Abschiebungen nach Syrien bleiben tabu
Die Lage im Bürgerkriegsland ist auch für Innenminister Seehofer zu gefährlich
BERLIN - Abgelehnte Asylbewerber aus Syrien sollen vorerst nicht aus Deutschland in ihr Heimatland abgeschoben werden. Mit der Forderung nahm Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Freitag die Beratungen der Innenministerkonferenz in der kommenden Woche vorweg. Momentan könne man niemanden nach Syrien abschieben, betonte Seehofer – auch Straftäter nicht. Die Einschätzung des Auswärtigen Amtes zur gefährlichen Lage in dem Bürgerkriegsland sei „plausibel“, sagte er dem „Spiegel“. Der Abschiebestopp ist bis Jahresende befristet.
Seehofers Vorstoß widerspricht den Ansichten von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und dessen sachsen-anhaltischem Kollegen Holger Stahlknecht (CDU), die kürzlich Abschiebungen nach Syrien nicht ausschließen wollten.
429 Syrer reisten freiwillig zurück
Nach Angaben deutscher Geheimdienste sind seit 2015 107 900 Flüchtlinge freiwillig nach Syrien zurückgekehrt. Es handelt sich dabei vorrangig um Menschen, die in Anrainerstaaten wie Libanon, Jordanien und der Türkei Zuflucht gesucht hatten. Aus Europa und den USA waren es demnach nur 5000 bis 7000. Das Bundesinnenministerium zählte in diesem Jahr 429 Syrer, die mit einer finanziellen Förderung aus Deutschland in ihr Heimatland ausreisten.
Beobachtern zufolge kehren vorrangig politisch eher neutral eingestellte Menschen aus ländlichen Gebieten zurück. Geflohenen Unterstützern von Oppositionsgruppen drohten nach der Rückkehr Repressalien. Sicherheitsgarantien des Regimes von Baschar al-Assad seien oft nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben seien. So habe man in der Region Homs Massenverhaftungen von mehreren Hundert Menschen registriert. „Es gibt eine berechtigte Grundskepsis gegenüber Syrien“, sagt ein Geheimdienst-Analyst.
Wie der Bericht des Auswärtigen Amtes auflistet, drohen missliebigen Rückkehrern in Gefängnissen Folter und Tod. „Polizei, Justizvollzugsbeamte und vor allem Sicherheits- und Geheimdienste wenden systematisch Folterpraktiken an“, heißt es in der geheimen Einschätzung. Demnach kamen seit Ausbruch des Bürgerkriegs in syrischen Gefängnissen 13 000 Menschen durch Folter zu Tode. Zudem würden Frauen von Soldaten und paramilitärischen Gruppen systematisch vergewaltigt. Junge Männer würden für das Militär zwangsrekrutiert.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl begrüßte die Ankündigung Seehofers. Auch bei Linken und Grünen stieß die Ankündigung auf Wohlwollen. „Rückführungen in ein Kriegsland wie Syrien sind menschenrechtlich überhaupt nicht vertretbar. Darauf weisen wir seit Langem hin“, sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Konstantin von Notz.
Strobl nicht ganz zufrieden
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) hatte nach einer mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung einer jungen Frau in Freiburg an den Bund appelliert, zu prüfen, ob zumindest Straftäter an einen sicheren Ort in Syrien zurückgebracht werden können. Der Hauptverdächtige der Tat in Freiburg kommt aus Syrien. Strobl sagte am Freitag, die Frage der Abschiebungen nach Syrien müsse bei der Innenkonferenz erörtert werden. „Auf den ersten Blick finde ich die Aussagen von Minister Seehofer durchaus nachvollziehbar“, sagte Strobl. Zufriedenstellend finde er die Situation aber nicht. Das Thema müsse dauerhaft im Blick gehalten werden.