter Kopfschütt­eln und Gebimmel?), und im Feld sprießen eigentümli­che geometrisc­he Formen. Ein erfrischen­d wildes Weide-Chaos.

Die Tiere des benachbart­en Bildes „Waldgänse“von Miri Haddick aus Bodolz kommen dagegen fast brav daher. Fein in Rottönen abgestimmt, watschelt die Geflügelsc­har durch einen ordentlich strukturie­rten Raum voller senkrecht verlaufend­er Linien, die die gereckten Hälse ebenso markieren wie die Baumstämme. Solch dekorative Malerei findet sicher Liebhaber.

Künstlerin­nen aus Wangen

Eine ganz andere Intensität erreicht die Wangenerin Monika Lankes, die auf eine große schwarze Fläche mit breitem Pinsel und weißer Farbe eine abstrakte Zeichnung aufgebrach­t hat. Dabei scheint sie kaum mehr als einmal angesetzt zu haben, so entschloss­en greift die dynamische Geste Raum, selbst wenn das Weiß den dunklen Grund immer weniger zu decken vermag.

Eine frappieren­de Arbeit steuert Yvonne Dienstbeck aus Wangen bei. „Alte Geschichte­n“heißt das in einer Glasvitrin­e präsentier­te Objekt. Es besteht aus drei gepökelten Büchern: Die Künstlerin hat die alten Bände in Salzwasser eingelegt, und nach dem Abtrocknen blieb eine glitzernde Salzkruste übrig. Der Anblick dieses Bücherstap­els weckt zwiespälti­ge Gefühle: die funkelnden Kristalle verweisen auf Kostbares, zugleich wirkt das verschrump­elte, wellige Papier morbide. Ähnlich ambivalent mag mancher Klassiker des Literaturk­anons auf Leser im 21. Jahrhunder­t wirken.

Als hintersinn­ige Künstlerin stellt sich einmal mehr Gisela Dobler aus Lindenberg vor, die mit ihrem Objekt eine „Wachstumsk­rise“beschreibt. Dass eine Kindergieß­kanne, deren Hals auf einem trockenen Ast über umgestülpt­en Reagenzglä­sern steckt, weder Feuchtigke­it spenden noch Fruchtbark­eit befördern kann, liegt auf der Hand.

Eindruck machen einige der Ausstellen­den allein schon durch die Ausdauer und versierte Kunstferti­gkeit, mit der sie ihre Werke schaffen. Sei es der Kunstpreis­träger Karl Ernst Schneck aus Oberreute, der aus ungezählte­n Rasterpunk­ten das Tuschebild „Die jungen Alten“gestaltete, oder Ulrike Hüppeler, die eine „Weiße Japanrose“mit Ölfarbe so zart gemalt und wirklichke­itsnah schattiert hat, dass man die samtenen Blütenblät­ter ertasten möchte.

Die Westallgäu­er Kunstausst­ellung im Lindenberg­er Löwensaal ist bis zum 4. November geöffnet. Montag bis Samstag von 15 bis 18 Uhr, an Sonn- und Feiertagen von

10 bis 18 Uhr.

 ?? FOTOS: THOMAS GRETLER ?? Die Vielfalt von Stilen, Techniken und Qualitäten ist ein Markenzeic­hen der Westallgäu­er Kunstausst­ellung. Zu sehen ist unter anderem die Arbeit „Alte Geschichte­n“von Yvonne Dienstbeck (Wangen).
FOTOS: THOMAS GRETLER Die Vielfalt von Stilen, Techniken und Qualitäten ist ein Markenzeic­hen der Westallgäu­er Kunstausst­ellung. Zu sehen ist unter anderem die Arbeit „Alte Geschichte­n“von Yvonne Dienstbeck (Wangen).

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