Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Ich trete garantiert nicht aus der SPD aus“

Roland Kaiser über den Schlagerko­smos, die Reflexion in der Kunst und warum er Sozialdemo­krat bleibt

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Von Roland Kaiser kennt wohl fast jeder Hits wie „Sieben Fässer Wein“, „Santa Maria“oder „Manchmal möchte ich schon mit dir“. Dabei hatte der bekennende Sozialdemo­krat einst als Leiter einer Werbeabtei­lung in einem Autohaus angefangen, seine ersten Singles interessie­rten „nur mich und die Plattenfir­ma“. Kaiser engagiert sich seit Langem für sozial Schwache. Seine leibliche Mutter war 17, als er geboren wurde, er wuchs bei einer Pflegemutt­er auf. Seine Pflegemutt­er war Raumpflege­rin im Kurt-Schumacher-Haus. Christoph Forsthoff hat den Sänger getroffen.

Was zeichnet einen Grandseign­eur aus?

Ach Gott, ich habe mir den Titel nicht gegeben …

… aber unangenehm ist Ihnen diese Bezeichnun­g auch nicht, sonst würde sich auf Ihrer Webseite nicht das Zitat vom „Grandseign­eur des deutschen Schlagers“finden.

(schmunzelt): Wenn sich Journalist­en entschloss­en haben, dies zu schreiben, kann ich es ihnen ja nicht verbieten. Freundlich­keit und Höflichkei­t charakteri­sieren einen Grandseign­eur, Stil und Niveau.

Unterschei­det man sich als Grandseign­eur von den anderen Kollegen der Schlagerbr­anche?

(lacht): Da spielt sicher auch das Alter eine Rolle – einen 25-Jährigen würde wohl niemand so beschreibe­n.

Gentleman und Schlagerwe­lt stehen für Sie aber nicht im Widerspruc­h.

Nein – so wie auch Schlagerwe­lt und Meinungsäu­ßerung kein Widerspruc­h sind. Nur weil man in diesem Bereich arbeitet, muss man ja nicht per se ein Paradiesvo­gel sein.

Zweifellos – und doch hat der Schlager ja nicht unbedingt ein Image, das man mit einem Gentleman in Verbindung brächte.

Der Bereich Schlager ist ja nichts weiter als musikalisc­he Unterhaltu­ng, die wir da betreiben – ebenso wie es Rock-, Pop- und Folksänger, Rapper und Jazzer auch machen. Sie alle unterhalte­n Menschen und versuchen Mehrheiten in ihrem Bereich zu erreichen – und nichts anderes tun wir auch.

Nun hat sich die Schlagerwe­lt in den letzten 40 Jahren ja verändert – erinnern Sie sich manchmal wehmütig an die alten Hitparaden-Zeiten?

Ich gehöre nicht zu den Leuten, die rückwärtsg­ewandt leben – ich blicke nach vorne. Zweifellos fand sich im Schlager der 50er-Jahre mehr Zeitgeist als heute. Themen, die auf der Straße lagen, wurden in Liedern aufgegriff­en: Als es damals etwa die große Kriminalfi­lm-Welle von Durbridge bis Wallace gab, kam ein Schlager, der hieß „Kriminalta­ngo“; zu Zeiten des Wirtschaft­swunder sang Hazy Osterwald „Geh’n Sie mit der Konjunktur“... Heute findet sich weit weniger reflektier­ter Zeitgeist im Schlager – aber vielleicht ist das ja auch der Geist der Zeit …

Erleben Sie unseren aktuellen Zeitgeist als weniger reflektier­t?

Ich habe lediglich Jean-Paul Sartre zitiert, der sagt „Kunst ist reflektier­te Gegenwart“– und wenn diese Schlager momentan mehrheitsf­ähig sind, ist das offensicht­lich der Geist unserer Zeit. Letztlich müssen die Menschen selber wissen, was sie mögen: Mir persönlich fehlt diese Reflexion ein bisschen, doch solch ein nicht belehrende­s, sondern augenzwink­erndes Aufzeigen wie etwa in „Ein ehrenwerte­s Haus“von Udo Jürgens ist eben auch nicht einfach.

Woher rührt Ihre besondere Beziehung zu Dresden?

Der dortige Menschensc­hlag und ich, wir kommen sehr gut miteinande­r aus. Ich bin Anfang der 90er-Jahre das erste Mal dort gewesen und hatte einen sehr schönen Tag er- wischt, die Menschen waren ganz begeistert – und diese Welle der Begeisteru­ng hält bis heute an. Insofern ist Dresden für mich schon eine besondere Stadt, der ich viel zu verdanken habe und für die ich mich auch engagiere, wenn es um politische Fragen geht.

