Eine Kultkneipe wird 40
Die Räuberhöhle hat nur einen Anspruch: Sie ist das soziale Wohnzimmer für alle
RAVENSBURG - Die „Höhle“, wie Insider das Lokal „Die Räuberhöhle“nennen, wird 40. Grund genug für eine Rückschau, denn immerhin gehört das Lokal in der Burgstraße zu jenen Wirtschaften, die längst Kultstatus erreicht haben. In Ravensburg und darüber hinaus. Und generationenübergreifend mittlerweile. Mysteriös sind auch die Geschichten, die sich um die bunte, liberale Höhle ranken. Und davon sind in 40 Jahren allerhand zusammengekommen.
Der Star-Architekt des benachbarten Kunstmuseums und Schauspieler Uli Gebauer, Konstatin Wecker und Hannes Wader, Ravensburgs Oberbürgermeister Daniel Rapp und MdB Manne Lucha gehen hier ein und aus. Ulrich Tukur ist schon gesehen worden und Wolfgang Niedecken macht hier gerne Station. Aber auch Studenten und Lehrer, Menschen mit sehr viel und auch sehr wenig Geld. Junge, Junggebliebene und Alte. Berufsanarchisten und Normalos. Oder wie Höhlen-Urgestein Armin Heilmann sagt: „Wir haben Gäste mit und ohne Macken, aber wir grenzen niemanden aus. Denn das macht die Höhle aus: Wir sind das soziale Wohnzimmer für alle.“Ein Indiz dafür: In der Höhle wird grundsätzlich jeder geduzt. Ohne Ansehen von Rang oder Namen.
Als eine Art Wohnzimmer und Schmelztiegel für gesellschaftspolitische Impulse war sie auch schon gedacht, anno 1978, als Mitte November die Räuberhöhle das erste Mal ihre Türen öffnete. Initiiert von Studenten der Pädagogischen Hochschule („entweder Abbrecher oder Studierende“, sagt Frieder Bertele vom Verein der Freunde der Räuberhöhle rückblickend). Weil es nämlich von Friedrichshafen bis Biberach nichts gibt, eröffnet ein Kollektiv von fünf Leuten, (darunter Eugen Detzel und der 2006 verstorbene Bernd Heimpel) kurzerhand seine eigene „alternative Kneipe“. Und schnell entwickelt sich die Höhle zum Szene-Treff für Linksintellektuelle. Bald eilt ihr auch der sagenhafte Ruf voraus, sie sei ein „höchst verruchter Drogensumpf“. Gefährlich für Leib und Seele junger Menschen. Diese Warnung zieht Kreise. Sogar bis Tuttlingen, wie sich Andrea Proß, die dort aufgewachsen ist, erinnert: „Unsere Eltern warnten uns streng vor dieser Kneipe.“
Kultige Speisekarten-Extras
Von hier aus starten Demonstranten nach Wackersdorf. Mitte der 1980er ermittelt der Verfassungsschutz gegen eine Doppel-Agentin. Ende des Jahrzehnts kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit Besuchern der Skin-Head-Kneipe „Backstreet“, die ein paar Meter weiter als Anlaufstelle für rechte Genossen gilt. In der mittlerweile legendären „Südkurve“der Bar etabliert sich das sogenannte Wolfi-Gedeck (ein halbes Sprudelglas Grappa plus ein Espresso). Bald kennt jeder das wandfüllende Ölgemälde mit den damaligen Höhle-Größen und die sinnentstellend umformulierten Weisheiten an den Wänden. Die Speisekarten-Extras wie das „Räuberfrühstück“werden Kult: ein schwarzer Kaffee, ein Schnaps und eine Gauloises. Zum Preis von 4,50 Euro. Die Stempelstelle an der Raucher-Bar entsteht, an der Menschen auf der Walz oder Pilger sich ihr Wanderbuch stempeln lassen. Das Höhlengästebuch, in dem sich glückliche Gäste verewigen, wird eingeführt. Seit 2013 verleiht die Höhle den „Widerstandspreis“.
Natürlich haben sich in 40 Jahren Kneipen-Geschichte auch jede Menge Anekdoten angesammelt. Wüste Kneipenschlägereien à la Bud Spencer habe es gegeben. Dem allzu wilden Musiker-Team von Wolfgang Ambros habe man einmal die Fensterläden vor der Nase zugemacht. Eine einstige Höhenwirtin hat dem Vernehmen nach zwei Bernhardiner gehalten, die angetrunkenen Gästen auf dem Weg nach draußen „behilflich“gewesen seien. Von Totenmahlen wie dem für den legendären Friseur Jeschke ist die Rede, dem mit Seelen, Tequila und reichlich Bier in seiner Stammkneipe gedacht wurde. Und dass sich so mancher ortsunkundige Gast von den Tafelaufschrieben irritieren lasse: „LSD“steht da an manchen Tagen. Und was durchs Fenster aussieht wie das Angebot für eine psychedelische Droge, sei im Höhle-Jargon nichts anderes als die Abkürzung für das Tagesessen „Linse/Soita/Dpigware“, das man übrigens – höhlentypisch – immer nachschöpfen kann.
Denn hungrig oder gar durstig soll kein Höhlen-Gast nach Hause oder ins Bett. Es gäbe sogar einen Gast, der sich jeden Abend zwei Kaffee und zwei Kekse servieren lasse, erzählt Höhlenwirtin Biggi Bachmann. Zur Not draußen im Hinterhof, für den er längst einen Schlüssel habe. Selbst Edward Snowdon hätte hier politisches Asyl gefunden, erklärt Frieder Bertele. Und meint das durchaus ernsthaft: „Wir hätten ihn beherbergt, wenn er so weit gekommen wäre.“
Zur Feier des 40-jährigen Bestehens feiert die gesamte Belegschaft mit alten und neuen Freunden heute eine große Sause: Ab 19 Uhr spielen „Bub an the Bubbles“auf, die Hausband, die mit der Räuberhöhle über die Jahre alt geworden ist. Außerdem legt DJ Made Höld auf, der Höhlenchor singt, eine Video-Installation ist geplant. Auf dem Plakat für das Höhlen-Geburtstagsfest steht „Eintritt frei … aber nicht umsonst“. Eine Sperrstunde soll es heute ausnahmsweise nicht geben.