Friaul rollt den roten Teppich aus
Die italienische Weinregion ist auch für rote Rebsorten ein Garten Eden
Victor Hugo, Mark Twain und Johann Strauss gaben sich hier die Klinke in die Hand, Rainer Maria Rilke verfasste seine Duineser Elegien, benannt nach dem am Golf von Triest spektakulär über den Klippen gelegenen Castello di Duino. Franz Liszt hat dem Pianoforte virtuose Klänge abgetastet und die große Theaterschauspielerin Eleonora Duse verzauberte in diesem Schloss als gern gesehener Gast die Menschen. Ernest Hemingway, im ersten Weltkrieg als junger Soldat hier stationiert, kehrte zwischen 1948 und 1954 zurück, traf sich in den malerischen Hügeln von Manzano mit dem Lyriker T. S. Eliot und fühlte sich von den weiten Sandstränden der Lagune von Lignano gar an Florida erinnert. Doch nicht nur die Küstenregionen des Friaul, auch das Landesinnere und seine Genüsse vielfältigster Art üben seit jeher magische Anziehungskräfte aus. So empfand es schon Francesco Petrarca, der seinen letzten Lebensabschnitt im Friaul verbrachte (Arquà Petrarca).
Während im nordwestlich gelegenen Piemont mit einem Castelmagno, Robiola, Raschera oder Bra einige der eigenständigsten und schmackhaftesten Fromagi der gesamten Käsewelt heranreifen, vermag das nordöstliche Friaul mit dem himmlischen San-Daniele-Schinken aus der gleichnamigen Ortschaft, einem vorzüglichen Grappa aus dem pittoresken, an der Brenta gelegenen Städtchen Bassano del Grappa oder einer Gubana aus dem malerischen Cividale, einer friulanischen Schneckennudel mit Nüssen, Mandeln und Grappa, zu punkten.
Das besondere Interesse des Weinfreundes verdienen neben den Weißweinen, die sich auf international höchstem Niveau längst etabliert haben (wie bereits beschrieben in der Folge „Im Weißweinparadies“), die roten Gewächse einer Reihe führender Häuser, die sich hinter den Ribolla, Friulano, Pinot Bianco, Sauvignon & Co. nicht mehr zu verstecken brauchen. Und sie sind jeden roten Heller wert.
Das Weingut Villa Russiz im Collio, entstanden aus der kosmopolitischen Alliance der Görzer Baronesse Elvine und des französischen Grafen de Latour, baut im Rotweinbereich konsequenterweise nur die von diesem aus seiner französischen Heimat eingeschmuggelten Rebsorten an.
Graf de la Tour heißt ein dichter, tiefer und komplexer Merlot mit Riserva-Qualität, dessen 2004 und 2007 sich heute in samtig-warmer Trinkreife präsentieren, während die aktuellen Jahrgänge wie 2012 und 2013 ih- re großartigen Anlagen behutsam entwickeln können. Daneben steht mit dem Défi de la Tour ein Cabernet Sauvignon von großer Eleganz und viel Schliff. Beide werden für 12 bis 15 Monate in französischen Eichenbarriques ausgebaut und liefern ein eindrucksvolles Zeugnis des Potenzials, das in den kargen Ponca-Böden auch für die Rotweinsorten schlummert.
Alessandra Felluga vinifiziert auf ihrem Castello di Buttrio in den Colli Orientali auch die autochthonen friulanischen Sorten wie einen zart pflaumentönigen, mit einem Hauch Lakritze unterlegten, aufreizend attraktiven Pignolo und einen ausdrucksvollen, tief dunklen Refosco mit fein gebändigter Säure, die sich bei dieser Sorte anderswo auch widerborstig präsentieren kann. Gewiss hätte Giacomo Casanova, der dem Refosco-Wein in seinen „Erinnerungen“huldigte, den vom Castello di Buttrio nicht verachtet. Mit ihrem in Barriques aus Troncais und der Region um Bozen ausgebauten Global Player Merlot Riserva Uve
Carate setzt sie ihre Vorstellung von einem großen Rotwein aus dem Friaul in exemplarischer Schlüssigkeit um. Sie liebt Tannine wie die des Piemont, zieht die „fordernden“Roten den gefälligeren vor und möchte keine „femininen“Weine erzeugen. Chapeau! Ihr Merlot ist ein Volltreffer, der diese Philosophie durch und durch verkörpert. Was sagt sie in aller Bescheidenheit zu dem Lob für diese großen Weine? „Nicht der Winzer ist das Wichtigste, sondern die Lage, das Klima, die Böden – das Terroir.“
Großartiger Collio Merlot in Riserva-Qualität (erkennbar an dem roten Etikett) ist bei Franco Toros nahe der slowenischen Grenze zu finden, mit gekonntem BarriqueAusbau zaubert er aus seinen privilegierten elf Hektar Rebfläche einen dunkel beerentönigen, kraftvollen und trotzdem geschliffenen Paradewein auf die Flasche, der enorm lagerfähig ist und mit zunehmender Flaschenalterung eine faszinierende Vielschichtigkeit generiert.
85 Prozent Merlot und 15 Prozent Cabernet Franc verschmelzen bei der Azienda Agricola Roncus im Collio zu der bordeaux-inspirierten Blend Val di Miez, nach der die Suche allemal lohnt. In der friulanischen Top-Gastronomie ein permanenter Gast.
Auch Russiz Superiore von Roberto Felluga, der in die großen Fußstapfen seines Vaters Marco getreten ist, spielt mit der rundum harmonischen Riserva degli Orzoni aus Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot aus dem Collio in der Serie A. Cassis, Brombeere und feine Gewürzaromen schmeicheln Nase und Gaumen gleichermaßen.
Wie an einem roten Faden
Ebenfalls im Collio zu Hause, wird von der Azienda Agricola Livon die Phalanx der international orientierten Preziosen – wie an einem roten Faden – mit der Cabernet SauvignonMerlot-Assemblage Tirare Blu mit viel Persönlichkeit und Extraktreichtum auf’s Trefflichste ergänzt. Vielleicht, wie auch die Vorgenannten, ein rotes Tuch für manch hochpreisigen Bordeaux …?
Die Azienda Agricola Dorigo präsentiert sich mit ihren großartigen
Pignolo und Schioppettino als Schlüsselfigur autochthoner Sorten und gibt Gelegenheit, die Vielfalt der Rebensäfte kennenzulernen und Gewächsen die Aufwartung zu machen, die nirgendwo sonst auf diesem Erdball anzutreffen sind. Dasselbe gilt für den Refosco dal Peduncolo Rosso Zuc di Volpe, von Volpe Pasini seit Jahrzehnten in konstant vorbildlicher Qualität vinifiziert. Auch bei
Vigne di Zamo ist man mit einem Schioppettino und einem Refosco
dal Peduncolo Rosso im Konzert der heimischen Rebsortenweine des Friaul ganz vorne mit dabei.
Der Weinfreund notiert ein dickes „Pro“für die Roten des Friaul…