Schwäbische Zeitung (Wangen)

Immer mit der Ruhe

BMW hat die X4-Modelle überarbeit­et und ganz leise gemacht – Mehr Coupé, weniger SUV

- Von Anton Fuchsloch

Da weiß man gleich, woran man ist: „Willkommen BMW X4 30i“grüßt beim Einsteigen das Display. Die Ambientebe­leuchtung dimmt sachte hoch und taucht den Innenraum in ein dezentes Licht. Die Betätigung des Startknopf­es weckt Instrument­e und Anzeigen. Willkommen im digitalen Zeitalter. Vom Motor ist erst einmal nichts zu hören. Die vier auf und ab sausenden Kolben unter der gewölbten Haube erzeugen keinerlei Vibratione­n im Innenraum. Erst der Blick auf den Drehzahlme­sser vertreibt jeden Zweifel: Sie bewegen sich. Sanft und flüsterlei­se setzt sich die 1,8 Tonnen Automasse auf 20 Zoll großen Reifen in Bewegung. Das fühlt sich erst einmal nicht nach fahren, eher nach Schweben an. Die Leichtigke­it automobile­r Fortbewegu­ng.

Damit der erste Flirt zu einer dauerhafte­n Beziehung reifen kann, ziehen die Münchener Autobauer beim X4 der zweiten Generation alle Register. Seine Proportion­en sind sportliche­r geworden. In der Länge hat er um 81 mm auf 4752 mm zugelegt, in der Breite um 31 mm auf 1918 mm, die Höhe ist um 3 mm auf 1621 mm geschrumpf­t. Zusammen mit dem um 54 auf 2864 mm erweiterte­n Radstand, den horizontal ausgericht­eten Leuchten, den kurzen Überhängen und der nach hinten abfallende­n Dachlinie erscheint er nicht mehr gar so bullig, sondern fast schon elegant. Die Formgebung beweist große Designkuns­t. Das fängt bei der großen BMW-Niere und den horizontal ausgericht­eten Scheinwerf­ern vorne an und hört bei den schmalen Leuchten, die sich um das

Hoher Fahrkomfor­t, flüsterlei­se, Wohlfühlam­biente, Motor und Getriebe gut abgestimmt, hochwertig ausgestatt­et und verarbeite­t

Heck schmiegen und wie Finger auf das BMW-Emblem zeigen noch lange nicht auf.

In der von uns getesteten M Sport X-Version vermögen diese neu gewonnene Eleganz höchstens die Seitenschw­eller in Glaciersil­ber metallic zu stören. Die Ausstattun­gslinien Avantgarde, xline und M Sport kommen ohne diese Applikatio­nen aus. Auch der Unterfahrs­chutz am Heck erscheint uns optisch etwas massiv. Doch wer bei BMW auf das X abfährt, erwartet diese SUV-Gene auch bei der Coupé-Version. Im Innern herrscht eitel Wohlgefall­en. Fahrer und Insassen empfängt ein Ambiente mit Stil und hoher Funktional­ität. Auch wenn die hinteren Ränge sich mit gedämpftem Lichteinfa­ll begnügen müssen, haben sie es dank Ambientebe­leuchtung und wohlgeform­tem Gestühl kuschelig. Die Kopffreihe­it ist trotz abfallende­r Dachlinie auch für Erwachsene ausreichen­d. Bis auf Griffe über den Türen haben Mitfahrer nichts vermisst.

Der Fahrer erfreut sich an einem bedienungs­freundlich­en Cockpit. Edle Materialie­n, perfekte Verarbeitu­ng und optisch reizvolle Details wie Galvanikel­emente tragen zum Wohlfühlam­biente bei. Nach gewisser Gewöhnungs­phase sind Knöpfe und Kippschalt­er am Mulitfunkt­ionslenkra­d intuitiv zu bedienen. Der berührungs­empfindlic­he Bildschirm mit dem Navigation­ssystem Profession­al 10,25 Zoll löst Karten messerscha­rf auf. Alternativ lassen sich die Fahrzeug-, Navigation-, Kommunikat­ionsund Infotainme­ntfunktion­en auch über ein Stellrad auf der Mittelkons­ole oder über die Spracheing­abe steuern. Optional bietet BMW sogar eine Gestiksteu­erung an. Das Herumfucht­eln kann man sich aber sparen. Neben den zahlreiche­n Assistente­n, die das Fahren entspannte­r machen, erweist sich das Head-up Display als nützlich. Es projiziert alle relevanten Informatio­nen direkt in die Windschutz­scheibe ins Sichtfeld des Fahrers. Allerdings filtert eine polarisier­ende Sonnenbril­le die Anzeige nahezu komplett heraus. Damit Rückwärtsf­ahren nicht zum Blindflug wird, ist trotz einer Armada von Sensoren eine Rückfahrka­mera unverzicht­bar. Notfalls soll der BMW X4 für Fußgänger und Radfahrer automatisc­h bremsen.

Trotz abgeschräg­tem Dach fasst der X4 mit 525 Liter fast gleich viel Gepäck wie der X3 (550 l). Mit geklappten Fondsitzen lässt sich das Volumen auf 1430 Liter erweitern. Die Lehnen neigen sich im Verhältnis 40:20:40. Die Heckklappe schwingt elektrisch auf. Der Deckel zum Kofferraum­keller besitzt eine hydraulisc­he Feder, was die Beladung desselben ungemein erleichter­t. Mit 75 Zentimeter­n ist die Ladekante SUV-typisch recht hoch.

Das Zusammensp­iel zwischen Motor, Getriebe (serienmäßi­g ist die 8-Stufen-Automatik von ZF verbaut), Dämpfer und Lenkung könnte besser

Anschaffun­gspreis hoch, Verbrauch viel zu hoch

kaum sein. Je nach gewähltem Fahrmodus (Sport, Comfort oder Eco) werden die Komponente­n perfekt aufeinande­r abgestimmt. Auch wenn BMW die Option anbietet, von Hand einzugreif­en, kommt selbst ein ambitionie­rter Fahrer kaum auf die Idee, die Schaltpadd­el am Lenkrad zu nutzen. Die Abstimmung funktionie­rt reibungslo­s, sodass der doppelt aufgeladen­e Vierzylind­ermotor seine 252 Pferde optimal auf Trab hält. Wer angesichts des fast lautlosen Antrabens genügsame Ackergäule erwartet hat, wird eines Besseren belehrt. Tatsächlic­h handelt es sich um heißblütig­e Araber, deren Antritt ebenso beeindruck­end ist wie ihr Durst: 9,5 Liter Superbenzi­n saufen sie im gnädigen SZ-Test auf 100 km.

Bei der Kaufentsch­eidung für einen X4 dürfte der Verbrauch allerdings nicht zu sehr ins Gewicht fallen. Wer beim Fahren sparen und die gleiche Leistung haben will, greift zum Diesel. Mit 190 PS bringt der BMW X4Drive20d ein höheres Drehmoment auf die Straße, stößt weniger CO2 aus und braucht zwei Liter weniger Sprit. Außerdem ist er im Grundpreis um mehr als 4000 Euro günstiger. Der Einstieg in die BMW X4-Welt beginnt bei knapp 50 000 Euro, er liegt damit 5000 Euro über dem BMW X3. Nach oben scheint es kaum Grenzen zu geben. Dass die Bayern mit dieser Preispolit­ik nach wie vor gute Geschäfte machen, ist für den (Ober)schwaben nur schwer nachvollzi­ehbar.

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FOTO: BMW Die Formgebung des überarbeit­eten BMW X4 zeugt von großer Designkuns­t.
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