Noch ein Tiefschlag
Schwimm-Verband plötzlich ohne Bundestrainer
BERLIN (SID/dpa) - Die Tränen seiner Töchter Line (sieben Jahre) und Rubi (ein Jahr) verfolgten Henning Lambertz bei jedem Wettkampf. „Wenn die Kinder auf deinen Koffern sitzen und dich anbetteln: ,Bitte geh’ nicht!‘, dann ist das nur schwer zu ertragen“, weiß Lambertz. Deshalb traf er „die schwerste Entscheidung meiner Karriere“: Er trat jetzt völlig überraschend als Bundestrainer zurück und versetzte dem krisengeschüttelten Deutschen Schwimm-Verband (DSV) einen weiteren Tiefschlag.
Dass seine „Freundin und Mentorin“Gabi Dörries seit zwei Wochen keine Verbandspräsidentin mehr ist, sei „das Zünglein an der Waage“gewesen. „Im Schulterschluss haben wir sechs Jahre hervorragend zusammengearbeitet. Ich habe zu Gabi immer gesagt: ,Wenn du einmal aufhörst, dann gilt das auch für mich‘“, verriet der 48-Jährige. Dörries war beim Verbandstag wegen ihres nicht zur Abstimmung gebrachten Finanzkonzepts zurückgetreten, jetzt folgt ihr der Bundestrainer. Anderthalb Jahre vor den Olympischen Spielen in Tokio sind damit im DSV die zwei wichtigsten Posten nicht besetzt. Einen direkten Nachfolger für Lambertz wird es bis zu den Sommerspielen 2020 nicht geben; seine Aufgaben werden „in einem kompetenten Trainer- und Expertenteam auf mehrere Schultern verteilt“, erklärte DSV-Leistungssportdirektor Thomas Kurschilgen.
Lambertz war nach dem miserablen Olympia-Auftritt 2012 vom Bundesstützpunkttrainer in Essen zum Chef-Bundestrainer Schwimmen aufgestiegen und hatte ein ehrgeiziges Ziel formuliert: Er wolle Deutschland wieder zur Schwimmnation Nummer 1 in Europa machen. Davon sind Marco Koch und Co. weit entfernt, auch wenn die erfolgreiche EM im vergangenen Sommer in Glasgow Anlass zur Hoffnung gab. Bei Olympia in Rio blieb das Becken-Team aber auch unter Lambertz medaillenlos, zudem gab es immer wieder Reibereien mit Heimtrainern und Athleten, zuletzt wegen des umstrittenen Kraftkonzepts, der harten Normen und der zunehmenden Zentralisierung. Lambertz ist mit seiner Arbeit dennoch zufrieden. „Ich denke, wir haben in den letzten sechs Jahren an den richtigen Stellschrauben gedreht“, sagt er. „Ich übergebe ein Team, das zusammengewachsen und dichter an die Weltspitze gerückt ist.“Er selbst wird weiter ein kleiner Teil davon sein, denn die Trainingssteuerung von ExWeltmeister Koch wird Lambertz bis Tokio fortsetzen. Und Line und Rubi? „Sie sind mir um den Hals gefallen.“