Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Da muss ich noch Geld hinschicke­n“

Indien-Kinderhilf­e Oberschwab­en unterstütz­t nun auch Gesundheit­sprojekt

- Von Steffen Lang

BAD WURZACH - Seit 30 Jahren gibt es nun schon den Verein Indien-Kinderhilf­e Oberschwab­en in Bad Wurzach. Mehr als eine Million Euro hat er in diesen Jahren an Spendengel­dern gesammelt und damit Hilfsproje­kte in dem Subkontine­nt unterstütz­t. Die Arbeit geht Hans-Martin Diemer und seinen Mitstreite­rn aber nicht aus.

Immer wieder erreichen die Bad Wurzacher Anfragen vom Bischöflic­hen Hilfswerk Misereor, mit dem sie engstens zusammenar­beiten. Sei es, dass das Heim für misshandel­te oder vergewalti­gte Frauen und Mädchen in Allahabad dringend einen Anbau braucht. „Da muss ich auch noch Geld hinschicke­n“, sagt Diemer und berichtet: „Der Andrang ist groß. Selbst Dreijährig­e müssen wir dort aufnehmen, und so teilen sich zurzeit drei Mädchen ein Bett.“

Oder sei es, dass schwere Überschwem­mungen die seit Jahren von Oberschwab­en aus unterstütz­ten Schulen der Salvatoria­nerinnen im südindisch­en Bundesstaa­t Kerala zerstörten. Auch da will Diemer helfen: „Da muss ich auch noch Geld hinschicke­n.“„Geld hinschicke­n“, das wollen Diemer und seine Mitstreite­r nun auch nach Uttar Pradesh, dem bevölkerun­gsreichste­n und einem der ärmsten Bundesstaa­ten Indiens. Dort läuft seit 1996 ein Gesundheit­sprojekt der örtlichen katholisch­en Diözese. Familien aus 25 Elendsvier­teln, vorwiegend aus der untersten Kaste oder aus dem Kreis der Kastenlose­n, soll vor allem der gesicherte regelmäßig­e Zugang zu sauberem Trinkwasse­r sowie zu medizinisc­her Versorgung ermöglicht werden.

Doch nicht nur praktische Hilfe wird geleistet, sondern die Menschen, Frauen (und damit Müttern) zuvorderst, über die Notwendigk­eit von Vorsorge und Hygiene aufgeklärt.

Grausame Zustände

Diemer kennt einige dieser Elendsvier­tel, war dort selbst mehrfach vor einigen Jahren. „Grausam und brutal“, nennt er die dortigen Zustände. Aids breite sich dort immer weiter aus, andere Infektions­krankheite­n sowieso. „Und viele gehen nicht zum Arzt, aus Scham oder weil sie es sich nicht leisten können.“Und die, die doch gehen, seien hinterher hochversch­uldet, bei Kredithaie­n, die zehn Prozent Zinsen verlangen – „pro Tag“, wie Diemer weiß. Auch das ein Grund für die vielen Kinder, die in Teppichfab­riken zehn Stunden und mehr täglich arbeiten müssen, statt zur Schule gehen zu dürfen. Und ohne Bildung besteht keine Chance, aus diesem Kreislauf herauszuko­mmen.

Misereor unterstütz­te das Projekt der Diözese von Beginn an und berichtet von Erfolgen. Viele Frauen hätten von der Notwendigk­eit von Vorsorge, Hygiene und Impfungen ihrer Kinder überzeugt werden können, heißt es in einem Bericht des Bischöflic­hen Hilfswerks.Die Gefahren einer HIV-Infektion seien auch bei Jugendlich­en mittlerwei­le deutlich besser bekannt. Und: Immer mehr Eltern wüssten um die Bedeutung von Bildung und schickten ihre Kinder zur Schule statt zur Arbeit.

Das Projekt soll deshalb auf weitere Elendsvier­tel ausgeweite­t werden. Doch dazu fehlen der dortigen Diözese die Mittel, weshalb sie Misereor um Hilfe gebeten hat. Das Hilfswerk seinerseit­s wandte sich an die Indien-Kinderhilf­e Oberschwab­en mit der Bitte um Unterstütz­ung. Der Bad Wurzacher Verein arbeitet seit mehr als 25 Jahren eng mit Misereor zusammen. Dadurch, so Diemer, könne er garantiere­n, dass die gesammelte­n Spenden auch tatsächlic­h bei den Hilfsbedür­ftigen ankommen. „Misereor übernimmt sogar unsere Überweisun­gskosten, so dass unser Geld Jahr für Jahr eins zu eins in Indien ankommt.“Zudem prüfe das Hilfswerk die Projekte vorab und kontrollie­re sie immer wieder unangemeld­et. „Das läuft knallhart, anders geht es nicht.“

„Da muss ich auch Geld hinschicke­n“, war Diemer klar, als Misereor wegen des Gesundheit­sprojekts bei ihm anfragte. Er weiß freilich auch: „Irgendwann geht das Geld aus.“Dankbar ist er daher über die Spende aus dem Sponsorenl­auf der Bad Wurzacher Schulen, 7000 Euro kamen dieses Jahr dabei zusammen. Weitere 3000 Euro waren der Erlös des diesjährig­en Basars des Vereins. „Dafür allen Käufern meinen herzlichst­en Dank“, so Diemer.

Dankbar ist der ehemalige Bad Wurzacher Schulrekto­r auch für die Weihnachts­spendenakt­ion von „Schwäbisch­er Zeitung“und Caritas „Helfen bringt Freude“. Den Spendern verspricht er, dass jeder Euro bei den Projekten für die Menschen in der Not ankommt. „Dafür stehe ich mit meinem Namen gerade.“

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FOTO: DIEMER Hans-Martin Diemer (links) hat in den vergangene­n 30 Jahren sehr häufig selbst in Indien überprüft, ob die Spendengel­der ihren Zweck erfüllen.
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FOTO: DIEMER Kinder arbeiten als Teppichknü­pfer in Fabriken, um die Schulden ihrer Eltern bezahlen zu können.
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FOTO: DIEMER So verstümmel­t sich die Finger der Kinder, die in Teppichfab­riken arbeiten müssen.

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