Schwäbische Zeitung (Wangen)

Angeklagte­r aus dem Landkreis Lindau wittert eine Verschwöru­ng

Er soll unter falschem Namen Schadeners­atz gefordert haben – 2000 Euro Geldstrafe

- Von Julia Baumann

LINDAU - Der Fall ist mehr als skurril: Ein Mann und eine Frau haben sich über Monate hinweg eingefrore­ne Lebensmitt­el durch halb Deutschlan­d geschickt. Als Absender haben sie Adressen von Menschen angegeben, die überhaupt nichts davon wussten. Im Namen einer dieser Frauen soll der Angeklagte dann eine Schadenser­satzforder­ung an die Post geschickt haben. Während alle Indizien auf ihn deuteten, witterte der 50Jährige eine Verschwöru­ng gegen sich.

Begonnen hat alles vor ein paar Jahren, als sich der Angeklagte und eine heute 48-jährige Frau aus dem Landkreis Lindau im Internet kennengele­rnt haben. Eine Freundscha­ft entstand, die beiden begannen, sich Lebensmitt­el und ganze Gerichte zu schicken, die sie vorher eingefrore­n hatten. Über eine Distanz von mehr als 600 Kilometern.

Als Absender gaben der Angeklagte und seine Freundin nicht ihre eigene Adresse an, sondern die eines Bekannten des jeweiligen Empfängers. „Damit das Paket, wenn irgendwas ist, nicht wieder den ganzen Weg zurückgesc­hickt wird“, erklärte die 48-jährige Zeugin.

Im Herbst 2016 lief dann tatsächlic­h mit einem Paket etwas schief: Der Postweg dauerte länger als geplant, die Lebensmitt­el tauten auf. Ein paar Tage später bekam eine Bekannte der 48-jährigen Zeugin eine Entschuldi­gung der Post, weil ihr Paket ausgeräumt werden musste – und einer Mitteilung, dass der entstanden­e Schaden nicht erstattet werden könne. Kurz darauf stand ein leeres Paket vor ihrer Tür. „Der Absender war meine Adresse, was ich bis dato nicht wusste“, sagte die Zeugin aus.

Ein Anruf ihrer Bekannten brachte zumindest ein bisschen Klarheit. „Sie sagte, ich solle das Paket entgegen nehmen, sie würde es dann bei mir abholen.“Die 48-Jährige war offenbar davon ausgegange­n, dass ihre Bekannte damit einverstan­den war, dass deren Adresse auf den Paketen ist. „Eine Woche später hat sie mir den Entwurf für ein Schadenser­satzschrei­ben gegeben“, sagte die Zeugin aus. Verfasst hatte das Schreiben, in dem es um 170 Euro Forderunge­n ging, der 50-jährige Angeklagte. Er selbst konnte den Schaden ja nicht geltend machen. „Ich habe gesagt, dass ich das nicht möchte“, sagte die Zeugin aus. Damit sei die Sache für sie dann endgültig geklärt gewesen. Bis ein Antwortsch­reiben von DHL bei ihr eintraf. Auf die Forderung, von der sie dachte, dass sie nie abgeschick­t worden war. Weil auch ihre Bekannte nichts von einer tatsächlic­h versendete­n Forderung wusste, war für die Zeugin schnell klar: Der Angeklagte hatte das Schreiben in ihrem Namen heimlich verschickt. Sie erstattete Anzeige.

Für die Polizei gestaltete­n sich die Ermittlung­en nicht einfach: Zum einen ließ sich nicht mehr nachvollzi­ehen, von wo das Forderungs­schreiben an die Post verschickt wurde. Zum anderen war auf dem Schreiben eine Kontonumme­r angegeben, die keinem der Beteiligte­n zugeordnet werden konnte.

Was daran lag, dass sie auch keinem der Beteiligte­n gehörte. Der Angeklagte hatte offenbar die Kontonumme­r eines weiteren Freundes in seinem Heimatort eingetrage­n. „Diese Kontonumme­r wurde schon öfter für Spenden benutzt“, sagte ein Polizist aus. So hatte der Angeklagte die Nummer einmal an all seine 600 Facebookfr­eunde verschickt um Spenden zu sammeln für ein Elektrofah­rrad. Ebenfalls, ohne es mit dem Kontoinhab­er vorher abzusprech­en. Der Angeklagte wollte seinem Bekannten so angeblich Schulden zurückzahl­en. Sein eigenes Konto habe der 50-Jährige, der von Grundsiche­rung lebt, aus Steuergrün­den nicht angeben können.

Dass er selbst die Kontonumme­r überall verteilt hatte, war für den Angeklagte­n ein Argument, warum auch jeder andere die Schadenser­satzforder­ung an die Post hätte schicken können. Er sah hinter der Gerichtsve­rhandlung eine große Verschwöru­ng, ausgehend von der Frau, in deren Namen die Schadenser­satzforder­ung verschickt wurde. „Sie hasst mich, und jetzt muss ich halt wieder weg.“

Als Grund für diesen Hass sah der Angeklagte, der mittlerwei­le in den Landkreis Lindau gezogen ist, Eifersücht­eleien der Zeugin. Denn schließlic­h habe er ihr ihre einzige Freundin ausgespann­t. Aus diesem Grund rede sie hinter seinem Rücken schlecht über ihn. „Das hat bewirkt, dass Leute ganz konkret Angst haben vor mir“, sagte er. Auch andere Leute in und um Lindau würden ihn gezielt schlecht machen und ihm damit seine ehrenamtli­che Arbeit erschweren.

„Ich mag ihn tatsächlic­h nicht“, gab die Zeugin während der Verhandlun­g ohne Umschweife zu. In die Pfanne gehauen habe sie den Angeklagte­n deswegen aber nicht. Dieser Überzeugun­g war auch Amtsgerich­tsdirektor­in Brigitte Grenzstein. „Die Beweisaufn­ahme hat in seltener Klarheit ergeben, dass Sie es waren“, sagte sie in ihrem Urteil. In fremdem Namen Päckchen zu versenden, sei schlicht dreist. Ebenso, wie die Kontonumme­r von jemandem zu benutzen, der davon nichts wisse. Sei verurteilt­e ihn wegen Datenfälsc­hung zu 80 Tagessätze­n von je 25 Euro. Das Urteil ist nicht rechtskräf­tig. Der Angeklagte hat Berufung eingelegt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany