„Die Entscheidungen treffe jetzt ich“
Wie Helga Reichert ihr neues Amt als Intendantin der Biberacher Filmfestspiele angehen will
BIBERACH - Der Intendantenwechsel bei den Biberacher Filmfestspielen ist nun auch offiziell vollzogen. Bei einer Vorstandssitzung des Filmfestvereins gab Adrian Kutter diese Woche die künstlerische Leitung des von ihm 1979 gegründeten Festivals ab. Zur kommissarischen Nachfolgerin wurde seine Frau Helga Reichert bestimmt, die bei einer Mitgliederversammlung Anfang 2019 bestätigt werden soll. Der SZ hat die 44-Jährige verraten, welche Schwerpunkte sie künftig bei den Biberacher Filmfestspielen setzen will.
Helga Reichert weiß, dass viele in Biberach in ihr bislang in erster Linie „nur“Adrian Kutters Ehefrau sehen. Sie weiß auch, dass einige der Meinung sind, dass es ohnehin klar gewesen sei, dass die Frau des bisherigen Intendanten dessen Amt erhalten werde. „Damit kann ich offen umgehen, denn scheiden lassen werde ich mich nicht“, sagt Reichert.
Ein Automatismus sei ihre Bewerbung um den Intendantenposten beim Verein aber keineswegs gewesen. Sie unterstützt ihren Mann zwar bereits seit elf Jahren, wenn es ums Vorbereiten des Programms geht und hat auch die eine oder andere Diskussion nach den Filmen im Kino moderiert – „das aber immer nur in dem Gedanken, weil ich gesehen habe, dass es für meinen Mann ein Haufen Arbeit ist und ich ihm helfen möchte, so wie er auch mir hilft“.
Als Adrian Kutter ihr vor rund einem Jahr gesagt habe, dass er die Intendanz des Festivals abgeben wolle, habe sie begonnen zu überlegen, sagt Helga Reichert. „Ich bin dann wirklich zwei Wochen in mich gegangen, um zu entscheiden, ob ich mich dem wirklich stelle“, sagt sie. Mit fünf Tagen Festival sei es ja nicht getan. „Das ist viel Arbeit, die einen das ganze Jahr über beschäftigt.“
„Ein Ritterschlag“
In Gesprächen mit dem Vorstand des Vereins habe sie sich mitgenommen und unterstützt gesehen. Auch aus der Filmbranche habe sie nach Bekanntwerden der Entscheidung inzwischen viel Unterstützung erhalten. „Wenn einem ein Hans W. Geißendörfer sagt, ich kann mich jederzeit an ihn wenden, dann ist das schon ein Ritterschlag“, so Helga Reichert. „Ich möchte gerne beweisen, dass ich es gut mache“, laute deshalb ihr Entschluss.
Die vergangenen Filmfestspiele vor drei Wochen sei sie im Kopf als Intendantin schon mitgegangen, „und habe mir dabei immer überlegt, wie ich es machen würde“. Im Moment freue sie sich sehr auf die Aufgabe. „Irgendwie warte ich immer noch auf den großen Panikanfall“, sagt Helga Reichert lachend.
Klar sei für sie, dass sie das Festival nicht in seinen Grundfesten erschüttern werde. „Es soll ein Publikumsfestival bleiben, auf dem sich die Filmschaffenden wohlfühlen“, sagt Helga Reichert. Dazu gehören die persönliche Form der Einladung durch die Intendantin, die so bei anderen Festivals eher nicht üblich ist, genauso wie die Publikumsdiskussionen.
Zwei Ergänzungen möchte Helga Reichert für die 41. Filmfestspiele aber umsetzen. „Ich möchte, dass auch ein bis zwei Kinderfilme beim Festival laufen, eventuell außer Konkurrenz.“So solle auch die ganz junge Generation der Kinogänger bereits einen Bezug zum Filmfest bekommen. Diese Kinderfilmreihe ließe sich im Laufe der Zeit auch noch ausbauen, sagt die zweifache Mutter. Für Eltern, die zum Festival ins Kino gehen wollen, möchte Helga Reichert außerdem in Zusammenarbeit mit dem Familienzentrum eine Kinderbetreuung anbieten. Die Zahl der Zuschauer – dieses Jahr waren es 16 000 – ist aus ihrer Sicht nicht mehr zu erhöhen. „Das wäre utopisch und ist auch nicht erstrebenswert.“
„Ich kann gut delegieren“
Auch in der Arbeitsweise des Intendanten soll sich etwas ändern. „Mein Mann hat vieles von zu Hause aus gemacht. Ich möchte mehr in der Geschäftsstelle des Vereins im Kinogebäude arbeiten und dort Zeit mit den Mitarbeitern verbringen“, sagt Reichert. Sie erhofft sich dadurch Entlastung bei Bürotätigkeiten. „Ich bin jemand, der gut delegieren kann.“
Als studierte Juristin mit erstem Staatsexamen gehe sie ihre Arbeit in der Regel sehr analytisch an. „So schaue ich mir im Übrigen auch Filme an.“Ihre Schauspielausbildung helfe ihr allerdings auch dabei, das gezeigte „Handwerk“einzuschätzen. Trotz allem meint sie: „Ich lasse mich von Filmen emotional mehr mitnehmen als mein Mann.“
Wodurch sich zwangsläufig die Frage stellt, wie sehr sich Adrian Kutter trotz seines Rücktritts in ihre Arbeit einmischen darf. „Er hat mir schon einige Dinge gesagt, die ich beachten soll. Ich weiß, er meint es gut, aber ich muss ihn etwas bremsen“, sagt Helga Reichert. „Er darf mich so unterstützen, wie ich es bislang gemacht habe, aber die Entscheidungen treffe jetzt ich.“Eines weiß sie aber bereits heute: „Ich werde den Job keine 40 Jahre machen so wie Adrian.“