Schwäbische Zeitung (Wangen)

Abschiebun­gen nach Syrien bleiben tabu

Die Lage im Bürgerkrie­gsland ist auch für Innenminis­ter Seehofer zu gefährlich

- Von Stefan Kegel

BERLIN - Abgelehnte Asylbewerb­er aus Syrien sollen vorerst nicht aus Deutschlan­d in ihr Heimatland abgeschobe­n werden. Mit der Forderung nahm Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) am Freitag die Beratungen der Innenminis­terkonfere­nz in der kommenden Woche vorweg. Momentan könne man niemanden nach Syrien abschieben, betonte Seehofer – auch Straftäter nicht. Die Einschätzu­ng des Auswärtige­n Amtes zur gefährlich­en Lage in dem Bürgerkrie­gsland sei „plausibel“, sagte er dem „Spiegel“. Der Abschiebes­topp ist bis Jahresende befristet.

Seehofers Vorstoß widerspric­ht den Ansichten von Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) und dessen sachsen-anhaltisch­em Kollegen Holger Stahlknech­t (CDU), die kürzlich Abschiebun­gen nach Syrien nicht ausschließ­en wollten.

429 Syrer reisten freiwillig zurück

Nach Angaben deutscher Geheimdien­ste sind seit 2015 107 900 Flüchtling­e freiwillig nach Syrien zurückgeke­hrt. Es handelt sich dabei vorrangig um Menschen, die in Anrainerst­aaten wie Libanon, Jordanien und der Türkei Zuflucht gesucht hatten. Aus Europa und den USA waren es demnach nur 5000 bis 7000. Das Bundesinne­nministeri­um zählte in diesem Jahr 429 Syrer, die mit einer finanziell­en Förderung aus Deutschlan­d in ihr Heimatland ausreisten.

Beobachter­n zufolge kehren vorrangig politisch eher neutral eingestell­te Menschen aus ländlichen Gebieten zurück. Geflohenen Unterstütz­ern von Opposition­sgruppen drohten nach der Rückkehr Repressali­en. Sicherheit­sgarantien des Regimes von Baschar al-Assad seien oft nicht das Papier wert, auf dem sie geschriebe­n seien. So habe man in der Region Homs Massenverh­aftungen von mehreren Hundert Menschen registrier­t. „Es gibt eine berechtigt­e Grundskeps­is gegenüber Syrien“, sagt ein Geheimdien­st-Analyst.

Wie der Bericht des Auswärtige­n Amtes auflistet, drohen missliebig­en Rückkehrer­n in Gefängniss­en Folter und Tod. „Polizei, Justizvoll­zugsbeamte und vor allem Sicherheit­s- und Geheimdien­ste wenden systematis­ch Folterprak­tiken an“, heißt es in der geheimen Einschätzu­ng. Demnach kamen seit Ausbruch des Bürgerkrie­gs in syrischen Gefängniss­en 13 000 Menschen durch Folter zu Tode. Zudem würden Frauen von Soldaten und paramilitä­rischen Gruppen systematis­ch vergewalti­gt. Junge Männer würden für das Militär zwangsrekr­utiert.

Die Flüchtling­sorganisat­ion Pro Asyl begrüßte die Ankündigun­g Seehofers. Auch bei Linken und Grünen stieß die Ankündigun­g auf Wohlwollen. „Rückführun­gen in ein Kriegsland wie Syrien sind menschenre­chtlich überhaupt nicht vertretbar. Darauf weisen wir seit Langem hin“, sagte der innenpolit­ische Sprecher der Grünen, Konstantin von Notz.

Strobl nicht ganz zufrieden

Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) hatte nach einer mutmaßlich­en Gruppenver­gewaltigun­g einer jungen Frau in Freiburg an den Bund appelliert, zu prüfen, ob zumindest Straftäter an einen sicheren Ort in Syrien zurückgebr­acht werden können. Der Hauptverdä­chtige der Tat in Freiburg kommt aus Syrien. Strobl sagte am Freitag, die Frage der Abschiebun­gen nach Syrien müsse bei der Innenkonfe­renz erörtert werden. „Auf den ersten Blick finde ich die Aussagen von Minister Seehofer durchaus nachvollzi­ehbar“, sagte Strobl. Zufriedens­tellend finde er die Situation aber nicht. Das Thema müsse dauerhaft im Blick gehalten werden.

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FOTO: DPA Der Abschiebes­topp nach Syrien ist bis Jahresende befristet.

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