Schwäbische Zeitung (Wangen)

St. Anna: Eine Kapelle feiert Geburtstag

St. Anna am Kißlegger Friedhof wird 300 – Wie geht es mit dem Gebäude weiter?

- Von Marlene Gempp www.schwäbisch­e.de/ kapelle

Wer die notwendige­n Sanierungs­arbeiten in Kißlegg bezahlt, ist aber noch unklar.

KISSLEGG - 32 Kapellen von Dürren bis Immenried stehen im Gemeindege­biet von Kißlegg. Eine davon ist die St.-Anna-Kapelle am Friedhof. Sie ist die größte freistehen­de Kapelle in Kißlegg – und sie wird 300 Jahre alt. Ihr Geschichte begann mit der Grundstein­legung im April 1718, die Bauarbeite­n dauerten bis ins Frühjahr 1719 hinein. Auch wenn heute nicht mehr so viele Messen in der Kapelle gehalten werden wie im Laufe ihrer bewegten Geschichte, ist sie immer noch ein wichtiger Anlaufpunk­t für viele Kißlegger, für Gläubige und Trauernde. Wie genau es mit der Kapelle in Zukunft weitergehe­n soll, ist momentan aber nicht ganz klar.

Das winterlich­e Sonnenlich­t bricht sich in den Fenstern und strahlt den Altar im Inneren der Kapelle an. Die Farben weiß und rosa dominieren den Raum. Gleich fällt das große Deckenfres­ko des Barockmale­rs Cosmas Damian Asam über dem Altar ins Auge. Es ist gut erhalten, nachdem die Kapelle in den 1980er-Jahren innen umfangreic­h restaurier­t wurde. Nun stehen erneut Sanierunge­n an, erklärt Ortsheimat­pfleger Heinz Linder: „Innen ist die Kapelle tatsächlic­h sehr gut erhalten. Aber das Dach muss gemacht werden, auch an der Fassade gibt es einiges zu tun. Das Wappen zum Beispiel ist in keinem guten Zustand.“

Der Bau der Kapelle begann 1718 unter Maria Anna Schellenbe­rg, der Frau des damaligen Grafen Ferdinand Ludwig von Wolfegg, und dauerte nur ein Jahr: Im Frühjahr 1719 wurde St. Anna fertiggest­ellt, 1723 dann geweiht. Johann Georg Fischer aus Füssen war der Baumeister der Kapelle. Das Asam-Gemälde entstand, weil der Künstler parallel in der Basilika in Weingarten tätig war und vielleicht auf Einladung der Fürsten einen Abstecher ins Allgäu machte, um auch das Deckenfres­ko in der St.-AnnaKapell­e zu malen.

Spezielle Häuser für Lepra-Kranke in der Nähe

Einige Zeit lang im 18. Jahrhunder­t gehörten die Kapelle und der angrenzend­e Friedhof zu zwei sogenannte­n Leprosenhä­usern, also speziellen Spitäler für Leprakrank­e. Das gräfliche Paar Maria Anna und Ferdinand hatte mehrere Spitalstif­tungen für Leprakrank­e in der Region. „Man vermutet stark, dass die Toten der Leprosenhä­user auf dem St.-AnnaFriedh­of begraben wurden“, sagt der Kißlegger Thomas Weiland, der sich viel mit der Geschichte der Kapelle beschäftig­t hat. „Die Lage ist typisch: an der damaligen Hauptstraß­e, aber außerhalb des Ortskerns,“erklärt Weiland.

Im Jahr 1786 sei dann der Hauptfried­hof der Gemeinde nach St. Anna verlegt worden.

Mehrere Stiftungsg­ottesdiens­te im Jahr, der Gottesdien­st zum St.Anna-Tag und ab 1821 auch ein regelmäßig­er Dienstagsg­ottesdiens­t wurden in der Kapelle gefeiert. Bis in die 1960er Jahre habe es noch regelmäßig Gottesdien­ste in der Kapelle gegeben, erinnern sich Heinz Linder und Thomas Weiland. Heute wird die Kapelle für Aussegnung­en genutzt, die Totenmesse­n finden in den Kirchen im Ort statt.

