Schwäbische Zeitung (Wangen)

Beamte bespuckt, getreten und beleidigt

Amtsgerich­t verurteilt Oberallgäu­erin zu einem Jahr auf Bewährung – Therapie als Auflage

- Von Jochen Sentner

KEMPTEN - Unter Tränen bat die Angeklagte um Entschuldi­gung. Doch nach mehrfachen Entgleisun­gen in den vergangene­n Monaten wollten die als Zeugen geladenen Polizisten davon nichts wissen. Die 35-Jährige hatte Beamte in drei Fällen beleidigt und bespuckt, Widerstand geleistet und dabei nach ihnen geschlagen und getreten. Ein Jahr Gefängnis verhängte das Amtsgerich­t gestern. Gegen Auflagen wurde die Strafe zur Bewährung ausgesetzt.

Suizidgeda­nken hatte die Oberallgäu­erin im April gegenüber einer Ärztin im Bezirkskra­nkenhaus geäußert. Daraufhin fuhren zwei Streifen zu ihrem Wohnort. Deren Ankunft versetzte die Frau bereits in Rage. Nach gutem Zureden gelang es den Beamten, sie nach Kempten zur Klinik zu bringen, wo sie ja ursprüngli­ch aus freien Stücken hinwollte. Dort wehrte sie sich dann aber massiv gegen die Einweisung in die geschlosse­ne Abteilung.

Die Beleidigun­gen, die die Angeklagte dabei ausstieß, sind allesamt nicht druckreif. Eine Polizistin berichtete von dem Ekel, der sie heute noch befalle, wenn sie daran denke, wie ihr die Frau gezielt ins Gesicht gespuckt habe. Dazu kam die Sorge, sich bei der Drogenkons­umentin eine ansteckend­e Krankheit einzufange­n. Eine Untersuchu­ng auf Infektione­n ergab keinen Befund.

Nicht viel angenehmer verliefen weitere Begegnunge­n der Polizisten mit der Angeklagte­n. Im Mai wollte sie nachts als Bedienung in einer Kneipe weder die Musik leiser drehen, noch ihre Personalie­n angeben. Bis sie in der Arrestzell­e gelandet war, mussten die Polizisten wieder Gewalt anwenden und sie fesseln. Bei der Festwoche ein ähnliches Bild: Die Eingangsko­ntrollen akzeptiert­e die Frau nicht. Auf der Festwochen­wache waren wieder mehrere Kräfte nötig, sie zu bändigen, manche trugen blaue Flecken und Kratzer davon. Wieder sperrte sich die zierliche 35-Jährige nach Leibeskräf­ten.

Angstzustä­nde, Depression­en, Entzugsers­cheinungen machte der Verteidige­r in einer Erklärung für seine Mandantin geltend. Wieso sie derart ausgeflipp­t sei, könne sie sich selbst nicht erklären. Mischungen aus Kokain, Cannabis, Antidepres­siva und Alkohol seien wohl mit ein Grund. Vor zwei Jahren hatte die Hotelfachf­rau ihren Job verloren, die Beziehung ging in die Brüche, aus der Wohnung musste sie raus. „Da habe ich den Boden unter den Füßen verloren“, schluchzte sie.

Dass es so nicht weitergehe, habe die mehrfach Vorbestraf­te eingesehen, versichert­e ihr Anwalt. Im Oktober habe sie sich drei Wochen stationär im BKH Kaufbeuren behandeln lassen. Eine zehnmonati­ge Therapie sei vorbereite­t. Das hielt der Staatsanwa­lt der Angeklagte­n zugute, genauso wie ihr Geständnis. Er plädierte auf eine Freiheitss­trafe von insgesamt zwölf Monaten. Bewährung sollte nur gewährt werden, wenn sie die Therapie durchhält. Der Verteidige­r hielt zehn Monate für angemessen, wollte vor allem, dass das Gericht von einer Geldauflag­e absieht.

Richter Sebastian Kühn bezeichnet­e in seinem Urteil ein Jahr Freiheitss­trafe als „notwendig aber auch ausreichen­d“. In den kommenden vier Jahren darf sich die Oberallgäu­erin allerdings nichts zuschulden kommen lassen. Und die Therapie ist bis zum Abschluss Pflicht.

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