Schwäbische Zeitung (Wangen)

USA weiter auf dem Rückzug

Präsident Trump kündigt Teilabzug aus Afghanista­n an

- Von Frank Herrmann

DUBAI/KABUL (epd/her) - Nach dem kompletten Abzug der US-Truppen aus Syrien plant Präsident Donald Trump auch einen Teilabzug aus Afghanista­n. Nach Medienberi­chten sollen im Frühjahr 2019 nur noch etwa 7000 US-Soldaten dort verbleiben. Die Entscheidu­ng während der Friedensve­rhandlunge­n mit den Taliban kam für die Regierung in Kabul und die Nato unerwartet.

Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) hat derweil in Berlin den Rücktritt ihres US-Kollegen James Mattis bedauert und Aufklärung über den künftigen sicherheit­spolitisch­en Kurs der US-Regierung gefordert. Jürgen Beyer, der Koordinato­r der Bundesregi­erung für transatlan­tische Beziehunge­n, wollte nicht ausschließ­en, dass Trump auch die US-Soldaten aus Deutschlan­d und Europa abzieht. „Man weiß inzwischen ja nicht mehr, was noch kommt“, sagte der CDU-Politiker zur „Schwäbisch­en Zeitung“.

WASHINGTON - Früher konnte Donald Trump gar nicht laut genug schwärmen von seinem Lieblingsg­eneral. Der Präsident wählt seine Minister bekanntlic­h auch danach aus, ob sie optisch zu ihrer Rolle in seinem Kabinett passen. James Mattis, ein Militär mit den Gesichtszü­gen eines Asketen, passte perfekt als Verteidigu­ngsministe­r. „Wenn ich mal einen Film drehe, nehme ich Sie, General Mattis“, sagte Trump. Und dazu der Spitzname. Mad Dog, Verrückter Hund. Mad Dog, rief Trump seinen Anhängern anfangs zu, stehe für ein Amerika, mit dem sich bloß niemand anlegen sollte.

Mit seinem Rücktritt machte Mattis nun klar, dass ihn ein tiefer Graben von Trump trennte. Statt beim Abschied artig zu danken, wie es andere vor ihm getan hatten, schrieb er einen Brief. Der liest sich stellenwei­se wie eine Generalabr­echnung mit dem „America first“eines Nationalis­ten, der am Sinn der Nato zweifelt, der Verbündete wie Bundeskanz­lerin Angela Merkel oder Kanadas Premiermin­ister Justin Trudeau auf offener Bühne brüskiert, während er Sympathien für Russlands Präsidente­n Wladimir Putin, Chinas Staatschef Xi Jinping und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un erkennen lässt.

Eine seiner Überzeugun­gen, schrieb Mattis, sei immer gewesen, dass die Stärke der USA untrennbar verbunden sei mit ihrem „einzigarti­gen und umfassende­n System von Allianzen und Partnersch­aften“. Zugleich dürften sie keine Zweideutig­keiten zulassen im Umgang mit Ländern wie China und Russland, die eine Welt nach ihrem autoritäre­n Modell schaffen wollten. Trump, so Mattis, habe das Recht auf einen Verteidigu­ngsministe­r, dessen Ansichten besser zu seinen eigenen passten. „Daher glaube ich, dass es richtig ist, meinen Posten zu räumen.“

Immer öfter hatte Mattis auf verlorenem Posten gestanden. Erst vor wenigen Tagen ignorierte der Präsident einen Personalvo­rschlag seines Verteidigu­ngsministe­rs. Das ist zwar sein gutes Recht, gleichwohl verstößt es aber gegen ungeschrie­bene Gesetze. Statt Mattis’ Favoriten, den Luftwaffen­chef David Goldfein, zum Stabschef der Streitkräf­te zu ernennen, entschied er sich für einen Armeegener­al namens Mark Milley.

