Ein zweites Leben für die Stehlampe
Warum Kunden in Wangen Gebrauchtwaren kaufen und was man dabei alles entdecken kann
In Wangen kommen Käufer von Gebrauchtwaren auf ihre Kosten.
WANGEN - Sofa, Tisch, Waschmaschine, Bettwäsche: In Wangen kann man mit etwas Glück eine komplette Wohnung mit Waren aus zweiter Hand einrichten. Auch unzählige Kleidungsstücke gibt es in SecondHand-Läden – für Damen, Herren und Kinder. Die Nachfrage nach Gebrauchtwaren ist groß. Und die Kunden kommen keinesfalls nur aus Geldnot – viele schätzen das bunte Angebot aus zweiter Hand und die ökologisch sinnvolle Wiederverwertung von schönen Dingen.
„Diese Schuhe habe ich hier gekauft – für sechs Euro“, sagt Claudia Schollenbruch und zeigt stolz die lilafarbenen Halbschuhe, die sie anhat. Die Neuravensburgerin kommt regelmäßig in den Flohmarkt im Sigmannser Weg. „Sachen wegzuwerfen fällt mir schwer“, sagt sie. Deshalb bringt sie gut Erhaltenes gern hierher, damit es neue Besitzer finden kann. Und sie selbst wird auch immer wieder fündig. Kein Wunder – der Flohmarkt des gemeinnützigen Vereins Apevau umfasst rund 350 Quadratmeter und bietet neben Bekleidung und Haushaltsartikeln auch Bücher, Musikinstrumente und Fahrräder. Das Sortiment scheint unerschöpflich – sogar Golfschläger und Heimtrainer stehen zum Verkauf, und bestimmt noch allerhand Kurioses, das es in den Regalen zu entdecken gilt. Zwei Drittel der Waren sind Spenden, der Rest wird auf Kommission angenommen – das heißt, der Verkäufer bekommt einen bestimmten Anteil des Verkaufspreises oder erhält die nicht verkaufte Ware zurück.
Was im Flohmarkt angeboten wird, koste prinzipiell weniger als die Hälfte des Neupreises, erklärt Meinrad Heil. Er ist Geschäftsführer des Apevau-Flohmarkts und des Möbelladens in der Klosterbergstraße. „Wir wollen möglichst wenig wegschmeißen, Dinge in den Kreislauf zurückführen und Müllberge verringern“, sagt er. Werden Dinge weitergegeben, wird ihr Wert erhalten, ist er überzeugt. Und offenbar ist er nicht der einzige, der so denkt: Kunden und Spender kommen aus einem Umkreis von bis zu 50 Kilometern, sagt Heil, und zwar „quer durch alle Bevölkerungsschichten: vom Bedürftigen bis zum Sammler, der Raritäten sucht“. Zu den Stammkunden zählt auch Marta: Sie hat vor Kurzem ein Bett in Kommission gegeben und stöbert regelmäßig in den Flohmarkt-Regalen. „Hier kann ich Unikate finden, ausgefallene Kleidung und Dinge, die eine Seele haben“, sagt sie.
Besonders gefragt seien Kleidungsstücke und Lesestoff, berichtet der Geschäftsführer. Bücher gibt es bei Apevau zu zwei Euro pro Kilo. Rund eine Tonne davon geht jeden Monat über den Ladentisch, sagt Meinrad Heil. Und sein Kollege, der sich im Flohmarkt um Elektrogeräte kümmert, fügt hinzu, dass es eine große Nachfrage nach Handys und Laptops gebe: „Geringverdiener können sich neue Geräte oft nicht leisten.“
„Das kann süchtig machen“
Auch eine Wohnung einzurichten kann teuer sein. „Wer nicht so viel Geld hat, kann hier trotzdem schöne Sachen finden“, sagt eine Frau Mitte 50, die gerade mit ihrem Mann durch den Gebrauchtmöbelladen des Apevau in der Klosterbergstraße schlendert. Das Ehepaar hat ein Auge auf eine Schrankwand geworfen und nimmt auch gleich die Waschmaschinen unter die Lupe.
Auf der anderen Seite des Raums inspiziert ein Rentner aus Leutkirch Badezimmerschränke – ein Stammkunde. „Ich bin regelmäßig bei Flohmärkten und Second-Hand-Läden in der Region unterwegs“, berichtet er – und fügt lachend hinzu: „Das kann süchtig machen.“Ganz gezielt ist Walter Messner aus Achberg in den Laden gekommen: Er sucht eine kleine Stehlampe, um seine Klaviernoten zu beleuchten – und wird tatsächlich fündig. Acht Euro kostet das gute Stück. „Manchmal macht man hier eben eine kleine Entdeckung“, sagt der neue Besitzer und tritt zufrieden den Heimweg an.
