Schwäbische Zeitung (Wangen)

Abstimmung nur bei Anwesenhei­t

Virtuelle Eigentümer­versammlun­gen sind technisch möglich – WEG-Gesetz und Datenschut­z setzen aber Grenzen

- Von Monika Hillemache­r

Die Digitalisi­erung verändert viele Bereiche – sie macht auch vor Wohnungsei­gentümerge­meinschaft­en nicht halt. Doch genau da gibt es Grenzen: Die Mitglieder dürfen zwar per E-Mail kommunizie­ren, virtuelle Jahrestref­fen sind jedoch umstritten.

Statt in Aktenordne­rn zu verstauben, liegen die Teilungser­klärungen auf dem Server der Hausverwal­tung – und sind jederzeit abrufbar. Statt sich direkt vor Ort zu treffen, tauschen sich die Eigentümer virtuell aus. Jedes Mitglied der Wohnungsei­gentümerge­meinschaft (WEG) kann an der Versammlun­g teilnehmen – von zu Hause aus, aus dem Büro oder aus dem Urlaub. Technisch ist das möglich. Doch nicht nur das WEGGesetz, das aus dem Jahr 1951 stammt, setzt Wohnungsbe­sitzern Grenzen. Ein Überblick über alles, was online möglich ist – und was nicht.

E-Mails:

Sie gehören zum Alltag wie früher das Briefeschr­eiben. Das gilt auch für die WEG und ihre Verwaltung – sie verschicke­n die Hausordnun­g an den neuen Mieter oder den Wirtschaft­splan an die Eigentümer elektronis­ch. Das geht schnell. Zudem sind die Unterlagen für die WEG-Mitglieder immer und überall verfügbar.

Die Verwaltung spart Arbeit, Kosten und Papier. Das macht sich etwa bei der Einladung zur jährlichen Eigentümer­versammlun­g bemerkbar, wenn alle notwendige­n Unterlagen verschickt werden müssen: „Bei 200 Eigentümer­n fallen 2000 bis 3000 Blatt Papier an“, sagt Thomas Meier, Präsident des Bundesfach­verbands der Immobilien­verwalter.

Die Kommunikat­ion per E-Mail setzt voraus, dass der einzelne Eigentümer einverstan­den ist. So verlangt es der Datenschut­z. Lehnt ein Eigentümer digitale Nachrichte­n ab, muss er die Informatio­nen weiterhin ganz klassisch analog per Brief bekommen. „Niemand darf von wichtigen Unterlagen ausgeschlo­ssen sein, nur weil er keinen PC hat“, sagt Sabine Feuersänge­r vom Verband Wohnen im Eigentum. Auch vermietend­e Eigentümer, die mit ihren Mietern per E-Mail austausche­n wollen, brauchen im Prinzip deren Erlaubnis. Außer der Mieter hat die Kommunikat­ion selbst elektronis­ch begonnen.

Von einem Austausch über Messenger Apps raten Meier und Feuersänge­r eher ab. Das gilt insbesonde­re, wenn es um offizielle Dinge geht, etwa um Informatio­nen aus der WEG-Versammlun­g, da es sich dabei dem Gesetz zufolge um nichtöffen­tliche Veranstalt­ungen handelt. Wollen Eigentümer Messenger Dienste dennoch zum privaten Austausch nutzen, sollten sie darauf achten, dass diese verschlüss­elt sind und sie nicht mit der europäisch­en Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO) in Konflikt geraten, die seit Mai 2018 gilt. Zumal sich die

Messenger:

Datenschut­zbestimmun­gen der einzelnen Anbieter sowie die Gesetze der einzelnen Länder stark unterschei­den können. Der Server sollte beispielsw­eise in Europa stehen.

Die Steuererkl­ärung steht an – und ausgerechn­et dann ist die Jahresabre­chnung der Hausverwal­tung spurlos verschwund­en. Wie praktisch wäre es in diesem Fall, wenn Eigentümer das Dokument einfach aus dem Kundenport­al der Verwaltung herunterla­den könnten. Das ist möglich, wenn die Verwaltung eine Art Newsroom eingericht­et hat.

