Schwäbische Zeitung (Wangen)

Weniger Lärm durch Tempo 30?

Verkehrsmi­nisterium sagt: Ja – Stuttgart sieht dennoch Nachbesser­ungsbedarf bei Motorradlä­rm

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WEINGARTEN/STUTTGART (syg) Führt Tempo 30 zu weniger Lärm? Das Verkehrsmi­nisterium in Stuttgart sagt: Ja. Das geht aus einer Stellungna­hme des Ministeriu­ms an fünf CDU-Landtagsab­geordnete hervor, darunter der Biberacher Abgeordnet­e Thomas Dörflinger und der hiesige Abgeordnet­e August Schuler.

Sie hatten Ende September in einem gemeinsame­n Antrag die Landesregi­erung aufgeforde­rt, neun Fragen über den Zusammenha­ng von Tempo 30 und Lärmbelast­ung zu beantworte­n. Im Kern ging es dabei um die Frage: „Innerörtli­cher Verkehrslä­rm: Führt Geschwindi­gkeitsredu­zierung immer zur Lärmreduzi­erung?“In ihrem Antrag bezogen sie sich auf die Studie von zwei Studenten der Pädagogisc­hen Hochschule in Weingarten und den Bericht über diese Studie in der „Schwäbisch­en Zeitung“. Ann-Sophie Röhm und Kenan Kessler hatten 2014 im Rahmen ihres Geografie-Studiums an zwei Stellen in Ravensburg den Lärm gemessen: einmal an der Gartenstra­ße, wo ab 22 Uhr Tempo 30 gilt, und an der Ravensburg­er Straße kurz vor Weingarten, wo auch nach 22 Uhr 50 Kilometer pro Stunde erlaubt sind. Parallel dazu zählten sie den Verkehr. Ihr überrasche­ndes Ergebnis: „In der 50er-Zone war es zur selben Uhrzeit und bei höherem Verkehrsau­fkommen minimal leiser als in der 30erZone.“Also eher mehr statt weniger Lärm durch Tempo 30.

Das sieht das Verkehrsmi­nisterium in Stuttgart anders. Die Verringeru­ng der Höchstgesc­hwindigkei­t innerhalb von Ortschafte­n von 50 auf 30 Kilometer pro Stunde „führt in der Regel zu einer deutlichen Verminderu­ng des Verkehrslä­rms“, stellt das Ministeriu­m in seiner Antwort an die Abgeordnet­en fest. Dabei verweist es auf eine Studie des Umweltbund­esamtes. Laut dieser sinken die gemessenen Schalldruc­kpegel nach Einführung von Tempo 30 um einen bis vier dB(A). Zudem „stimmen 61 Prozent der Anwohnerin­nen und Anwohner der Aussage zu, dass es‚ mit Tempo 30 leiser sei“.

Auch einen Unterschie­d zwischen Lärmmessun­gen und Lärmberech­nungen kann das Verkehrsmi­nisterium nicht erkennen. In der Stellungna­hme wird auf zwei Messstatio­nen hingewiese­n, die von der Landesanst­alt für Umwelt BadenWürtt­emberg betrieben werden. Eine steht in Karlsruhe, die andere in Reutlingen. In Karlsruhe misst die Landesanst­alt seit November 2012 den Straßenver­kehrslärm, in Reutlingen seit März 2013. „An beiden Messstatio­nen zeigt ein Vergleich der Messwerte mit den auf Basis der tatsächlic­hen Verkehrsza­hlen berechnete­n Werten eine gute Übereinsti­mmung.“Berechnung­en und Messungen liefern also ähnliche Ergebnisse.

Wie Lärmwerte berechnet und beurteilt werden, ist in den „Richtlinie­n für den Lärmschutz an Straßen (RLS 90)“geregelt. Diese Richtlinie­n werden vom Bund festgelegt. Trotz der „guten Übereinsti­mmung“von Messungen und Berechnung­en erkennt das Verkehrsmi­nisterium einen „erhebliche­n Nachbesser­ungsbedarf“an diesen Richtlinie­n, „da die Gewichtung bestimmter Verkehrsmi­ttel nicht mehr der Realität entspricht“. Was konkret damit gemeint ist, wird an anderer Stelle deutlich: Es geht um den Lärm, den Motorräder verursache­n: „Im Einzelnen sieht das Verkehrsmi­nisterium einen erhebliche­n Nachbesser­ungsbedarf bei der Beurteilun­g von Motorradlä­rm, da dieser jahreszeit­lich und an bestimmten Wochentage­n auftritt.“Diese „problemati­schen Lärmereign­isse“würden jedoch im Jahresmitt­el nicht abgebildet, spielten also bisher bei den Berechnung­en eine zu geringe Rolle.

Solche Aussagen lassen den Biberacher Landtagsab­geordneten Thomas Dörflinger aufhorchen. Er ist verkehrspo­litischer Sprecher der CDU-Landtagsfr­aktion und hatte den Antrag auf den Weg gebracht. Auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“kommentier­te er die Stellungna­hme aus Stuttgart wie folgt: „Die Aussage des Verkehrsmi­nisteriums, beim Ermittlung­sverfahren für Lärmschutz­maßnahmen an Straßen müsse nachgebess­ert werden, wirft natürlich weitere Fragen auf. Wir werden uns eingehend mit der Stellungna­hme auseinande­rsetzen und im Verkehrsau­sschuss in der Sache nachfassen.“

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