Müller ist eins mit seinen Projekten
Unternehmer zieht Luxushotel in Ravensburg auf – Kindheit auf Bauernhof in Berg verbracht
RAVENSBURG (len) - Hermann Müller (67) tritt im dritten Stock des „Kaiserhofs“am Rande der Ravensburger Altstadt auf das Baugerüst hinaus. Er lässt den Blick über die Ravensburger Turmspitzen schweifen. Diese Aussicht werden die Gäste in den besten Zimmern seines geplanten Luxushotels genießen können. Müller ist der Investor und Kopf hinter dem aufwendigen Umbau des Altstadthauses. Er entwickelt die Pläne zusammen mit seiner Tochter, Architektin, und hirnt über das Betriebskonzept für das noble Haus. Dabei hat er keinerlei Erfahrung mit Hotellerie. Warum plant er dann einen solchen Betrieb? Wer ist dieser Müller, der hier Millionen investiert?
Müller ist keiner, der die Öffentlichkeit sucht. Um ihn kennenzulernen, muss man ihn in Amtzell besuchen. Dort steht seine Firma, FPT – rund 140 Mitarbeiter, Spezialist für Automatisierung und Herstellung von Robotern, unter anderem für Automobilindustrie und Logistik. Im gleichen Gebäudekomplex befindet sich das von Müller gegründete Restaurant Schattbuch, ausgezeichnet mit einem Michelin-Stern. Es ist das einzige Sterne-Restaurant im südöstlichen Baden-Württemberg. Am Schattbuch lässt sich am besten ablesen, wie Müller tickt.
In seiner Firma FPT hat er Gäste aus aller Welt zu Gast. „Wir arbeiten nicht mehr in grauen Fabriken. Die Beziehung zueinander ist wichtiger geworden“, sagt Müller. Um Kontakt zu seinen Geschäftspartnern aufzubauen, wollte er ein Kundenzentrum, wo er Besucher auch verpflegen kann. Nur wie? „Catering bleibt Catering“, sagt Müller. Auf seinen eigenen Geschäftsreisen war er schon oft in Kontakt mit hochklassiger Kochkunst gekommen und hatte Gefallen daran gefunden.
Warum nicht selber was aufziehen? Er lässt 2010 das Restaurant in die Firmenhalle integrieren und stellt ambitionierte Jungköche ein, die bei Meistern ihres Handwerks gelernt haben. Das ist das, was Müller am besten kann: Ideen entwickeln und umsetzen. Zaghafte Versuche sind nicht sein Stil. Er denkt groß und geht, wenn er die Wirtschaftlichkeit eines Projekts durchdacht und das Risiko abgeschätzt hat, mit Überzeugung ans Werk.
Um Spitzenleistungen aus seinen Leuten rauszukitzeln, hat er eine besondere Führungsstrategie: Bei FPT gibt es laut Müller keine Hierarchien, auch wenn er mit „Chef“angesprochen wird. Und auch seinen Köchen, den „jungen Wilden“, wie er sie nennt, lässt er in ihrem Fachgebiet Freiheit. „Wir haben schon ein bestimmtes Niveau angestrebt“, sagt Müller. Dennoch sei es eine Überraschung gewesen, als der Restaurantführer Guide Michelin die Kunst des Schattbuch-Küchenchefs Christian Grundl 2016 mit einem Stern adelte.
Aufgewachsen ist Müller in einer ganz anderen Welt. 1951 ist er in BergWeiler bei Ravensburg geboren, auf dem Bauernhof seiner Eltern groß geworden, musste Heu machen, wenn Badewetter war, und morgens früh schon vor der Schule im Stall helfen. Dieses Leben habe er manchmal verflucht. Heute hat er einen anderen Blick auf seine Herkunft, bezeichnet sich gerne als „Weilermer Urgestein“und spricht von einer „schönen Brücke“, die sein Lebenslauf schlägt. Vom Bauernhofsbub zum Millioneninvestor.
Den Aufstieg hat er selbst Stufe für Stufe genommen. Er machte eine Lehrer als Maschinenschlosser, eine zweite Lehre als technischer Zeichner, besuchte später die Technikerschule und machte dort auf dem zweiten Bildungsweg gleichzeitig die Fachhochschulreife. Er arbeitete in Konstruktionsbüros, studierte dann noch Maschinenbautechnik und Betriebswirtschaftslehre,und wurde Entwicklungsleiter bei einem Werkzeughersteller.
1982, damals war Müller 31 Jahre alt, gründete er die Firma FPT für Werkzeug- und Vorrichtungsbau, und stieg schon kurz darauf in die Robotertechnik ein. Was FPT schon lange macht, brauchen inzwischen alle. „Industrie 4.0 hat uns in die Karten gespielt“, sagt Müller. Über Umsätze, Gewinne und Projektsummen schweigt Müller, auch was den Kaiserhof angeht. Dass er in das Hotel mehrere Millionen investiert, daran besteht kein Zweifel. Man lerne, mit solchen Summen umzugehen, sagt Müller – behutsam umzugehen. Gescheitert sei er noch nicht. Aber er sei sich bewusst, dass der Gegenpol von unternehmerischem Erfolg die Existenzangst ist. „Wir wissen nicht, wo in er globalisierten Welt der Blitz einschlägt“, sagt er.
Ihm persönlich liege wenig an Geld. Sein Luxus ist ein teurer Sportwagen. Zu Jeans, schmale Stiefeletten, trägt er ein schwarzes Shirt und ein dunkles Jackett. „Wenn man das, was man sich erarbeitet hat, wieder einsetzt, ist das weit spannender, als im Überfluss zu leben“, sagt er.
Die Welt der Reichen und Schönen ist nicht die, in der sich Hermann Müller aufhält, obwohl er es könnte. Er geht lieber zu den Fußballspielen des TSV Berg, dessen Vorsitzender er ist. Bergs Bürgermeister Helmut Grieb freut sich über die Präsenz. Auch beim Heimatfest, dem Bergfest, sei Müller immer da. Müller wohnt in Amtzell. „Aber in Berg ist er zu Hause, lebt seine Freundschaften und Bekanntschaften“, sagt Grieb. Er habe Hochachtung vor dem Unternehmer. Von Neidern wisse er nichts. „Müller hat sich das alles mit immensem Arbeitseinsatz aufgebaut.“
Zurzeit fließt ein Großteil von Müllers Energie ins Hotelprojekt. Die Idee, ein Hotel zu bauen, hatte er schon länger, wollte sie eigentlich in Amtzell verwirklichen. „Wenn wir eine Anlage nach Florida liefern, sind die Leute auch wochenlang da“, sagt Müller. Warum sich nicht selber um ihre Unterbringung kümmern? Und da ist es wieder, das Zupacken des Hermann Müller, der am liebsten selbst die Dinge in der Hand hat.
Als ihm das historische Haus in Ravensburg vorgestellt wurde, erfuhr Müller, dass sich von 1906 bis in die 1930er-Jahre das Hotel „Kaiserhof“dort befunden hatte. Kurzerhand verlegte er seine Hotelidee nach Ravensburg, kaufte das Haus und arbeitet seither daran, den „Kaiserhof“wieder auferstehen zu lassen. Zwischen Ende 2019 und Anfang 2020 soll das Hotel fertig sein.