Immer mit der Ruhe
BMW hat die X4-Modelle überarbeitet und ganz leise gemacht – Mehr Coupé, weniger SUV
Da weiß man gleich, woran man ist: „Willkommen BMW X4 30i“grüßt beim Einsteigen das Display. Die Ambientebeleuchtung dimmt sachte hoch und taucht den Innenraum in ein dezentes Licht. Die Betätigung des Startknopfes weckt Instrumente und Anzeigen. Willkommen im digitalen Zeitalter. Vom Motor ist erst einmal nichts zu hören. Die vier auf und ab sausenden Kolben unter der gewölbten Haube erzeugen keinerlei Vibrationen im Innenraum. Erst der Blick auf den Drehzahlmesser vertreibt jeden Zweifel: Sie bewegen sich. Sanft und flüsterleise setzt sich die 1,8 Tonnen Automasse auf 20 Zoll großen Reifen in Bewegung. Das fühlt sich erst einmal nicht nach fahren, eher nach Schweben an. Die Leichtigkeit automobiler Fortbewegung.
Damit der erste Flirt zu einer dauerhaften Beziehung reifen kann, ziehen die Münchener Autobauer beim X4 der zweiten Generation alle Register. Seine Proportionen sind sportlicher geworden. In der Länge hat er um 81 mm auf 4752 mm zugelegt, in der Breite um 31 mm auf 1918 mm, die Höhe ist um 3 mm auf 1621 mm geschrumpft. Zusammen mit dem um 54 auf 2864 mm erweiterten Radstand, den horizontal ausgerichteten Leuchten, den kurzen Überhängen und der nach hinten abfallenden Dachlinie erscheint er nicht mehr gar so bullig, sondern fast schon elegant. Die Formgebung beweist große Designkunst. Das fängt bei der großen BMW-Niere und den horizontal ausgerichteten Scheinwerfern vorne an und hört bei den schmalen Leuchten, die sich um das
Hoher Fahrkomfort, flüsterleise, Wohlfühlambiente, Motor und Getriebe gut abgestimmt, hochwertig ausgestattet und verarbeitet
Heck schmiegen und wie Finger auf das BMW-Emblem zeigen noch lange nicht auf.
In der von uns getesteten M Sport X-Version vermögen diese neu gewonnene Eleganz höchstens die Seitenschweller in Glaciersilber metallic zu stören. Die Ausstattungslinien Avantgarde, xline und M Sport kommen ohne diese Applikationen aus. Auch der Unterfahrschutz am Heck erscheint uns optisch etwas massiv. Doch wer bei BMW auf das X abfährt, erwartet diese SUV-Gene auch bei der Coupé-Version. Im Innern herrscht eitel Wohlgefallen. Fahrer und Insassen empfängt ein Ambiente mit Stil und hoher Funktionalität. Auch wenn die hinteren Ränge sich mit gedämpftem Lichteinfall begnügen müssen, haben sie es dank Ambientebeleuchtung und wohlgeformtem Gestühl kuschelig. Die Kopffreiheit ist trotz abfallender Dachlinie auch für Erwachsene ausreichend. Bis auf Griffe über den Türen haben Mitfahrer nichts vermisst.
Der Fahrer erfreut sich an einem bedienungsfreundlichen Cockpit. Edle Materialien, perfekte Verarbeitung und optisch reizvolle Details wie Galvanikelemente tragen zum Wohlfühlambiente bei. Nach gewisser Gewöhnungsphase sind Knöpfe und Kippschalter am Mulitfunktionslenkrad intuitiv zu bedienen. Der berührungsempfindliche Bildschirm mit dem Navigationssystem Professional 10,25 Zoll löst Karten messerscharf auf. Alternativ lassen sich die Fahrzeug-, Navigation-, Kommunikationsund Infotainmentfunktionen auch über ein Stellrad auf der Mittelkonsole oder über die Spracheingabe steuern. Optional bietet BMW sogar eine Gestiksteuerung an. Das Herumfuchteln kann man sich aber sparen. Neben den zahlreichen Assistenten, die das Fahren entspannter machen, erweist sich das Head-up Display als nützlich. Es projiziert alle relevanten Informationen direkt in die Windschutzscheibe ins Sichtfeld des Fahrers. Allerdings filtert eine polarisierende Sonnenbrille die Anzeige nahezu komplett heraus. Damit Rückwärtsfahren nicht zum Blindflug wird, ist trotz einer Armada von Sensoren eine Rückfahrkamera unverzichtbar. Notfalls soll der BMW X4 für Fußgänger und Radfahrer automatisch bremsen.
Trotz abgeschrägtem Dach fasst der X4 mit 525 Liter fast gleich viel Gepäck wie der X3 (550 l). Mit geklappten Fondsitzen lässt sich das Volumen auf 1430 Liter erweitern. Die Lehnen neigen sich im Verhältnis 40:20:40. Die Heckklappe schwingt elektrisch auf. Der Deckel zum Kofferraumkeller besitzt eine hydraulische Feder, was die Beladung desselben ungemein erleichtert. Mit 75 Zentimetern ist die Ladekante SUV-typisch recht hoch.
Das Zusammenspiel zwischen Motor, Getriebe (serienmäßig ist die 8-Stufen-Automatik von ZF verbaut), Dämpfer und Lenkung könnte besser
Anschaffungspreis hoch, Verbrauch viel zu hoch
kaum sein. Je nach gewähltem Fahrmodus (Sport, Comfort oder Eco) werden die Komponenten perfekt aufeinander abgestimmt. Auch wenn BMW die Option anbietet, von Hand einzugreifen, kommt selbst ein ambitionierter Fahrer kaum auf die Idee, die Schaltpaddel am Lenkrad zu nutzen. Die Abstimmung funktioniert reibungslos, sodass der doppelt aufgeladene Vierzylindermotor seine 252 Pferde optimal auf Trab hält. Wer angesichts des fast lautlosen Antrabens genügsame Ackergäule erwartet hat, wird eines Besseren belehrt. Tatsächlich handelt es sich um heißblütige Araber, deren Antritt ebenso beeindruckend ist wie ihr Durst: 9,5 Liter Superbenzin saufen sie im gnädigen SZ-Test auf 100 km.
Bei der Kaufentscheidung für einen X4 dürfte der Verbrauch allerdings nicht zu sehr ins Gewicht fallen. Wer beim Fahren sparen und die gleiche Leistung haben will, greift zum Diesel. Mit 190 PS bringt der BMW X4Drive20d ein höheres Drehmoment auf die Straße, stößt weniger CO2 aus und braucht zwei Liter weniger Sprit. Außerdem ist er im Grundpreis um mehr als 4000 Euro günstiger. Der Einstieg in die BMW X4-Welt beginnt bei knapp 50 000 Euro, er liegt damit 5000 Euro über dem BMW X3. Nach oben scheint es kaum Grenzen zu geben. Dass die Bayern mit dieser Preispolitik nach wie vor gute Geschäfte machen, ist für den (Ober)schwaben nur schwer nachvollziehbar.