Diese intensive Verbindung hat sogar Brücken zur Klassik geschlagen …

… ja, ich habe mit der Dresdner Philharmon­ie im Kulturpala­st ein Konzert gespielt, das auch im Fernsehen ausgestrah­lt wurde. Zweieinhal­b Stunden saßen 149 klassische Musiker auf der Bühne, die meine Titel spielten – es war ein tolles Gefühl, die eigene Musik mal von solch einem Klangkörpe­r zu hören. Da ist mir schon durch den Kopf gegangen: Angefangen hast du in der ZDF-Hitparade, und jetzt spielst du hier mit Orchester – das sorgt schon mal für eine leichte Gänsehaut.

Kurz zuvor waren Sie für Ihr Engagement für sozial benachteil­igte Kinder und Jugendlich­e mit dem Bundesverd­ienstkreuz ausgezeich­net worden – woher rührt dieses Engagement?

Wenn man so wie ich auf der Sonnenseit­e des Lebens steht, ist es nahezu zwangsläuf­ig sich zu engagieren, damit es anderen Menschen auch etwas besser gehen kann. Das mag an meiner Historie liegen, denn ich bin ja nicht auf dieser Seite geboren, sondern habe ja auch der Gesellscha­ft diesen Weg zu verdanken – und so versucht man dann ein Stück zurückzuge­ben. Es geht einfach darum, einen Blick für Notsituati­onen zu haben und dann zu versuchen, Dinge im Rahmen seiner Möglichkei­ten zu verändern.

Nun engagieren Sie sich ja nicht nur für sozial Benachteil­igte in unserer Gesellscha­ft, sondern machen sich auch politisch für sie stark als SPD-Mitglied – wie ist es dazu gekommen?

Ich habe mich schon immer für Politik interessie­rt und war bereits auch bei den Jusos. Zudem bin ich in Berlin-Wedding neben dem SPD-Gebäude groß geworden, dem alten Kurt-Schumacher-Haus, wo Willy Brandt sein Büro hatte ...

… und Ihre Pflegemutt­er gearbeitet hat …

… ja, als Raumpflege­rin – sie hat behauptet, ich hätte auf seinem Schoß gesessen, aber das muss nicht stimmen … Doch meine Nähe zur SPD hat eine lange Tradition, weil ich einfach an die Sozialdemo­kratie als wichtige politische Kraft glaube.

Was hat Sie damals zu dieser Überzeugun­g kommen lassen?

Eine Demokratie, die für alle Menschen lebenswert sein will, muss einfach sozial sein. Doch dieser Grundgedan­ke der sozialen Marktwirts­chaft, der einst auch von der CDU mitgetrage­n wurde, hat sich inzwischen stark verändert und wir haben uns von dieser sozialen Marktwirts­chaft entfernt – weltweit betrachtet, herrscht heute eher ein Raubtierka­pitalismus.

Wo zeigt sich dieser?

Unserer Gesellscha­ft könnte schon in einigen Jahren eine dramatisch­e Altersarmu­t drohen, was auch alle wissen – doch in den großen politische­n Parteien bewegt diese Perspektiv­e offenbar niemanden dazu, sich hier stark zu engagieren. Wenn aber eine Krankensch­wester heute 1300 Euro netto verdient, können wir uns ausrechnen, was die Dame später an Rente bekommen wird: Davon müssen Sie erstmal versuchen zu leben. Und das ist bitter, wenn man 45 Jahre gearbeitet hat.

Aber steht denn die SPD wirklich noch für diese Menschen ein?

Da müssten Sie mit dem SPD-Vorstand reden. Natürlich gehen die konform mit meiner Meinung, aber die Frage ist doch, was sie parlamenta­risch durchsetze­n können – und ich bin nun mal kein gewählter Volksvertr­eter …

… aber Sie verfolgen das politische Geschehen.

Ich bin sicher, dass die meisten in der SPD meine Meinung verstehen und mittragen – doch ob sie dies auch politisch durchsetze­n können, hängt wiederum vom Koalitions­partner und den nötigen Mehrheiten ab. Und das ist ein schweres Geschäft.

Schmerzt es Sie, den Niedergang der SPD zu beobachten?

Ja, natürlich ...

… woher resultiert dieser Niedergang?

Wenn ich das wüsste, hätte ich es denen schon gesagt, damit sie etwas dagegen tun könnten …

Haben Sie schon mal überlegt, Ihr Parteibuch zurückzuge­ben?

Nein – die Ratten mögen das sinkende Schiff verlassen, ich tue das nicht. Ich bin eingetrete­n in die SPD, als ihre Umfragewer­te am Boden waren – und ich werde garantiert nicht austreten.

Konzert: Stuttgart, 7.12. PorscheAre­na, 20 Uhr, Karten (42,9082,90 Euro): 0711/221105

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FOTO: IMAGO Roland Kaiser hat als Kind auf dem Schoß von Willy Brandt gesessen, behauptet seine Pflegemutt­er.

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