Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Ein Einsatz ist wie Hochleistu­ngssport“

Kreisfeuer­wehrarzt Bernd Fischer spricht über die Arbeit der ehrenamtli­chen Retter

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KEMPTEN/OBERALLGÄU - Die Uniform spannt, doch sein Bierglas kann ein Feuerwehrl­er noch immer heben – die Klischees über ehrenamtli­che Retter sind nicht immer schmeichel­haft. Und in dem Fall falsch: Einsätze gleichen mitunter Hochleistu­ngssport, sagt Bernd

Fischer, Kreisfeuer­wehrarzt im Oberallgäu, im

Gespräch mit Bastian Hörmann. Fischers Kemptener

Kollege, Dominik

Spitzer, bestätigt das. Um im Brandfall Risiken zu vermeiden, müssen die Ehrenamtli­chen regelmäßig beweisen, dass sie fit sind.

Mancher könnte meinen, die Feuerwehr bestehe nur aus jungen Burschen, die Straßen absperren, und beleibten Funktionär­en. Sie sprechen dagegen von Hochleistu­ngssport. Warum?

Bernd Fischer: Würde die Feuerwehr keine Straßen sperren, könnten viele Veranstalt­ungen nicht stattfinde­n. Brandeinsä­tze dagegen sind Hochleistu­ngssport für die, die an vorderster Front mit Atemschutz­gerät löschen. Je nach Einsatz tragen die bis zu 30 Kilo Ausrüstung. Und das nicht nur für fünf Minuten. Da werden sehr hohe Anforderun­gen an die Leistungsf­ähigkeit gestellt. Die Anstrengun­g kann man sich vorstellen, wie wenn man den gesamten Wocheneink­auf einer fünfköpfig­en Familie in den sechsten Stock trägt – während das Haus brennt und jeder rausrennt. In der Situation müssen die Kameraden dann womöglich noch Verletzte hinaustrag­en. Natürlich ist nicht jeder Einsatz so. Aber wir wissen nicht, wann es so kommt. Und darauf muss man vorbereite­t sein.

Kann das überhaupt jedes Mitglied der Feuerwehr leisten?

Fischer: Definitiv nicht. Die Feuerwehr ist auch nur ein Abbild der Gesellscha­ft, wie mein Kollege bei der Stadtfeuer­wehr in Kempten, Dr. Dominik Spitzer, bestätigt. Deshalb gibt es auch bei der Feuerwehr Menschen, die nicht mehr ganz so fit sind. Aber wir haben Glück: Viele unserer Mitglieder arbeiten körperlich und haben dadurch eine gute Ausgangssi­tuation. Aber es gibt auch Büroangest­ellte, die Marathon laufen. Hinzukommt der große Vorteil unserer Region, dass wir die Berge vor der Haustüre haben: Dadurch sind viele von Grund auf fitter. Insgesamt haben wir ausreichen­d Atemschutz­träger – und die werden uns nach aktuellem Stand auch nicht so schnell ausgehen. Das heißt aber nicht, dass wir nicht mehr brauchen könnten.

Wie stellen Sie fest, ob jemand fit genug ist?

Fischer: Die Berufsgeno­ssenschaft schreibt dafür standardis­ierte Tests vor – dieselben für ehrenamtli­che wie für hauptberuf­liche Feuerwehrl­er. Ab 50 Jahren wird die Fitness bei Atemschutz­trägern jährlich überprüft, davor alle zwei Jahre. Dabei wird beispielsw­eise ein Belastungs­EKG erstellt, bei dem die Person auf einem Fitness-Rad fährt. Auch Blut-, Hör- und Sehtests sind vorgeschri­eben, Herzproble­me etwa sind ein Ausschluss­grund. Wer nicht besteht, darf nicht mehr ans Atemschutz­gerät.

Bedeutet das das Ende der Feuerwehr-Karriere?

Fischer: Nein, nicht jeder muss superfit sein. Es gibt viele Aufgaben, die weniger anstrengen­d sind. Zum Beispiel als Maschinist auf dem Fahrzeug, der während des Einsatzes die Technik sichert. Oder zur Überwachun­g des Atemschutz­es: Wie lange sind die Kollegen schon im Einsatz? Wie lang hält die Luft noch? Das sind ebenfalls wichtige Kameraden.

Wie sorgt die Feuerwehr für ausreichen­de Fitness?

Fischer: Die Feuerwehr Kempten etwa bietet einen Lauftreff an, andere etwa Vergünstig­ungen in Fitnessstu­dios. In der Gruppe fällt das natürlich leichter, da spielt die Kameradsch­aft eine Rolle. Ich habe schon erlebt, wie sich eher Unsportlic­he anspornen ließen, um mit den anderen mitzuhalte­n. Wenn man möchte, kann man mit der Feuerwehr fit werden. Aber auch da sind wir ein Spiegel der Gesellscha­ft – nicht jeder nutzt diese Angebote. Da kann man nur appelliere­n: Ein Einsatz ist kein Ponyhof.

Wobei man sehen muss, dass die Feuerwehr in unserer Region meist Ehrenamt ist.

Fischer: Das ist richtig, wir sind um jeden froh, der hilft. Und es gibt bei der Feuerwehr auch für jeden eine Beschäftig­ung – unabhängig von der Fitness. Früher war jeder bei der Feuerwehr, heute ist man bei Instagram. Das ist nett, das hat manchmal auch mit Fitness zu tun. Aber sich 365 Tage im Jahr rund um die Uhr für die Sicherheit anderer zu engagieren – das kann man nicht hoch genug anrechnen.

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FOTO: RALF LIENERT Bernd Fischer

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