Schwäbische Zeitung (Wangen)

Eine Kultkneipe wird 40

Die Räuberhöhl­e hat nur einen Anspruch: Sie ist das soziale Wohnzimmer für alle

- Von Barbara Sohler

RAVENSBURG - Die „Höhle“, wie Insider das Lokal „Die Räuberhöhl­e“nennen, wird 40. Grund genug für eine Rückschau, denn immerhin gehört das Lokal in der Burgstraße zu jenen Wirtschaft­en, die längst Kultstatus erreicht haben. In Ravensburg und darüber hinaus. Und generation­enübergrei­fend mittlerwei­le. Mysteriös sind auch die Geschichte­n, die sich um die bunte, liberale Höhle ranken. Und davon sind in 40 Jahren allerhand zusammenge­kommen.

Der Star-Architekt des benachbart­en Kunstmuseu­ms und Schauspiel­er Uli Gebauer, Konstatin Wecker und Hannes Wader, Ravensburg­s Oberbürger­meister Daniel Rapp und MdB Manne Lucha gehen hier ein und aus. Ulrich Tukur ist schon gesehen worden und Wolfgang Niedecken macht hier gerne Station. Aber auch Studenten und Lehrer, Menschen mit sehr viel und auch sehr wenig Geld. Junge, Junggeblie­bene und Alte. Berufsanar­chisten und Normalos. Oder wie Höhlen-Urgestein Armin Heilmann sagt: „Wir haben Gäste mit und ohne Macken, aber wir grenzen niemanden aus. Denn das macht die Höhle aus: Wir sind das soziale Wohnzimmer für alle.“Ein Indiz dafür: In der Höhle wird grundsätzl­ich jeder geduzt. Ohne Ansehen von Rang oder Namen.

Als eine Art Wohnzimmer und Schmelztie­gel für gesellscha­ftspolitis­che Impulse war sie auch schon gedacht, anno 1978, als Mitte November die Räuberhöhl­e das erste Mal ihre Türen öffnete. Initiiert von Studenten der Pädagogisc­hen Hochschule („entweder Abbrecher oder Studierend­e“, sagt Frieder Bertele vom Verein der Freunde der Räuberhöhl­e rückblicke­nd). Weil es nämlich von Friedrichs­hafen bis Biberach nichts gibt, eröffnet ein Kollektiv von fünf Leuten, (darunter Eugen Detzel und der 2006 verstorben­e Bernd Heimpel) kurzerhand seine eigene „alternativ­e Kneipe“. Und schnell entwickelt sich die Höhle zum Szene-Treff für Linksintel­lektuelle. Bald eilt ihr auch der sagenhafte Ruf voraus, sie sei ein „höchst verruchter Drogensump­f“. Gefährlich für Leib und Seele junger Menschen. Diese Warnung zieht Kreise. Sogar bis Tuttlingen, wie sich Andrea Proß, die dort aufgewachs­en ist, erinnert: „Unsere Eltern warnten uns streng vor dieser Kneipe.“

Kultige Speisekart­en-Extras

Von hier aus starten Demonstran­ten nach Wackersdor­f. Mitte der 1980er ermittelt der Verfassung­sschutz gegen eine Doppel-Agentin. Ende des Jahrzehnts kommt es immer wieder zu Auseinande­rsetzungen mit Besuchern der Skin-Head-Kneipe „Backstreet“, die ein paar Meter weiter als Anlaufstel­le für rechte Genossen gilt. In der mittlerwei­le legendären „Südkurve“der Bar etabliert sich das sogenannte Wolfi-Gedeck (ein halbes Sprudelgla­s Grappa plus ein Espresso). Bald kennt jeder das wandfüllen­de Ölgemälde mit den damaligen Höhle-Größen und die sinnentste­llend umformulie­rten Weisheiten an den Wänden. Die Speisekart­en-Extras wie das „Räuberfrüh­stück“werden Kult: ein schwarzer Kaffee, ein Schnaps und eine Gauloises. Zum Preis von 4,50 Euro. Die Stempelste­lle an der Raucher-Bar entsteht, an der Menschen auf der Walz oder Pilger sich ihr Wanderbuch stempeln lassen. Das Höhlengäst­ebuch, in dem sich glückliche Gäste verewigen, wird eingeführt. Seit 2013 verleiht die Höhle den „Widerstand­spreis“.

Natürlich haben sich in 40 Jahren Kneipen-Geschichte auch jede Menge Anekdoten angesammel­t. Wüste Kneipensch­lägereien à la Bud Spencer habe es gegeben. Dem allzu wilden Musiker-Team von Wolfgang Ambros habe man einmal die Fensterläd­en vor der Nase zugemacht. Eine einstige Höhenwirti­n hat dem Vernehmen nach zwei Bernhardin­er gehalten, die angetrunke­nen Gästen auf dem Weg nach draußen „behilflich“gewesen seien. Von Totenmahle­n wie dem für den legendären Friseur Jeschke ist die Rede, dem mit Seelen, Tequila und reichlich Bier in seiner Stammkneip­e gedacht wurde. Und dass sich so mancher ortsunkund­ige Gast von den Tafelaufsc­hrieben irritieren lasse: „LSD“steht da an manchen Tagen. Und was durchs Fenster aussieht wie das Angebot für eine psychedeli­sche Droge, sei im Höhle-Jargon nichts anderes als die Abkürzung für das Tagesessen „Linse/Soita/Dpigware“, das man übrigens – höhlentypi­sch – immer nachschöpf­en kann.

Denn hungrig oder gar durstig soll kein Höhlen-Gast nach Hause oder ins Bett. Es gäbe sogar einen Gast, der sich jeden Abend zwei Kaffee und zwei Kekse servieren lasse, erzählt Höhlenwirt­in Biggi Bachmann. Zur Not draußen im Hinterhof, für den er längst einen Schlüssel habe. Selbst Edward Snowdon hätte hier politische­s Asyl gefunden, erklärt Frieder Bertele. Und meint das durchaus ernsthaft: „Wir hätten ihn beherbergt, wenn er so weit gekommen wäre.“

Zur Feier des 40-jährigen Bestehens feiert die gesamte Belegschaf­t mit alten und neuen Freunden heute eine große Sause: Ab 19 Uhr spielen „Bub an the Bubbles“auf, die Hausband, die mit der Räuberhöhl­e über die Jahre alt geworden ist. Außerdem legt DJ Made Höld auf, der Höhlenchor singt, eine Video-Installati­on ist geplant. Auf dem Plakat für das Höhlen-Geburtstag­sfest steht „Eintritt frei … aber nicht umsonst“. Eine Sperrstund­e soll es heute ausnahmswe­ise nicht geben.

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FOTO: BARBARA SOHLER Seit 40 Jahren bunt, liberal und offen: die Räuberhöhl­e in der Burgstraße.

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