Wie mit einem Duschgel alles begann…
Kißlegger Verein unterstützt Kinder und Frauen in Indien – Hilfe zur Selbsthilfe
KISSLEGG - Es sind strahlende Augen, die Andreas Kolb, Vorsitzender des Vereines Hoffnung Kindheit – El Shaddai, mit seinen Bildern präsentiert. Augen von Kindern, die sich knapp 7000 Kilometer vom Allgäu entfernt an einfachen Spielen erfreuen oder an einer warmen Mahlzeit im Alukarton. Vor knapp zehn Jahren hat die Partnerschaft zwischen Kißlegg und Indien mit einem Schulprojekt begonnen. Heute fließen mehr als 60 000 Euro jährlich, um rund 350 Kinder und Jugendliche zwischen zwei und über 18 Jahren, teils auch darüber hinaus ihre Familien, an sieben Standorten zu unterstützen.
Eines schickt Andreas Kolb gleich voraus: „Hoffnung Kindheit – El Shaddai ist ein Verein, der auf Augenhöhe und mit Herzlichkeit agiert. Wir werden und wollen auch in Indien eher als Freund oder großer Bruder gesehen werden.“Kolb ist nicht nur einer von 15 Vereinsgründern und heute Vorsitzender des Vereins, sondern auch Indien-Reisender und Realschullehrer. Jene beiden letztgenannten Tatsachen sind es, die sich 2009 ineinander fügten. „Wir hatten damals ein Schulprojekt, das von einem Drogeriemarkt ausgeschrieben und mit 1000 Euro dotiert war“, erzählt Kolb. Nachhaltig, sozial und zukunftsorientiert sollte das Projekt sein, damit es den Zuschuss gab.
Kolb brachte seine erst kurz zuvor unternommene Reise ins
Spiel, die ihn und seine
Frau nach Indien führte. „Davor hatten wir im Reiseführer gelesen, dass man noch nicht aufgebrauchtes Duschgel oder auch Kinderkleidung gerne in einem Kinderheim in Goa abgeben könne, bevor man die Heimreise antritt.“Das Ehepaar Kolb schaute dort vorbei – und war beeindruckt. Gelandet waren Andreas Kolb und Martina Kaiser in einem von sieben Kinderheimen von El Shaddai Charitable Trust – einer Wohltätigkeits-Organisation, die 1997 gegründet wurde. Sie wurde auch benannt für das Schulprojekt, für das die Realschüler schließlich im Sommer 2009 mit einer Beteiligung am Kißlegger Straßenfest Flohmarktartikel verkauften und sich im selben Jahr noch einmal am Weihnachtsmarkt beteiligten. Auch die Einnahmen eines von der Schule organisierten „Artistenspektakels“sollten zugunsten der guten Sache in Indien gehen. Am damit verbundenen Gala-Abend war auch Anita Edgar, Mitbegründerin von El Shaddai, zu Gast und berichtete. Kolb: „Das hat dem Ganzen nochmal einen enormen Drive gegeben.“
Schulprojekt immer noch wichtig
Wurden die ersten Spendengelder noch auf privatem Weg nach Indien gebracht, so stand spätestens jetzt fest: Ein Verein muss her! Im März 2010 wurde er schließlich gegründet. „Ein wichtiger Bestandteil ist nach wie vor das Schulprojekt“, sagt Kolb. Parallel dazu hat aber auch der Verein an Strukturen gewonnen. Es entstanden erste, symbolische Patenschaften. „Symbolisch deshalb, weil wir selbstverständlich nicht sagen: Dieses Kind unterstützen wir und dieses nicht.“Trotzdem seien die „Patenschaften wichtig für den Kopf“, meint Kolb. Auf diese Weise gibt es ein Gesicht, das ein Pate in Verbindung bringt. Unterstützt werden durch und mit Hoffnung Kindheit Straßen- und Waisenkinder, aber auch Kinder, die mit ihren Eltern ins Gefängnis mussten, ausgesetzt wurden oder solche, von denen Eltern wissen, dass sie sie nicht mehr ernähren können und die Kinder bei El Shaddai eine Chance auf Schulund Ausbildung bekommen. Der Verein ist inzwischen auf über 70 Mitglieder angewachsen. 50 davon sind Paten.
Mit den Geldern aus Kißlegg, die 2017 erstmals die 60 000 Euro-Schwelle überschritten, werden die allgemeinen Kosten von
El Shaddai mit unterstützt, die bei jährlich rund 720 000 Euro für alle Maßnahmen liegen. Mit dem jährlichen Zuschuss der Gemeinde Kißlegg können die Kosten für die teuren Auslandsüberweisungen und die allgemeinen Kosten abgedeckt werden, sodass laut Kolb von den privaten und schulischen Spenden und den Mitgliedsbeiträgen „tatsächlich auch 100 Prozent in Indien ankommen“.
El Shaddai kümmert sich um Unterkunft, Essen, medizinische Versorgung, Freizeitgestaltung und Schulbildung in einer eigenen Privatschule. Wer nun dabei an „Luxus“denkt, irrt. Kolb: „Pro Haus gibt es maximal zwei Betreuer. Und jeweils 25 Kinder schlafen gemeinsam in einem Zimmer.“Ziel ist es, wenn immer möglich, Kinder, die noch Eltern haben, auch wieder mit jenen zu vereinen, sofern keine juristischen oder rechtlich-moralischen Gründe dagegen sprechen.
Neben den sieben El ShaddaiHäusern ist die Organisation auch in fünf Zentren nahe der Slums vertreten, um dort Kindern einfachste Grundlagen im Lesen, Schreiben und Rechnen oder in Englisch zu vermitteln, sie medikamentös zu versorgen oder zu impfen oder ihnen auch Essen und Hygienemöglichkeiten zu bieten. Es ist eine Alternative zur oft erlebten Realität. Kolb: „Die Hoffnungslosigkeit endet andernfalls sonst häufig im Betteln, Klauen und in der Kriminalität.“
El Shaddai bietet über die KinderProgramme hinaus auch Kurse zur Stärkung von Frauen, Informationen zu Alkohol und dem in Indien weit verbreiteten Glücksspiel oder hier und dort auch Brunnen oder die Anschaffung von Tieren als Hilfe zur Selbsthilfe. Insgesamt wird El Shaddai aus mehreren Ländern, allen voran aus Großbritannien, gestützt. „Wir sind aber der einzige Verein“, ergänzt Kolb.
Schüler der Realschule sind noch immer mit im „Vereins-Boot“von Hoffnung Kindheit, wenn auch nicht in der großen Masse, sondern eher vereinzelt. Jungen Menschen eine andere Perspektive in ihrem Blick auf die Welt zu ermöglichen, ohne sie zu drängen oder ihnen etwas aufzuzwingen, ist Andreas Kolb wichtig. Schülereinnahmen werden nach wie vor durch den Kißlegger Weihnachtsmarkt, eine Beteiligung beim „Lauffieber Bad Waldsee“und durch die Aktion „Mitmachen Ehrensache“generiert.
„Mit Hoffnung Kindheit bieten wir eine Möglichkeit, dass Menschen in ihrer Welt glücklicher werden. Da braucht es nicht viel“, sagt Andreas Kolb. Schon mit etwas mehr als einem Euro am Tag könne in Indien ein Kind versorgt und ausgebildet werden.
Mehr Informationen zum Verein gibt es unter hoffnung-kindheit.de.