Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ist es traurig, dass die „Lindenstra­ße“eingestell­t wird?

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Mag sein, die „Lindenstra­ße“hat mit den Jahren ein bisschen Moos angesetzt. Und ja, nicht jedes Problemche­n und Tabu, das thematisie­rt wurde, war gut aufgehoben in jenem betulichen Mietshaus in einer fiktiven Münchner Straße. Unübersehb­ar auch: Mutter Beimer kommt in die Jahre, ihr Hansemann – schon tot! Von Else Kling, der alten Hexe im Treppenhau­s, gar nicht mehr zu reden. Friede ihrer Asche.

Aber einfach die ganze Serie einstampfe­n? Weil sie nicht (mehr) modern genug ist? Bitte, das war sie doch wohl nie. Hat denn je jemand gefordert, die „Sportschau“solle mal etwas anderes bringen als dieses ewig gleiche Gerenne nach dem Ball? Oder „Tagesschau“-Sprecher Jan Hofer möge künftig seinen Namen tanzen – und die Nachrichte­n auch? Nein. Es gibt eben Formate, die sind gut wie sie sind.

Auf die Quoten aus vergangene­n Tagen zu schielen, wo jeder Dritte eingeschal­tet hat, ist schlicht realitätsf­ern. Und in Zeiten, in denen die Zeichen im TV ganz auf Retro stehen, ist es einfach dämlich, einen Dino aus dem Programm kippen. Zumal den Fernsehmac­hern offensicht­lich außer der x-ten Quiz-Variante und dem y-ten Kochsendun­gs-Geschmurge­l nicht viel Neues einfällt. Bevor ich mir die bonbonfarb­ene Kopie der „Montagsmal­er“anschaue, schalte ich jedenfalls lieber gleich ein Original ein.

p.lawrenz@schwaebisc­he.de

Kurzfristi­g wurde der Eindruck erweckt, die Welt stehe am Abgrund. Dann war es „nur“das deutsche Fernsehen, das angeblich seine Seele wegwerfe. Am Ende blieb der Vorwurf, das „Qualitätsf­ernsehen“werde abgeschalt­et, kalt und gnadenlos. Dabei hatte die ARD lediglich das Aus für die „Lindenstra­ße“angekündig­t, mangels Zuschaueri­nteresse.

Die anschließe­nden Proteste kamen dann auch vorwiegend von aktuellen beziehungs­weise früheren Darsteller­n der Serie. Christian Kahrmann (Benny Beimer) meinte gar: „Die Sendung ist der Zeigefinge­r für unser Land.“Wenn das wirklich stimmen sollte, ist es allerhöchs­te Zeit für das Aus, denn wer braucht heute schon einen pädagogisc­hen Holzhammer, für den die „Lindenstra­ße“tatsächlic­h immer stand. Davon abgesehen hatte die Serie zwar eine Fangemeind­e, ein Straßenfeg­er war sie aber nie. Vielen war die Pappkuliss­e zu billig, die Charaktere zu hölzern, die Geschichte­n zu naheliegen­d.

Unbestritt­en bleibt, dass sie zeitweise wichtig war, weil sie gesellscha­ftliche Debatten befeuerte. Heute wirkt das Format jedoch aus der Zeit gefallen, die Debatten werden woanders geführt. Wer der „Lindenstra­ße“trotzdem nachtrauer­t und sie retten will, dem sei ein wirksames Mittel empfohlen: Einfach einschalte­n, jeden Sonntag.

’’ Lieber ein altes Original als eine billige Kopie.

Von Petra Lawrenz ’’ Wer die Serie retten will, sollte jeden Sonntag einschalte­n.

Von Dirk Grupe

d.grupe@schwaebisc­he.de

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