2019 soll ein neuer Pflege-TÜV kommen
Schwierige Einsicht in Qualität von Pflegeheimen – 2019 soll ein neuer Pflege-TÜV kommen
STUTTGART (sz) - Wer als Pflegebedürftiger oder Angehöriger wissen will, was gut oder schlecht läuft in Pflegeheimen, hat es schwer. Derzeit werden Heime von zwei Instanzen überprüft. Zum einen vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Das System steht seit Jahren in der Kritik. Außer dem MDK kontrollieren Mitarbeiter der staatlichen Heimaufsicht die Einrichtungen. Sie sollen sicherstellen, dass alles gesetzeskonform abläuft. 2019 soll ein neuer Pflege-TÜV des MDK kommen.
STUTTGART - Welche Mängel treten in einem Pflegeheim auf? Was läuft gut, was schlecht? Wer Antworten auf solche Fragen sucht, hat es nicht leicht. Krankenkassen und Patienten fordern, das zu ändern. Doch es gibt Widerstand.
Die Oma leidet an Alzheimer, der Vater kommt daheim nicht mehr allein zurecht: In solchen Fällen suchen Angehörige nach dem richtigen Pflegeheim. Derzeit werden Heime von zwei Instanzen überprüft. Zum einen vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Im Auftrag der Kassen schauen die Kontrolleure seit 2009 etwa einmal jährlich in Heimen vorbei. Doch das System steht seit Jahren in der Kritik. Unter anderem, weil die Prüfer nicht so sehr auf die Patienten schauen – sondern darauf, was in den Akten steht. 2019 soll ein neuer Pflege-TÜV des MDK kommen. Außerdem veröffentlicht der MDK Gesamtnoten pro Heim – und diese fallen fast überall ähnlich aus. Unterschiede werden so nicht sichtbar. Immerhin sind die Noten im Netz abrufbar, etwa bei Krankenkassen und Verbraucherzentralen.
Außer dem MDK kontrollieren Mitarbeiter der staatlichen Heimaufsicht die Einrichtungen. Sie sollen sicherstellen, dass alles gesetzeskonform abläuft. Doch wer einen solchen Prüfbericht lesen möchte, muss einiges auf sich nehmen: Die Dokumente müssen nur im Heim ausgehängt werden – in Zeiten des Internets und von Vergleichsportalen ein Anachronismus. Außerdem strotzen die Prüfberichte vor Fachbegriffen. Wer verschiedene Einrichtungen vergleichen möchte, hat es richtig schwer: Jeder Bericht fällt anders aus.
Internetplattform könnte helfen
„Wir brauchen mehr Transparenz. Es nützt Angehörigen, die nach einem Pflegeplatz suchen, wenig, wenn Berichte der Heimaufsicht nur in der Einrichtung am Schwarzen Brett aushängen“, sagt Andreas Vogt, Landeschef der Techniker Krankenkassen (TK). Seine Idee: eine Internetplattform, auf der Angehörige und Patienten alles zum Thema Pflege finden. Kontakte zu Anbietern, Beratungsstellen – und eben Qualitätsberichte, sowohl jene des MDK als auch die der Heimaufsicht. Das Sozialministerium begrüßt zwar die Idee einer Onlineplattform, auf der alle Angebote und Beratungsstellen zur Pflege zu finden sind. Doch das Haus von Manfred Lucha (Grüne) lehnt es ab, dort Berichte der Heimaufsicht zu veröffentlichen. Das sei schon aus rechtlichen Gründen problematisch. „Wir haben – anders als der MDK – keine Kriterien, die eine solche Vergleichbarkeit herstellen würden“, sagt eine Sprecherin.
Genau daran entzündet sich Kritik. Achim Uhl vom Paritätischen Wohlfahrtsverband hat 2014 mehr als 170 Berichte der Heimaufsicht analysiert. Das Ergebnis war verheerend – unverständlich, nicht vergleichbar, zum Teil nicht wissenschaftlichen Standards entsprechend. Seitdem hat sich nur wenig getan. „Immerhin hat das Land Empfehlungen erarbeitet, damit einheitlich geprüft wird. Aber das hatte allenfalls homöopathische Wirkung“, sagt Uhl. Denn die Landkreise müssen den Empfehlungen nicht folgen – und so gibt es weiter viele verschiedene Prüfsystematiken und Berichte. „Die fachlichen Mängel in den Berichten sind nach wie vor gravierend“, moniert Uhl. Die Berichte enthielten oft Empfehlungen an das Pflegepersonal, die kein Experte geben würde – sie entsprächen einfach nicht dem Stand der Wissenschaft. Das sei kein Wunder: Im Gegensatz zum MDK schickten die Aufsichtsbehörden keine Fachleute. Außerdem warnt Uhl davor, Heime unter Generalverdacht zu stellen. Zeit- und Personalnot seien groß, dennoch leiste die Mehrheit sehr gute Arbeit. Statt Prüfungen nach veralteten Methoden durchzuführen, sollten die Behörden lieber dafür sorgen, dass Heime besser beraten würden, um mögliche Defizite zu beheben.
„Mängel nehmen zu“
TK-Landeschef Vogt gibt Uhl Recht. „Noch belegen die Prüfberichte des MDK keine flächendeckenden, gravierenden Mängel in den Heimen. Aber die Mängel nehmen zu. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass es nicht noch mehr werden“, sagt Vogt. Grundsätzlich sind auch Uhl und sein Verband dafür, mehr Transparenz zu schaffen und Berichte zu veröffentlichen – obwohl er Pflegeheime vertritt. Aber die Berichte seien aktuell einfach keine sinnvolle Grundlage, um die Qualität eines Heims zu beurteilen.
Ein weiterer Kritikpunkt: MDK und Heimaufsicht stimmen sich nicht ab. Sie prüfen zu 60 Prozent die selben Dinge. Das bedeutet doppelten Aufwand und Bürokratie für die Mitarbeiter eines Heims. Dabei ist Personal dort ohnehin knapp. Nun könnte man argumentieren, jede Kontrolle zum Wohle der Patienten sei gut. Aber auch der Sozialverband VDK, der sich für Angehörige und Pflegebedürftige einsetzt, hält wenig davon. „Diese Doppelkontrollen machen keinen Sinn“, kritisiert VDKLandeschef Roland Sing. Es brauche mehr Transparenz für Angehörige und Pflegebedürftige, das jetzige System verhindere dies mit unverständlichen, uneinheitlichen und nicht fundierten Prüfberichten.