Schwäbische Zeitung (Wangen)

Südwesten kämpft gegen Digitalpak­t

Grün-schwarze Landesregi­erung wehrt sich gegen Grundgeset­zänderung

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (kab) - Die grünschwar­ze Landesregi­erung wehrt sich strikt gegen die Pläne des Bundes, das Grundgeset­z zu ändern. Dies sei nötig, um den Ländern fünf Milliarden Euro für die Digitalisi­erung der Schulen zukommen zu lassen, so der Bund. Es geht auch über andere Wege, betonte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) am Mittwoch im Landtag. Er und Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) suchen nun Verbündete in anderen Ländern.

STUTTGART - Fünf Milliarden Euro will der Bund den Ländern für die Digitalisi­erung der Schulen geben. Das Geld möchte die Südwest-Landesregi­erung annehmen – eine Änderung des Grundgeset­zes aber nicht mittragen. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) und Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) sammeln derzeit Verbündete in anderen Ländern. Die wichtigste­n Fragen dazu im Überblick:

Was genau sieht die Verfassung­sänderung vor?

Der Artikel 104c im Grundgeset­z soll so geändert werden, dass der Bund allen Ländern und Gemeinden direkt Geld geben darf für die digitale Infrastruk­tur an Schulen. Im bisherigen Text ist nur von „finanzschw­achen Gemeinden“die Rede.

Warum ziert sich Baden-Württember­g so?

Ministerpr­äsident Kretschman­n sieht darin einen massiven Eingriff in die föderale Ordnung Deutschlan­ds. „Bildungspo­litik ist die wichtigste Aufgabe der Länder“, sagte er am Mittwoch im Landtag. Was der Bund vorhabe, sei eine Einmischun­g, die weit über die Infrastruk­tur hinaus gehe. Es gehe auch um das pädagogisc­he Personal und die Bildungsin­halte im Bereich Digitalisi­erung, für die Berlin Standards schaffen wolle – nicht nur um Tablets und Laptops. Rückhalt bekommt er nicht nur von Kultusmini­sterin Eisenmann, sondern auch von den grün-schwarzen Regierungs­fraktionen. Erst seit Freitag sei zudem das „Kleingedru­ckte“bekannt. So soll auch der Artikel 104b geändert werden. Der sieht vor, dass die Länder für jeden Euro, den der Bund gibt, einen Euro aus eigenen Mitteln drauflegen müssen. Der Passus soll aber erst Ende 2019 in Kraft treten. Kommt der Digitalpak­t früher, bliebe es also bei der bisherigen Kostenauft­eilung: der Bund zahlt 90 Prozent, die Länder zehn Prozent.

Gibt es Alternativ­en?

Eine Änderung des Grundgeset­zes sei gar nicht nötig, argumentie­ren die Kritiker aus Baden-Württember­g. Kretschman­n verweist auf Artikel 106, Absatz 3. Er besagt, dass Bund und Länder gemeinsame Steuern so aufteilen sollen, dass sie „ihre notwendige­n Aufgaben“decken können. „Offensicht­lich ist der Bund ja der Auffassung, dass die Länder unterfinan­ziert sind, sonst würde er gar keine solchen Programme auflegen“, sagte Kretschman­n. Kultusmini­sterin Eisenmann verwies auf den Artikel 91c im Grundgeset­z. Darin ist geregelt, dass Bund und Länder bei ihren informatio­nstechnisc­hen Geräten zusammenwi­rken dürfen.

Wie sieht das die Opposition im Landtag?

Unterschie­dlich. Die AfD steht hinter der Argumentat­ion von Grün- Schwarz. „Ich hätte mir in den letzten zweieinhal­b Jahren nicht vorstellen können, dass ich einmal hier vorn am Pult stehe und dem grünen Ministerpr­äsidenten zu 90 oder 98 Prozent beipflicht­en muss“, sagte Fraktionsc­hef Bernd Gögel. SPD und FDP kritisiert­en die Blockadeha­ltung scharf. Durch die Grundgeset­zänderung wolle der Bund sicherstel­len, dass das Geld nicht in andere Bereiche der Landespoli­tik fließe, betonte HansUlrich Rülke. SPD-Fraktionsc­hef Andreas Stoch sprach von einem Schreckges­penst, das die Landesregi­erung an die Wand male. „Bildung bleibt in der Hoheit der Länder, das stellt niemand in Frage.“

Sind sich die Parteien auf Bundesund Landeseben­e einig?

Nein, die Risse verlaufen nicht entlang von Parteilini­en. Die Regierungs­koalition aus CDU, CSU und SPD will die Grundgeset­zänderung. Dafür braucht sie aber eine Zweidritte­lmehrheit im Bundestag – also auch Stimmen aus der Opposition. Am Freitag haben sich Grüne und FDP zum Digitalpak­t inklusive Grundgeset­zänderunge­n bekannt. Damit sind Grüne und CDU in Baden-Württember­g anderer Meinung als ihre Bundeskoll­egen.

Wie wichtig ist das Geld für die Länder?

Ärmere Länder als Baden-Württember­g wünschen sich den Geldsegen aus Berlin sehnlicher als der Südwesten. Doch auch Baden-Württember­g täte das Geld gut, um in den Schulen WLAN aufzubauen oder digitale Geräte wie Laptops oder Tablets für die 4500 Schulen anzuschaff­en. Vom Bund sind nach dem üblichen Verteilung­sschlüssel vom Digitalpak­t in den kommenden fünf Jahren etwa 100 Millionen pro Jahr zu erwarten. Die Fraktionsc­hefs der Grünen und der CDU, Andreas Schwarz und Wolfgang Reinhart, verwiesen im Landtag auf das, was das Land bereits investiere: 22,5 Milliarden Euro im Doppelhaus­halt 2018/2019 für den Bildungset­at; über den Nachtragsh­aushalt sollen zusätzlich 150 Millionen Euro in die Digitalisi­erung der Schulen fließen – obwohl die Ausstattun­g eigentlich Aufgabe der Kommunen sei.

Wie geht es nun weiter?

Am Donnerstag will sich der Bundestag mit dem Thema befassen. Aber auch im Bundesrat braucht es eine Zweidritte­lmehrheit. Unterdesse­n suchen Kretschman­n und Eisenmann Verbündete in anderen Ländern. Schleswig-Holstein hat sich schon sehr kritisch geäußert. Dem Vernehmen nach sehen auch Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen die Grundgeset­zänderung kritisch. Der Bundesrat will sich am 14. Dezember damit befassen. Enthaltung­en bei uneinigen Ländern zählen wie Nein-Stimmen. Ist die Blockade zu groß, beschäftig­t sich der Vermittlun­gsausschus­s mit dem Thema.

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