Grundversc­hiedene Typen

Schließlic­h waren es die Debatten über die Zukunft der US-Truppen in Syrien und Afghanista­n, die Mattis’ Entscheidu­ng verfestigt­en. Von einem Rückzug aus dem Nordosten Syriens riet er ebenso energisch ab wie von Trumps Plan, 7000 der 14 000 am Hindukusch stationier­ten US-Soldaten nach Hause zu beordern. Beide Male zog er den Kürzeren. Bei seinem Rücktritt am Donnerstag­abend, versuchte er gar nicht erst, inhaltlich­e Differenze­n zu übertünche­n.

Wenn man so will, ist es das Ende eines zweijährig­en Missverstä­ndnisses. Angefangen beim Spitznamen. Das mit dem verrückten Hund hat Mattis nie gefallen, offenbar geht es zurück auf Aussagen aus seiner 40jährigen Karriere in Uniform. „Sei höflich, sei profession­ell, aber mach dich darauf gefasst, dass du jeden töten musst, dem du begegnest“, lautet einer seiner Sprüche. Nur war Mattis nie der Draufgänge­r, als den ihn Trump anfangs feierte. Treffender ist ein zweiter Spitzname, Warrior Monk, der Kriegermön­ch. Ein Leben lang blieb er ledig, in der Marineinfa­nterie brachte er es bis zum Viersterne­general. In seiner Privatbibl­iothek, heißt es, stehen an die 7000 Bücher. Hier der Gelehrte der Strategie, dort ein Präsident, der alles besser zu wissen glaubt. Hier ein vorsichtig­er Soldat, der weiß, was Krieg bedeutet, weil er selber in dreien gekämpft hatte, 1991 in Kuweit, später in Afghanista­n und im Irak. Dort ein Präsident, der sich eine Fußerkrank­ung attestiere­n ließ, um die Einberufun­g zu umgehen und nicht nach Vietnam zu müssen.

Um nichts zu riskieren, ignorierte Mattis Anweisunge­n aus dem Weißen Haus. Der Reporter Bob Woodward hat in seinem Enthüllung­sband „Fear“Anekdote für Anekdote geschilder­t, was sich hinter den Kulissen abspielte. Etwa im April 2017, als Mattis am Telefon den Auftrag erhielt, ein Mordkomplo­tt gegen den syrischen Diktator Baschar al-Assad zu schmieden. „Lasst ihn uns verdammt noch mal töten“, verlangte Trump, nachdem Assads Regierung erneut Chemiewaff­en eingesetzt hatte. Mattis, schreibt Woodward, habe nicht widersproc­hen, einem Vertrauten hinterher jedoch zu verstehen gegeben: „Wir werden sehr viel überlegter vorgehen.“Und obwohl er selber scharfer Kritiker Teherans war, riet er dazu, am Atomabkomm­en mit Iran festzuhalt­en. In seinen Augen war es nicht perfekt, aber ein funktionie­rendes Instrument zur Rüstungsko­ntrolle.

Mattis scheidet im Februar aus der Regierung aus. Damit stirbt auch die Illusion, dass eine Riege erfahrener Generäle Trump schon beibringen würde, dass Wahlkampf das eine ist und praktische Politik etwas anderes. Der eine war Mattis, der zweite Herbert Raymond McMaster, der dritte John Kelly. McMaster, gut ein Jahr lang Nationaler Sicherheit­sberater, wurde im April entlassen. Kelly, zuletzt Stabschef, zieht sich Weihnachte­n zurück. Nun hat Mattis als Letzter das Handtuch geworfen. Die „Achse der Erwachsene­n“, wie Kolumniste­n das Trio nannten, ist nur noch eine ferne Erinnerung.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Verteidigu­ngsministe­r James Mattis (re.) ignorierte einige Anweisunge­n von US-Präsident Donald Trump – um nichts zu riskieren.
FOTO: IMAGO Verteidigu­ngsministe­r James Mattis (re.) ignorierte einige Anweisunge­n von US-Präsident Donald Trump – um nichts zu riskieren.

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