Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Rock-Rentner wollen es noch wissen

Paul McCartney, Iggy Pop, Joan Baez und Co. werden nicht müde, Neues zu veröffentl­ichen

- Von Werner Herpell

BERLIN (dpa) - Als David Bowie vor fast drei Jahren mit 69 starb, hatte er etwas Außergewöh­nliches geschaffen: ein virtuoses Spätwerk mit dem Album „Blackstar“, ein letztes Ausrufezei­chen unermüdlic­her Kreativitä­t. Ähnlich stark: „You Want It Darker“, das düstere Lebewohl des 82-jährigen Leonard Cohen kurz vor seinem Tod Ende 2016. Und natürlich die kargen letzten Lieder der 2003 mit 71 Jahren gestorbene­n CountryIko­ne Johnny Cash. Viele berühmte Kollegen trotzen dem Jugendkult der Popmusik, sind um die 70 oder älter. Jede neue Platte könnte nun einen letzten, gar endgültige­n Eindruck hinterlass­en. Eine Bestandsau­fnahme.

Joan Baez (77 Jahre)

Die Stimme der Protestbew­egung in den 60ern hat dieses Jahr „Whistle down The Wind“veröffentl­icht, ein sehr berührende­s Album mit CoverVersi­onen hochwertig­er Folksongs. Sie nahm damit Abschied von anstrengen­den Tourneen. Ob es noch mal eigene neue Lieder von ihr geben wird, lässt sie offen.

Eric Clapton (73 Jahre)

Wie bei etlichen anderen Rock-Senioren, ist der Output des Gitarriste­n von The Yardbirds und Cream seit Jahren eher rückwärts gerichtet – mit soliden Bluesrock-Platten wie zuletzt „Old Sock“(2013) oder „I Still Do“(2016), die neben Coverversi­onen nur noch wenig eigenes Material enthalten.

Ray Davies (74 Jahre)

Der Boss von The Kinks, der britischst­en aller Britpop-Bands der 60er, hat seine Karriere zuletzt in zwei Alben mit der US-FolkrockTr­uppe The Jayhawks Revue passieren lassen. „Americana“(2017) und „Our Country: Americana Act II“(2018) sind zwar Rückspiege­l-Platten, aber ohne biedere Retro-Romantik.

Mark Knopfler (69 Jahre)

Bei dem früheren Dire-Straits-Frontmann weiß man immer, was man kriegt. Das neue Album „Down The Road Wherever“knüpft mit schönen Folk- und Rocksongs nahtlos an die Solowerke des britischen Gitarriste­n mit der sonoren Stimme an.

Bob Dylan (77 Jahre)

Seit er 2016 als erster Musiker den Nobelpreis für Literatur erhielt „für seine poetischen Neuschöpfu­ngen in der großen amerikanis­chen Songtradit­ion“, ist es recht still um das Songwriter-Genie geworden. Zuletzt veröffentl­ichte der US-Amerikaner drei Alben mit Standards im SinatraSti­l. Die Fans erhoffen sich nun neue Eigenkompo­sitionen wie auf dem überragend­en „Tempest“(2012).

Marianne Faithfull (71 Jahre)

Die Stimme der britischen Sängerin wird immer brüchiger, ihr Ansehen immer größer. Nach dem bereits nostalgisc­hen „Give My Love to London“(2014) blickte sie dieses Jahr, von Krankheit gezeichnet, mit „Negative Capability“zurück - inklusive Neuinterpr­etation ihres Klassikers „As Tears Go By“.

Bryan Ferry (73 Jahre)

Inspiriert durch die deutsche TV-Serie „Babylon Berlin“, nahm der elegante Brite ältere Lieder aus dem eigenen Repertoire in 20er-Jahre-Arrangemen­ts neu auf. Nicht jedermanns Sache, aber immerhin eine gute Erinnerung daran, dass er einst mit Roxy Music und auch solo tolle Songs schreiben konnte.

Mick Jagger (75 Jahre)

Der Sänger der Rolling Stones ist auf der Bühne weiterhin eine Riesenattr­aktion. Das Cover-Album „Blue & Lonesome“(2016) wurde hoch gelobt, die letzte Originalmu­sik der Band erschien 2005 („A Bigger Bang“). Jüngst gab es Indizien für ein neues Stones- oder Jagger-Album 2019.

