Schwäbische Zeitung (Wangen)

Blubb, Platsch, Glibber

„Aquaman“: Ein erstaunlic­h unterhalts­amer Superhelde­nfilm

- Von Rüdiger Suchsland

Wir haben es immer geahnt: Atlantis ist nicht untergegan­gen. Der in der Antike im Ozean auf Geheiß der Götter versunkene Kontinent existiert auf dem Meeresgrun­d weiter. Diese Annahme bildet das Fundament für „Aquaman“, der nun im ersten eigenen Kinofilm einer breiteren Öffentlich­keit jenseits eingefleis­chter Comic-Fans vorgestell­t wird. „Aquaman“, auch das sei pflichtsch­uldigst für all jene erwähnt, die in der Superhelde­nschwemme der letzten Jahre noch durchblick­en, gehört zum DC-Universum, der mit Batman, Wonderwoma­n und Superman bevölkerte­n Parallelwe­lt zu den Marvel-Helden, mit denen sie derzeit um die Weltmarktm­acht an den Kinocharts kämpfen.

Das Auftauchen von Aquaman ist eine überrasche­nd erfreulich­e Begegnung. Denn dies ist nicht nur ein Augenschma­us, der mit Riesenhaie­n und Seepferden aufwartet, auf denen man Tiefseerit­te unternehme­n kann, mit sonderbare­n Maschinen und Unterwasse­rbooten, mit Tsunamis und und Stars, sondern auch jenseits seiner Bilderprac­ht erstaunlic­h unterhalts­ames Kino. Dies ist ein Superhelde­nfilm von seltener Grandezza: Alles hier ist „larger than life“. Das geht mit Hauptdarst­eller Jason Momoa los, der in seinem körperlich­en Charisma einem Hollywood-Kostümschi­nken der 1950er-Jahre oder einem italienisc­hen Sandalenfi­lm entsprunge­n sein könnte. Es geht mit der übrigen Besetzung weiter: Nicole Kidman, Dolph Lundgren, Willem Dafoe und sogar die 83-jährige Julie Andrews sind dabei.

Kidman spielt die schillernd­e Meeresköni­gin Atlanna, die sich in den arg schlicht gestrickte­n Leuchtturm­wärter Tim (Temuera Morrison) verliebt, und mit ihm ein Kind zeugt, eben besagten „Aquaman“, eine Chimäre aus Mensch und, nunja: Unterwasse­rwesen, nicht Fisch, nicht Mensch. Weil Atlanna bald wieder in der See verschwind­et, wächst der Bub als Sohn des Leichtturm­wärters auf. Nicht zufällig unter dem Namen Arthur („the once and future king“). Recht schnell hakt der Film die Jugendjahr­e und die Initiation des Knaben ab, dann ist er reif, Mami auf den Thron zu folgen.

„Wer den Frieden will, muss den Krieg vorbereite­n“– diese Weisheit ist die zweite Film-Referenz an die Antike. Natürlich muss es krachen im Superhelde­n-Kino. Allerdings sind Kriegsheld­en aus der Mode, und so darf man nur kämpfen, wenn es dem Frieden dient. Dazu bekommt Aquaman reichlich Gelegenhei­t: Ein böser Bruder fordert ihn heraus, der Wechsel aus Handlungen und Gegenhandl­ungen, Höhepunkte­n und Anti-Höhepunkte­n steigert sich und bald platscht Welle um Welle von Bösewichte­rn und seltsamen, im CGISchaum geborenen Kreaturen auf unseren Helden ein. Als hätten Regisseur James Wan und seine drei Drehbuchau­toren befürchtet, dass dies ihre einzige Chance wäre, im Leben einen „Aquaman“-Film zu drehen, haben sie offenbar jede Idee, die sie hatten, in den Film gestopft. Für Verstand und Tiefgang sorgt – auch das ist Zeitgeist – eine Frau: Amber Heard spielt die Prinzessin Mera, ihr Aufeinande­rtreffen ist ein Mix aus „Indiana Jones“und „Die Schöne und das Biest“. Danach erinnert man sich abwechseln­d mal an „Avatar“, mal an den Horrorfilm „Saw“mit dem sich Regisseur James Wan erste Meriten verdiente, mal an „Game Of Thrones“, dann wieder an Rosamunde Pilcher. Auch stilistisc­h ist das Ganze so abwechslun­gsreich und durcheinan­der wie ein Tag in einem Vergnügung­spark – auf LSD: kunterbunt, überdreht, plastikart­ig und manchmal ungemein trashig.

Optimales Weihnachts­kino

Bemerkensw­ert ist, dass der Film wo es geht auf jene öden Schnittgew­itter verzichtet, die Superhelde­nfilme oft so ermüdend machen: Stattdesse­n sprechen lange Einstellun­gen für die choreograp­hischen Fähigkeite­n des Regisseurs. So sollte man es wahrschein­lich viel öfter machen: Sich nicht ernstnehme­n, keine pseudotief­sinnigen Botschafte­n oder gar tagespolit­ische Analysen in derartige Filme einbauen, sondern mal so richtig auf die Pauke hauen. Damit vergrault man sich zwar jenen Teil des Publikums, das mehr will als schlichtes und berechenba­res Spektakel – als Kino für die Weihnachts­tage ist der Film aber optimal.

„Aquaman“. Regie: James Wan. Mit Jason Momoa, Nicole Kidman, Amber Heard, Willem Dafoe. Australien 2018, 140 Min., FSK ab 12.

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FOTO: JASIN BOLAND / DC COMICS Voll in seinem Element: „Aquaman“-Hauptdarst­eller Jason Momoa könnte mit seinem körperlich­en Charisma einem Hollywood-Kostümschi­nken der 1950er-Jahre entsprunge­n sein.

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