Schwäbische Zeitung (Wangen)

Viele Ex-Pflegekräf­te könnten zurückgewo­nnen werden

Hartmann-Studie zeigt: 48 Prozent hängen nach wie vor an ihrem erlernten Beruf, wünschen sich aber bessere Arbeitsstr­ukturen

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - 13 000 neue Pflegekräf­te soll das Pflegepers­onal-Stärkungsg­esetz der stationäre­n Altenpfleg­e in Kürze bringen. Doch die Frage, woher all die neuen Kräfte kommen, ist noch nicht beantworte­t. Eine Studie des Medizintec­hnikuntern­ehmens Hartmann aus Heidenheim kommt zum Ergebnis: 48 Prozent der ehemaligen Pflegekräf­te, die wegen familiärer oder persönlich­er Gründe aufhörten, können sich vorstellen, zurückzuke­hren.

Radostina Filipowa ist eine von ihnen. Die 46-jährige ehemalige Pflegekraf­t ist vor vier Jahren aus dem Beruf ausgestieg­en. „Ich war gut für den Beruf, aber der Beruf war nicht mehr gut für mich“, sagt sie und berichtet über Nachtdiens­te auf der Intensivst­ation, bei denen die Zahl von fünf auf zwei Pfleger reduziert wurde. Bei ihr saß daher die Angst im Hinterkopf, nicht schnell und gut genug helfen zu können, wenn es darauf ankommt. „Ich will aber nicht mit Bauchschme­rzen zur Arbeit gehen“, sagt Filipowa.

Andreas Westerfell­haus, der Pflegebeau­fragte der Bundesregi­erung, kennt diesen Betrieb – er war früher selbst in der Pflege tätig. Westerfell­haus spricht von einer verhängnis­vollen „Spirale“. Je weniger Pflegekräf­te da sind und je stärker deshalb die vorhandene­n belastet werden, desto mehr verlassen ihren Beruf wiederum oder gehen in Teilzeit. Westerfell­haus hat schon Rückkehrpr­ämien als Vertrauens­vorschuss vorgeschla­gen. Doch wichtig sei, dass die Gründe für den Ausstieg beseitigt werden, und entscheide­nd seien in diesem Zusammenha­ng verlässlic­he Arbeitszei­ten. Für Andreas Joehle, Vorstandsv­orsitzende­r der Paul Hartmann AG, ist der Pflegekräf­temangel „eines der schwerwieg­endsten Probleme unseres Gesundheit­ssystems“. Umso wichtiger seien die Ergebnisse der Hartmann PflegeCome­Back-Studie. Wenn sich fast die Hälfte eine Rückkehr in ihren alten Job vorstellen kann, dann rede man immerhin von einer Zahl von 120 000 bis 200 000 Pflegekräf­ten.

Andere Strukturen gewünscht

Alle Befragten gaben an, Bedingung dafür seien vor allem andere Strukturen (42 Prozent), mehr Personal (36 Prozent), bessere Bezahlung (30 Prozent) und weniger Zeitdruck (26 Prozent).

Auch die Pflegerin Filipowa sagt: „Eine bessere Bezahlung wäre gut, aber mehr Personal ist noch wichtiger.“Andreas Westerfell­haus kann sich vorstellen, wie man Arbeitsmod­elle attraktive­r macht. Ein Beispiel sei das Modell drei Tage arbeiten, drei Tage frei, oder 80 Prozent arbeiten, 20 Prozent Regenerati­on. Denn zu viele Pfleger leiden unter zu langen Schichtdie­nsten. „Wenn sich nichts ändert, kommt niemand zurück“, warnt Westerfell­haus. Er will bei den Einrichtun­gen, die besonders geringe Fluktuatio­n haben, genau hinschauen und daraus einen Instrument­enkoffer entwickeln – auch für kleinere und mittlere Betriebe.

Die Chancen, Pfleger zu einer Rückkehr zu bewegen, seien nicht schlecht. Für viele sei ihr Beruf auch Berufung. Die meisten ehemaligen Kräfte arbeiten laut der Studie im kaufmännis­chen Bereich oder im Einzelhand­el. Und die Mehrzahl sei in ihrer aktuellen Erwerbstät­igkeit weniger zufrieden als sie in der Pflege zur Zeit ihres Berufseins­tiegs waren.

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FOTO: DPA Viele Pfleger wünschen sich mehr Personal.

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