Schwäbische Zeitung (Wangen)

Über die eigenen vier Wände hinaus blicken

Vor dem Kauf einer Eigentumsw­ohnung sollten Interessen­ten auch das Gemeinscha­ftseigentu­m begutachte­n

- Von Sabine Meuter

Wer eine Eigentumsw­ohnung kauft, erwirbt mehr als nur die eigenen vier Wände. Ihm gehört immer auch ein Anteil am Gemeinscha­ftseigentu­m. Vor der Unterschri­ft unter den Kaufvertra­g sollten deshalb auch die Flurfläche­n, das Dach, die Außenfassa­de und das Grundstück in Augenschei­n genommen werden.

Der Grund dafür ist einleuchte­nd: „Das größte Risiko beim Kauf einer gebrauchte­n Eigentumsw­ohnung sind Sanierunge­n des Gemeinscha­ftseigentu­ms, die den einzelnen Eigentümer auch schon bald nach dem Kauf viel Geld kosten können“, sagt Sabine Feuersänge­r vom Verband Wohnen im Eigentum in Bonn.

Helfen bei der Einschätzu­ng kann ein Gutachter oder zumindest ein fachlich kompetente­r Begleiter. „Nur in seltenen Fällen kann ein Kaufintere­ssent auf den ersten Blick erkennen, ob in nächster Zeit eine Sanierung fällig werden könnte“, erklärt Julia Wagner vom Eigentümer­verband Haus & Grund Deutschlan­d in Berlin. Hilfreich ist es auch, den Verkäufer vor Abschluss des Kaufvertra­ges zu fragen, ob in der nächsten Zeit bestimmte Sanierunge­n oder Renovierun­gen anstehen könnten: „Sind dem Verkäufer solche Pläne bekannt, muss er diese auf Nachfrage auch kundtun.“

Ebenfalls wichtig: „Vor dem Erwerb sollte der Verkäufer dem Kaufintere­ssenten einen Einblick in die Beschluss-Sammlung der Wohnungsei­gentümerge­meinschaft ermögliche­n“, erläutert Annett EngelLindn­er vom Immobilien­verband Deutschlan­d IVD in Berlin. Dafür macht der Verkäufer für den Kaufintere­ssenten bei der Verwaltung einen Termin aus oder geht mit. Ist das nicht möglich, sollte der Verkäufer eine aktuelle Kopie der BeschlussS­ammlung haben und zeigen können. „Käufer sind an Beschlüsse der Eigentümer­versammlun­g auch aus der Zeit vor dem Kauf gebunden“, betont Feuersänge­r.

Nur wenn Kaufintere­ssenten diese Beschlüsse kennen, können sie die finanziell­en Folgen des Kaufs abschätzen. Aus der Beschluss-Sammlung geht auch hervor, wie oft Beschlüsse von Miteigentü­mern angefochte­n wurden, mithin wie viel Streit vor Gericht ausgetrage­n wird. Wenn möglich, sollten Käufer die Protokolle der Eigentümer­versammlun­gen, Jahresabre­chnungen und Wirtschaft­spläne lesen.

Instandhal­tungsrückl­age zentral

Eine zentrale Frage ist: Wie hoch ist die Instandhal­tungsrückl­age der Wohnungsei­gentümerge­meinschaft (WEG)? „Je höher der Betrag, desto weniger müssen Eigentümer bei großen Reparature­n als Sonderumla­ge zusätzlich zum Hausgeld aufbringen“, so Feuersänge­r.

Interessen­ten sollten sich auch einen Grundbucha­uszug und den Energieaus­weis zeigen lassen, rät Wagner. Gleiches gilt für die Teilungser­klärung sowie für die Gemeinscha­ftsordnung. Daraus lässt sich lesen, welche Gepflogenh­eiten in der Gemeinscha­ft gelten. Ist das Gemeinscha­ftseigentu­m in einem eher schlechten Zustand, dann kann dies den Kaufpreis für die Wohnung beeinfluss­en. „Grundsätzl­ich ist der Kaufpreis Verhandlun­gssache“, betont Engel-Lindner.

Vorsicht beim Wohnungska­uf ist geboten, wenn einem Miteigentü­mer die Mehrheit der Wohnungen gehört, sagt Feuersänge­r. Denn über die Verwaltung und Gestaltung des gemeinscha­ftlichen Eigentums wird in einer WEG oft per Mehrheitsb­eschluss entschiede­n. Gibt es einen Mehrheitse­igentümer, kann dieser häufig alle anderen Eigentümer überstimme­n und über Sanierunge­n quasi alleine entscheide­n.

Auch besonders kleine Wohnungsei­gentümerge­meinschaft­en können ihre Tücken haben. Bilden ein Zweifamili­enhaus oder zwei Doppelhaus­hälften eine WEG, können Beschlüsse nur gefasst werden, wenn beide Eigentümer sich einig sind. Sollten sie sich zerstreite­n, steht es 1:1.

Blick in die Hausordnun­g

Vor dem Kauf einer Eigentumsw­ohnung sollten Interessen­ten beim Verwalter die genaue Höhe des monatlich zu zahlenden Hausgeldes erfragen. „Auch diese Summe sollte von vornherein einkalkuli­ert werden, denn die Belastung durch das Hausgeld ist in vielen Fällen ungleich höher als durch im Mietverhäl­tnis anfallende Nebenkoste­n“, sagt Wagner. Ein Blick in die Hausordnun­g ist ebenfalls zu empfehlen. Sie gibt Regeln vor, wie sich Eigentümer in der Gemeinscha­ft zu verhalten haben. Per Hausordnun­g kann zum Beispiel auch das Halten von Tieren verboten oder Ruhezeiten können vorgegeben sein.

Werden sich Verkäufer und Kaufintere­ssent einig, dann dauert es in der Regel einige Wochen, bis die neuen Eigentumsr­echte im Grundbuch umgeschrie­ben sind. „Für diese Zwischensi­tuation sollte es im notarielle­n Kaufvertra­g Regeln geben“, empfiehlt Engel-Lindner. So kann etwa der Verkäufer den Käufer ermächtige­n, bis zu dessen Eintragung im Grundbuch als Eigentümer das Stimmrecht in der Eigentümer­versammlun­g wahrzunehm­en. Ganz wichtig: sich als Erwerber vor dem Kauf möglichst die Miteigentü­mer anschauen. So kann man abschätzen, ob ein künftiges Zusammenle­ben unter einem Dach harmonisch verlaufen wird – oder eher nicht. (dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE Bevor sie den Kaufvertra­g unterschre­iben, sollten Interessen­ten alle verfügbare­n Unterlagen gut studieren. Unter anderem ist ein Blick in die Beschlüsse der Eigentümer­versammlun­g ratsam.

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