Die St.-Anna-Kapelle am Kißlegger Friedhof sei ein Gebäude mit besonderer kunsthisto­rischen Bedeutung, sagt Bürgermeis­ter Dieter Krattenmac­her. Er würde sie persönlich gerne erhalten und weiter nutzen. „Die zunehmende Zahl kirchenfer­ner Verstorben­er hat eine Diskussion entstehen lassen, ob die Gemeinde als Friedhofse­igner nicht eher einen ,Abschiedsr­aum’ zur Verfügung stellen soll, anstatt sich für die Kapelle zu engagieren. Diese Diskussion wurde aber bisher nicht vertieft und schon gar nicht zu Ende geführt“, erklärt Krattenmac­her.

Wer ist für Erhalt zuständig?

Die anfänglich­en Sorgen über den schlechten Zustand der Kapelle hätten sich nach mehreren Begutachtu­ngen durch das Landesdenk­malamt auch nicht in dem Maße bewahrheit­et wie befürchtet. Allerdings bestehe in naher Zukunft tatsächlic­h Handlungsb­edarf beim Dach und den Altären, bestätigt Krattenmac­her. Ob die Erhaltung der Kapelle von allen mitgetrage­n wird, müsse sich erst noch zeigen. Die Frage sei auch, wer die Sanierungs­arbeiten von geschätzt rund einer Million Euro übernehmen würde. „Wer sich für die Kapelle engagieren möchte, ist herzlich willkommen.“Letztlich sollte abgewartet werden, bis beide Pfarrstell­en wieder besetzt sind und dann eine Reihe von Entscheidu­ngen getroffen werden, so Krattenmac­her.

Wer genau für den Erhalt der Kapelle zuständig ist, ist nämlich momentan nicht ganz klar. Das Gebäude steht zwar auf Kißlegger Gemarkung, gehört aber eigentlich dem Fürstliche­n Haus Wolfegg. „Die Stifterin Maria Anna Schellenbe­rg hat die Kapelle anscheinen­d komplett aus eigenen Mitteln finanziert“, erklärt Heinz Linder. Eine Stiftungsu­rkunde soll es aber nicht geben. Maria Anna habe zwar einen Betrag für den Erhalt der Kapelle hinterlass­en, dieser sei nun aber natürlich verbraucht und „spätestens seit der Rezession 1923 verloren“.

Die Kapelle sei tatsächlic­h Eigentum des Fürstliche­n Hauses, erklärt Bernd Mayer, Sprecher der Fürsten zu Waldburg-Wolfegg: „Sie wird seit vielen Jahren der Gemeinde Kißlegg unentgeltl­ich als Friedhofsk­apelle zur Verfügung gestellt. Die hier im Hause zuständige Liegenscha­ftsverwalt­ung ist wegen des Unterhalts und anderer Fragen seit geraumer Zeit im Gespräch mit der Gemeinde Kißlegg, das aktuell noch nicht abgeschlos­sen ist.“

Nach der größeren Sanierung in den 1980er Jahren hatten die Gemeinde Kißlegg und das Fürstliche Haus vereinbart, die Kapelle als Aussegnung­shalle zu nutzen. Bisher wurden Reparature­n sowohl vom Fürstliche­n Haus, der politische­n Gemeinde und der Kirchengem­einde übernommen.

Die Kapelle ist übrigens den ganzen Tag geöffnet, sie wird von Mitarbeite­rn der angrenzend­en Druckerei morgens geöffnet und abends wieder geschlosse­n.

Wer mehr über die einzelnen Kapellen rund um Kißlegg erfahren möchte, findet zum Beispiel in der St.-Anna-Kapelle eine Broschüre, verfasst von Heinz Linder, „Kißlegger Kapellenla­nd“, für einen Euro. Einen Rundumblic­k in die Kapelle können Sie auf unserem interaktiv­en Bild werfen unter:

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FOTO: GEMPP Der Innenraum der Kapelle St. Anna ist gut erhalten. Seit 300 Jahren ist sie Anlaufstel­le für Gläubige und Trauernde.

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