Antwort auf das Internet
Großes Second-Hand-Potenzial haben Baby- und Kinderkleider. Entsprechende Basare ziehen regelmäßig Scharen von Kundinnen und Verkäuferinnen an. Auch für das „Secondhändlädele“von Helga
Urbanski in Beutelsau war ein Kinderkleider-Flohmarkt der Auslöser. „Wir haben ein paar mal Flohmärkte veranstaltet, aber da ist man halt immer aufs Wetter angewiesen“, berichtet Urbanski. So entschloss sie sich, Waren aus zweiter Hand in ihr Geschäft für Babyausstattung zu integrieren. „Das war auch unsere Antwort auf das Internet“, sagt sie. Die zunehmende Beliebtheit des OnlineVersandhandels habe sie in ihrem Laden durch sinkende Verkaufszahlen zu spüren bekommen.
Inzwischen nimmt das „Secondhändlädele“einen Großteil des Ladens ein. Und es läuft gut, so die Inhaberin: Im Schnitt gebe täglich eine Kundin Ware in Kommission. „Kindersachen und Umstandsmode werden nur kurze Zeit getragen, deshalb sind die Sachen oft gut erhalten“, sagt Helga Urbanski. Neben Kleidung finden sich in ihrem Laden auch Kinderwagen, Schulranzen, Bücher und vieles mehr aus zweiter Hand. „Es muss halt noch anständig aussehen“, sagt die Inhaberin, die immer wieder kaputte oder verschmutzte Sachen ablehnen muss.
Auch Discounterware nimmt Urbanski nicht mehr an. „Das wird inzwischen so billig hergestellt – was soll ich da noch verlangen?“Generell findet sie, dass viel zu viel Kleidung den Markt überschwemmt. Das „Secondhändlädele“ist deshalb auch ein Statement gegen Überproduktion und Verschwendung von Ressourcen. „Man muss schon ein bisschen Leidenschaft für diese Themen haben“, sagt sie. Und obwohl ihr das Lädele viel Freude bereitet, denkt Helga Urbanski ans Aufhören: „In zwei Jahren gehe ich in Rente“, sagt sie. Gerne würde sie den Laden bis dahin in neue Hände übergeben. Das hat sie vor Kurzem auch auf Facebook bekanntgegeben. „Mal sehen, ob sich jemand meldet. Es ist viel Arbeit, und man wird nicht reich, aber es macht unglaublich viel Spaß.“
„Balsam fürs Auge“
Dass auch Menschen mit hohem Einkommen Spaß an guter SecondHand-Kleidung haben können, diese Erfahrung hat Sonja Abler gemacht: „Zu mir kommen Leute, die sich ohne
Weiteres neue Markensachen leisten können, die es aber toll finden, wenn schöne Dinge weitergegeben werden.“Vor 22 Jahren eröffnete Abler ihre Second-Hand-Boutique für Damenund Kinderbekleidung in
Niederwangen – zu einer Zeit, in der Gebrauchtwarenläden noch nicht sehr verbreitet waren. „Bei manchen war das ein bisschen verpönt. Man dachte, wer nicht genug Geld hat, muss aus zweiter Hand kaufen“, erinnert sie sich. Zunächst liefen die Geschäfte dann auch etwas zäh – „aber dann ging’s los, und es läuft richtig toll. Heute kaufen ja viele Leute gerne Gebrauchtwaren“. Ablers Prinzip: Nur Qualitätsware anbieten, „Balsam fürs Auge“, wie sie sagt.
Männer shoppen nicht so gern
Auch Lissi Müller und Daniela Schmid freuen sich, wenn Kleidungsstücke „Pfiff haben“. Ihren SecondHand-Laden „Dali“in Wangen beliefern täglich Kundinnen mit Ware, die dann für zwei Monate in Kommission genommen wird, berichten die beiden Inhaberinnen. Jeans, Pullover, Jacken – „es muss alltagstauglich sein“, sagen die beiden Frauen, die das Geschäft vor 15 Jahren zusammen eröffneten. „Erstens, weil wir selbst gerne second hand kauften, zweitens, weil auch der Gedanke da war, dass man Dinge wiederverwerten sollte“, erinnert sich Daniela Schmid. Anfangs hatten sie auch Männerkleidung im Sortiment, doch die war weniger gefragt. „Männer gehen halt nicht so oft einkaufen wie Frauen.“
Diese Erfahrung macht auch Rosmarie Weishaupt vom Wangener
Kleiderstüble: „Männer kommen nicht so gern, die mögen auch die Umkleidekabine nicht“, sagt sie und lacht. Ansonsten kann das ehrenamtliche Team aber nicht über mangelndes Kundeninteresse klagen: „Es ist meistens ziemlich voll an den Verkaufstagen“, berichtet Rosmarie Weishaupt. Da die Preise im Kleiderstüble sehr niedrig sind, ist es oft Anlaufstelle für Menschen, die nicht viel Geld zur Verfügung haben, sagen die Frauen vom Mitarbeiter-Team. Sie nehmen nur gespendete Kleidung an – und erleben dabei auch manch unschöne Überraschung. „Wir bekommen immer wieder schmutzige oder kaputte Sachen“, sagt Rosmarie Weishaupt, „aber die meisten Spenden sind wirklich schöne Stücke“.