Region fordert Vorarlberg zum Kiesabbau auf
Verband spricht mit der Landesregierung über Rohstoffimport aus Oberschwaben
KREIS RAVENSBURG - Vorarlberg braucht Kies. Aktuell liegt der Bedarf an Kies und Gestein im österreichischen Nachbarland bei etwa vier Millionen Tonnen im Jahr. Doch so viel wird in Vorarlberg nicht abgebaut. Laut einer Studie der Wirtschaftsabteilung des Landes Vorarlberg werden momentan 2,75 Millionen Tonnen an Steinen und Kies pro Jahr aus der Erde geholt, Tendenz stark fallend.
„Diese Abbaumenge wird sich in den nächsten Jahren erheblich reduzieren“, heißt es von der Landespressestelle Vorarlberg. Um fast drei Viertel in zehn Jahren, falls keine neuen Abbaugebiete genehmigt werden. Aber der Bedarf bleibt. Woher soll das Kies dann kommen? „Die fehlende Menge müsste über zusätzliche Importe aus Deutschland und Tirol kompensiert werden“, so die Pressestelle. Also auch durch mehr Kies aus Oberschwaben?
Um diese Frage, wo für wen in Zukunft Kies abgebaut wird, ging es bei einem Treffen der Vorarlberger Landesregierung mit Vertretern des Regionalverbandes Bodensee-Oberschwaben Anfang November. „Wir wollten mit den Vorarlbergern reden“, sagt Wilfried Franke, Direktor des Regionalverbandes, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Der Verband arbeitet derzeit an einem neuen Regionalplan, in dem die Kiesabbaugebiete in den drei Landkreisen Ravensburg, Sigmaringen und Bodenseekreis für die nächsten Jahrzehnte festgelegt werden.
Es regt sich heftiger Widerstand
Mittlerweile regt sich an mehreren Orten heftiger Widerstand gegen den Kiesabbau. Dass ein Teil des Kieses ins Ausland exportiert wird, darunter Vorarlberg, ist Wasser auf die Mühlen der Kiesabbaugegner. Die aufgeheizte Stimmung war ein Grund für den Besuch in Österreich. „Wir wollten die Vorarlberger darüber informieren, dass es bei uns hochkocht“, sagt Franke. Von der Vorarlberger Landesregierung saß Landesstatthalter Karlheinz Rüdisser mit am Tisch, seine Position ist in etwa vergleichbar mit der des stellvertretenden Ministerpräsidenten. Doch den Besuchern aus Deutschland, neben Franke war auch Thomas Kugler, Vorsitzender des Planungsausschusses des Regionalverbands mitgereist, ging es nicht nur um Information. „Wir wollten auch deutlich sagen, dass das Land Vorarlberg eigene Anstrengungen unternehmen muss, um die Eigenversorgung hochzuhalten“, betont Franke. Eben damit in wenigen Jahren nicht mehr Kies aus Oberschwaben importiert werden muss. „Es kann nicht sein, dass bei uns kostengünstig abgebaut und dann exportiert wird“, so der Verbandsdirektor. Kostengünstig deshalb, weil in Baden-Württemberg im Gegensatz zu Vorarlberg keine Naturschutzabgabe für Kies fällig wird.
Am 15. September hat die „Schwäbische Zeitung“erstmals umfangreich über das Thema berichtet. Nach SZ-Recherche gehen rund eine Million Tonnen Kiesexport aus der Region Bodensee-Oberschwaben nach Österreich und die Schweiz.
„Die haben in Vorarlberg die gleichen Probleme wie wir“, schildert Franke das Gespräch. Aus seiner Sicht sei bei den Vorarlbergern schon das Bemühen zu sehen, neue Kiesabbaugebiete zu erschließen. „Die haben uns Standorte gezeigt, die im Verfahren sind. Ich hatte den Eindruck, dass sie wissen, dass sie selbst was tun müssen. Und dass sie sich ernsthaft bemühen, eigene Ressourcen zu erschließen und sich selbst zu versorgen. Das glaube ich den Vorarlbergern auch“, erklärt Franke, der mit dem Ergebnis des Gesprächs sehr zufrieden ist. „Die Frage wird sein, ob es ihnen gelingt, die Standorte auch umzusetzen.“
Vorarlberg importiert jetzt schon. Laut der Studie der Wirtschaftsabteilung des Landes Vorarlberg kommen 585 000 Tonnen Kies pro Jahr aus Deutschland. Der genaue Anteil aus oberschwäbischen Kiesgruben lässt sich „allenfalls schätzen“, so Franke. Nach seiner Schätzung sind es 200 000 bis 400 000 Tonnen, die jährlich aus der Region nach Vorarlberg exportiert werden.
Um Kiesexport und Kiesabbau ging es auch in der jüngsten Sitzung des Planungsausschusses des Regionalverbandes in Tettnang. Der Planentwurf mit den Standorten, wo zukünftig Kies abgebaut werden soll, habe „heftige Reaktionen“hervorgerufen, erzählte Franke. „Zwölf dicke Leitzordner mit Einwendungen sind bei uns eingegangen“, erklärte er. Darunter 1000 Stellungnahmen von Privatpersonen. Um das alles abzuarbeiten, bräuchte der Verband deutlich mehr Zeit als geplant. „Im Frühjahr geht es vielleicht weiter“, sagte Franke und mahnte: „Wenn wir allen Bedenken nachgehen, werden wir unseren Versorgungsauftrag nicht erfüllen.“Die genehmigten Vorräte reichen noch fünf bis sechs Jahre.
In der Diskussion wurde deutlich, dass die Ausschussmitglieder den Planentwurf weiterhin mittragen. Selbst aus der Grünen-/ÖDP-Fraktion kam keine Kritik am Kiesabbau. Siegfried Spangenberg (Grüne/ÖDP) freute sich über die Kiesdiskussion, weil sie auf die gesamtgesellschaftliche Aufgabe aufmerksam mache, ressourcenschonend zu handeln. Er sprach sich für mehr Recycling, mehr Sanierungen und mehr Geschosswohnungsbau aus.
„Keiner hat den Kiesabbau gern“
Grundsätzliche Kritik kam auch nicht von den Bürgermeistern der zwei Kommunen, bei denen Kies in großem Stil abgebaut wird: Leutkirch und Krauchenwies. Beide Bürgermeister plädierten für „Gleichbehandlung“innerhalb der Region und „ausgewogene Verhältnisse“. „Keiner hat den Kiesabbau gern“, sagte Leutkirchs Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle. Für Solidarität und eine gleichmäßige Belastung sprach sich auch Ausschussmitglied Hermann Zwisler (CDU) aus: „Wenn die Gruben in Ravensburg und Vogt abgelehnt werden, dann wird sich der Abbau noch mehr auf die großen Abbaugebiete konzentrieren.“