Elton John (71 Jahre)

Er hat dieses Jahr angekündig­t, sich aus dem Live-Business zurückzuzi­ehen – allerdings noch nicht sofort. Mit guten, wenngleich wenig überrasche­nden Alben wie „The Diving Board“(2013) und „Wonderful Crazy Night“(2016) tut der britische Sänger und Pianist seinem Ruf keinen Schaden an.

Paul McCartney (76 Jahre)

Dem Beatles-Frontmann merkt man an, dass er noch mit jeder neuen Platte nach einstiger Pop-Perfektion strebt. „Egypt Station“kam dem Anspruch dieses Jahr recht nahe. Auch andere späte Alben des Liverpoole­rs oder mutige Experiment­e im Duo The Fireman erhielten viel Respekt von Kritikern und Fans.

Van Morisson (73 Jahre)

Der mit Abstand fleißigste Altrocker. Seit September 2017 hat der Nordire vier (!) Alben mit neuen Aufnahmen veröffentl­icht: Standards aus Blues und Jazz, eigene Songs im neuen Gewand. Wirklich essenziell ist nichts davon – aber es macht immer Spaß, diesem Sänger zuzuhören.

Robert Plant (70 Jahre)

Berühmt geworden als Sänger der Hardrocker Led Zeppelin, hat der Brite solo oft neue Herausford­erungen gesucht. Das Country-Album „Raising Sand“(2007), vor allem aber inspiriert­e Ausflüge in Folk und afrikanisc­he Musik (zuletzt auf „Carry Fire“von 2017), brachten ihm höchstes Lob ein.

Iggy Pop (71 Jahre)

Der „Godfather of Punk“hat ein Comeback-Album mit The Stooges auf der Habenseite („Ready to Die“von 2013). Seine jüngsten Solo-Projekte sind vom Willen geprägt, es den Jüngeren zu zeigen: So nahm er mit Josh Homme von den Alternativ­e-Rockern Queens Of The Stone Age „Post Pop Depression“(2016) auf.

Paul Simon (77 Jahre)

Als Livemusike­r hat er in diesem Sommer Goodbye gesagt. Neuere Studio-Alben wie „Stranger to Stranger“(2016) gehören derweil zu seinen freiesten, besten Werken. Und auf „In The Blue Light“(2018) rückte er ältere eigene Lieder mit erlesenen Jazz-Arrangemen­ts in ein bezaubernd­es neues Licht.

Bruce Springstee­n (69 Jahre)

Seine Solo-Shows am New Yorker Broadway waren dieses Jahr ein Riesen-Event. Die bisher jüngsten Alben mit der grandiosen E Street Band – „Wrecking Ball“(2012) und „High Hopes“(2014) – boten Bewährtes auf hohem Niveau. 2019 soll von ihm endlich ein schon länger avisiertes Songwriter-Album kommen. Vor Weihnachte­n gibt es für Sammler noch das Live-Album „Springstee­n on Broadway“zu erstehen und einen Konzertfil­m zu sehen.

Roger Waters (75 Jahre)

Der Pink-Floyd-Mitbegründ­er ist einer der sperrigste­n, umstritten­sten Rock-Senioren. Das Album „Is This The Life We Really Want?“(2017), mehr noch sein politische­s Engagement gegen Israel und polemische Live-Auftritte verschafft­en ihm zuletzt ein zwiespälti­ges WüterichIm­age.

Neil Young (73 Jahre)

Dem Kanadier ist immer noch ein Meisterstü­ck zuzutrauen. „Psychedeli­c Pill“(2012) war so eines. Seitdem hat der Gitarren-Berserker Archivmate­rial, Überflüssi­ges, Erwartbare­s und einige zornige Polit-Platten herausgebr­acht: ein von emsiger Energie geprägtes Spätwerk.

 ?? FOTO: SOPHIA KEMBOWSKI ?? Masse oder Klasse, Nostalgie oder Neugier? Für Pop- und Rockstars im Rentenalte­r wie Ex-Beatle Paul McCartney gibt es diverse Spätwerk-Optionen in diesem Jahr.
FOTO: SOPHIA KEMBOWSKI Masse oder Klasse, Nostalgie oder Neugier? Für Pop- und Rockstars im Rentenalte­r wie Ex-Beatle Paul McCartney gibt es diverse Spätwerk-Optionen in diesem Jahr.

Newspapers in German

Newspapers from Germany