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Die Satellitenbauer vom Airbus-Standort am Bodensee feiern Erfolge im All
FRIEDRICHSHAFEN - Normalerweise sind die Satellitenbauer von Airbus eher zurückhaltende Zeitgenossen. Deshalb darf man getrost glauben, was Dietmar Pilz, Leiter des Airbus-Standortes Friedrichshafen in Immenstaad, am Donnerstagabend beim Jahrespressegespräch gesagt hat: „2018 ist ein absolutes Rekordjahr für uns.“Er meint damit unter anderem sechs erfolgreiche Raketenstarts mit Airbus-Satelliten an Bord, die ISS-Mission mit Alexander Gerst, bei der viel Technik made in Immenstaad im Einsatz ist, und wichtige Aufträge auch für die Verteidigungssparte des Konzerns.
Der Umsatz war 2017 aber offenbar nicht rekordverdächtig. Im Jahr 2016 erlöste Airbus am Bodensee nach Branchenschätzungen rund 800 Millionen Euro. Für 2018 waren 850 Millionen Euro angepeilt. Dieses Ziel erreichte das Unternehmen wohl nicht. „Wir nennen keine Zahlen für Immenstaad, da wir für den Standort die Zahlen nicht konsolidieren“, sagte Pilz. „Aber beim Umsatz pro Mitarbeiter liegen wir in Immenstaad etwas besser als bei Airbus Defence and Space insgesamt.“Doch genau der Gesamtumsatz der Raumfahrtund Verteidigungssparte von Airbus sank 2017 um neun Prozent auf 10,8 Milliarden Euro. Das hatte auch Auswirkungen auf den operativen Gewinn, der 2017 nur bei 872 Millionen Euro lag – ein Minus von 13 Prozent. Für Immenstaad bedeutet das einen Gesamtumsatz zwischen 760 und 820 Millionen Euro. „Aber wir arbeiten hier sehr profitabel“, so Pilz.
Die Mitarbeiterzahl bei Airbus Defence and Space stieg in den vergangenen zwölf Monaten leicht von 2200 Mitarbeiter auf nun insgesamt 2270 Mitarbeiter, davon gut 60 Prozent in der Raumfahrt, knapp 40 Prozent bei der Verteidigungstechnik. „Das wird sich im nächsten Jahr auch auf diesem Niveau stabilisieren, größere Neueinstellungen wird es nicht geben“, erklärte Pilz. Insgesamt arbeiten bei der Verteidigungsund Raumfahrtsparte von Airbus an allen Standorten rund 32 000 Menschen.
Bodenseetechnik im Orbit
Sechs Satelliten, bei denen der Airbus-Standort Friedrichshafen die industrielle Führung inne oder wesentliche Teile zugeliefert hat, wurden 2018 ins All geschossen. Dazu gehört Bepi Colombo. Der Satellit ist seit Oktober unterwegs und soll in sieben Jahren den Merkur umrunden und erkunden, den kleinsten und heißesten Planeten des inneren Sonnensystems. Mit „Grace Follow-On“hat Airbus erneut einen Satelliten für die Nasa gebaut. Er wird Kraftfelder auf der Erde erkunden. Und von „Aeolus“erhoffen sich die Wissenschaftler neue Erkenntnisse über Windfelder. Der Satellit wird laut Pilz mehr Winddaten ermitteln als alle Beobachtungsstationen auf der Erde zusammen.
Auf der Raumstation ISS soll Anfang 2019 das von Airbus entwickelte und gebaute neue Lebenserhaltungssystem in den Regelbetrieb gehen. Gut möglich, dass Missionsleiter Alexander Gerst dabei von Cimon unterstützt wird, dem digitalen Hochleistungshelferlein, der es vor dem Start ins All bis zur Kanzlerin und ins „heute-journal“geschafft hat.
Bei all den sphärischen Erfolgen hat Airbus aber auch mit durchaus irdischen Problemen zu kämpfen. Dem Brexit, zum Beispiel. Pilz: „Wir haben eine Reihe von Standorten auch in England – und wir sehen es als unsere Stärke an, Wissen zwischen den einzelnen Standorten transferieren zu können. Es wird uns sehr treffen, wenn wir das nicht mehr können. Und zum Wissenstransfer gehört bei uns eben auch der Transfer von Personen und Produkten.“Die Stimmung am Standort in Stevenage sei am Boden, es mache gerade keinen Sinn, sich von England aus an Ausschreibungen zu beteiligen.
Besser sind die Perspektiven in den USA: „ Die Stimmung unter Trump ist positiv, die Signale sind klar, die Raumfahrt wird gefördert und ausgebaut.“Auch im Verteidigungssektor habe man Erfolge erzielt, so Pilz. Dazu zählt PET, ein System zur Planung und zum Aufbau mobiler Krankenhäuser. Die Bundeswehr sei damit in der Lage, bis zu 80 Prozent Zeit zu sparen. Zudem ist Airbus weiter maßgeblich an der militärischen Luftraumüberwachung Deutschlands beteiligt. Das Signalaufklärungssystem Pegasus – Projektstart 2019 – werde dabei helfen, wertvolle High-Tech-Arbeitsplätze am See zu sichern.
Der historisch gewachsene Standort direkt am Bodenseeufer wird gerade auf Effizienz getrimmt. So werden zum Beispiel 13 Labore zu einem zusammengefasst. Mit Hilfe eines Start-up-Centers unter Leitung der ESA und in Zusammenarbeit mit der Dualen Hochschule und der Zeppelin-Uni soll sich am Bodensee eine lebendige Raumfahrtszene entwickeln. Drei junge Unternehmen sind schon am Start. Sichtbarstes Zeichen für den Wandel ist das ITC (Integrated Technology Centre). Herzstück des 47-Milionen-Euro-Neubaus, der am 22. Februar 2019 eröffnet werden soll, ist Europas größter Reinraum, in dem bis zu acht Satelliten gleichzeitig gebaut werden können.