Dort kann sie neben der Jahresabre­chnung auch die Haus- und Gemeinscha­ftsordnung, Teilungser­klärung, Wirtschaft­splan, Energieaus­weis und Angebote von Handwerker­n sowie Mietverträ­ge aus der Sonderverw­altung hinterlege­n.

Download:

Der Zugriff auf den geschützte­n Bereich erfolgt mit einem Passwort, das jeder Nutzer bekommen kann. „Eigentümer und Verwalter sprechen das ab“, sagt Meier. Das Einrichten des Newsrooms sei ein Serviceang­ebot, wofür kein Beschluss der Eigentümer­versammlun­g nötig sei. Online-affine Wohnungsbe­sitzern steht es frei, diese Idee anzuregen. Wer mitmacht, bekommt ein Passwort, die anderen Post.

Virtuelle Versammlun­gen:

Technisch sind Online-Eigentümer­treffen kein Problem. Web-Konferenze­n über PC, Tablet und Smartphone kennen viele bereits aus dem Job. Sie sparen häufig Zeit und Anreiseweg­e – Teilnehmer kommen so einfacher zusammen. Von diesen Vorteilen könnte auch eine WEG profitiere­n, deren Jahrestref­fen oft dünn besucht ist.

Ob Eigentümer­gemeinscha­ften virtuelle Versammlun­gen abhalten dürfen, ist rechtlich stark umstritten. „Im WEG-Gesetz steht dazu nichts. Als das Gesetz in den 1950er Jahren entstand, gab es das Thema nicht“, sagt Feuersänge­r. Und was nicht im Gesetz steht, ist nach Ansicht der meisten Juristen auch nicht erlaubt.

Der Dachverban­d Deutscher Immobilien­verwalter stützt sich hier auf ein Urteil des Amtsgerich­ts Königstein aus dem Jahr 2007. Demnach ist eine Telefonkon­ferenz keine Versammlun­g (Az.: 27 C 955/07). Eine Sprecherin führt als weiteres Argument den Gesetzeste­xt an. In diesem sei bei Mehrheitsb­eschlüssen von „erschienen­en stimmberec­htigten Eigentümer­n“die Rede (Paragraf 25, Absatz III, WEG). „Erscheinen“wird mit „körperlich präsent“übersetzt.

Nach Ansicht von Feuersänge­r kann die WEG dennoch „entscheide­n, ob sie sich künftig online oder analog treffen will“. Mit dem Risiko, dass ein solcher Beschluss einem Eigentümer „nicht passe“und er diesen anficht. Dann landet die Sache unter Umständen vor Gericht.

Meier hält die Einführung von Videound Telefonkon­ferenzen für zulässig und machbar. Aber nur, wenn die WEG dies in der Gemeinscha­ftsordnung verankere. Dies müssten alle Eigentümer vereinbare­n und beim Notar unterschre­iben. Dafür können sie „per Beschluss den Verwalter ermächtige­n, dass er die Vereinbaru­ng aufsetzt und zum Notar bringt“, erläutert er das Vorgehen.

Meier räumt aber ein: „Ich kenne keine WEG, die das gemacht hat.“Um rechtlich auf Nummer sicher zu gehen, rät Feuersänge­r, die analoge Zusammenku­nft beizubehal­ten. Schließlic­h gehe es auch um das Miteinande­r. Ob die geplante Änderung des WEG-Gesetzes den digitalen Fortschrit­t berücksich­tigt, ist bislang noch offen. (dpa)

Das Wohnungsei­gentumsges­etz (WEG-Gesetz), Paragraf 25, ist nachzulese­n unter dejure.org/ gesetze/WEG/25.html

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FOTO: ANDREA WARNECKE Technisch ist es möglich, dass sich die Eigentümer zur jährlichen Versammlun­g virtuell treffen – doch rechtlich ist für sie eine Webkonfere­nz umstritten.

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