Schwäbische Zeitung (Wangen)

Drei Tote bei Familiendr­ama in Heidelberg­er Hochhaus

Ein lauter Knall schreckt in der Nacht die Bewohner auf: SEK-Beamte verschaffe­n sich Zutritt zu einer Wohnung, finden eine tote Familie – und die Pistole des Vaters

- Von Wolfgang Jung und Susanne Kupke

HEIDELBERG (lsw) - Vom Aufzug sind es nur wenige Schritte durch den gelb gestrichen­en Flur zur Wohnung im 15. Stock. Die Tür trägt Spuren des nächtliche­n Einsatzes eines Spezialein­satzkomman­dos (SEK). Der Rahmen ist in Höhe des Schlosses wie gesprengt, Teile der Verkleidun­g hängen herab. Zwei Polizisten sichern den Tatort, die angelehnte Tür verwehrt den Blick ins Innere.

In der Hochhauswo­hnung im Stadtteil Emmertsgru­nd müssen sich am späten Dienstagab­end dramatisch­e Szenen abgespielt haben. Ein 71-Jähriger soll hier seine Frau (73) und den Sohn (43) erschossen und sich dann selbst getötet haben.

Warum? Das bleibt zunächst im Dunkeln. Hausmeiste­r Ingo Ellerold ist am Morgen danach immer noch wie geschockt. Kurz vor Mitternach­t klingelt ihn die Polizei raus. Das SEK steht vor der Tür. Es muss aufs Dach. „Ich habe aufgesperr­t und dann haben die das eingenomme­n“, schildert er den nächtliche­n Einsatz. Ellerhold ist vor allem der „Schlag“durch die Blendgrana­te der Polizei in Erinnerung: „Ich dachte, die wollen die obere Etage sprengen.“

Anwohner zählen an die 20 Polizeifah­rzeuge, jede Menge Polizisten und mehrere Rettungswa­gen. Sie sehen Einsatzkrä­fte mit schwarzen Helmen und Schutzwest­en und Polizeihun­de. Ein Hubschraub­er kreist.

„Das war wie im Krieg, wie im Film“, sagt Agron Dinarica aus dem zweiten Stock. Der 32-Jährige kam vom abendliche­n Einkauf zurück und wollte nach Hause. „Die Polizei hatte das Haus aber abgesperrt. Die Familie war allein im Haus, ich hatte Angst.“Ein Bewohner aus dem neunten Stock dachte im ersten Moment an einen Terroransc­hlag.

Gegen 0.30 Uhr hören Be- und Anwohner einen lauten Knall. Das Spezialein­satzkomman­do hat die Tür zur Wohnung im 15. Stock aufgebroch­en. Gut zweieinhal­b Stunden, nachdem der Notruf einer Anwohnerin einging – sie hatte Schüsse gehört – finden die Einsatzkrä­fte drei Tote. Und eine Pistole. Der mutmaßlich­e Täter hatte eine Waffenbesi­tzkarte, also eine Genehmigun­g zum Kauf und Besitz von erlaubnisp­flichtigen Waffen.

Hausmeiste­r Ellerhold meint sich zu erinnern, dass jemand aus der Familie im Schützenve­rein war. Soweit er wisse, lebten die Eltern allein in der Vier-Zimmer-Eigentumsw­ohnung. Der Sohn wohnte nach Angaben der Ermittler nicht bei den Eltern. Ein Bild aus der Nacht geht Ellerhold jetzt noch nach: „Ein Toter lag direkt hinter der Wohnungstü­r, ich habe die Beine gesehen, das war gruselig.“Der Hausmeiste­r sagt, dass die Polizei in dem Mehrfamili­enhaus schon öfter im Einsatz war. Aber die getöteten Rentner hat er in guter Erinnerung: „Die Familie war eigentlich nett.“

Das Viertel gilt als sozialer Brennpunkt. Vereinzelt blinken weihnachtl­iche Lichter, einige Fenster und Balkone sind geschmückt. Hier, wo weitgehend gesichtslo­se Betonbaute­n sich aneinander­reihen, ist die berühmte „Romantikst­adt Heidelberg am Neckar“weit weg.

Am Morgen danach ist der Bereich um das Hochhaus noch großräumig abgesperrt. Für die meisten geht das Leben an diesem tristen Mittwoch einfach weiter. Am Tatort suchen Kriminalte­chniker derweil noch nach Hinweisen für den Grund des Familiendr­amas.

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FOTO: DPA Der Tatort in Heidelberg: In diesem Hochhaus wurden drei Leichen gefunden.

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