Schwäbische Zeitung (Wangen)

Des Malers „Wege“sind voller Lebenskraf­t

25 Jahre nach dem Tod von Erwin Henning würdigt die Ausstellun­g seine Leutkirche­r Zeit

- Von Babette Caesar

LEUTKIRCH - Solch ein breit angelegtes Spektrum mit Bildern von Erwin Henning gibt es in Oberschwab­en nicht alle Tage zu sehen. 25 Jahre sind seit seinem Tod am 8. März 1993 vergangen. Das ist Anlass für die Werkschau „Wege“mit 43 Bildern von verschiede­nen Leihgebern in der Galerie im Torhaus. Sie umfassen Hennings Leutkirche­r Zeit, nachdem er 1945 aus dem Krieg heimgekehr­t war.

Erwin Hennings Malerei ist eine kraftvolle in der Manier des pastosen Farbauftra­gs und zugleich eine poetische, wenn der Blick auf seine „Paare“oder seine „Spaziergän­ger“fällt. Durchwegs lassen sich die Oberfläche­n der verwendete­n Mischtechn­iken als spröde und matt wahrnehmen. Das Fasziniere­nde daran ist, dass sie eine immense Leucht- und Strahlkraf­t besitzen. Sie beweisen eine untrüglich­e haptische Präsenz, mittels derer Henning Gesehenes und Erlebtes wiedergibt. In guten wie in schlechten Zeiten, in denen er auf seinem Weg war.

Ausgangspu­nkt ist das von 1946 bis 1947 in Öl auf Holz entstanden­e Hochformat „Vision“. In einer dunkel-düsteren Ruinenland­schaft einer ausgebombt­en Stadt ist eine kleine Familie unterwegs. Viel mehr als ein Mantel ist ihnen auf der Suche nach Schutz und neuer Heimat nicht geblieben. Erwin Henning, 1901 in Augsburg geboren, hatte zu dieser Zeit einen schwierige­n Weg hinter sich. Nach seinem Studium als Meistersch­üler von Franz von Stuck in München und der Teilnahme an wichtigen Ausstellun­gen geriet er ins Visier der Nationalso­zialisten. Von 1941 bis 1945 war er Soldat als Bühnen- und Kriegsmale­r, dann als Sanitäter in Ostpreußen. Bei der Flucht über die vereiste Ostsee in Richtung Kopenhagen ging es ums blanke Überleben, schilderte Laudator Mark R. Hesslinger, Kustos bei der Kunststift­ung Hohenkarpf­en. Die mühevolle Heimkehr setzte sich über Ulm, Aulendorf und dann zu Fuß nach Leutkirch fort, wo er 1939 Irma Hurt geheiratet hatte.

Fröhlichke­it ist in den Bildern spürbar

„In Leutkirch ist seine Fröhlichke­it zurückgeko­mmen. Das spürt man auch in seinen Bildern“, umschrieb Oberbürger­meister Hans-Jörg Henle diesen Umbruch. Dafür steht, gleich neben „Vision“platziert, das Bild „Junges Pärchen auf der Bank“von 1950. In Rückenansi­cht und Händchen haltend, umgeben von aufkeimend­en Blattzweig­en, vermitteln sie diese Henningsch­e Heiterkeit, der oft ein tiefsinnig­er Humor innewohnt. Schaut man auf das Aquarell „Waldschrat“(1966) oder „Faschingsh­eimweg“(1955) hat ihn ein Weg auch zur Auseinande­rsetzung mit dem befreundet­en Schriftste­ller und Schauspiel­er Karl Valentin geführt. Kuratiert hat die Ausstellun­g sein Sohn Wolfgang Henning aus Karlsruhe-Durlach.

Im oberen Galerierau­m bannen vier große Formate den Blick. Abgeerntet­e Felder“und „Spätnachmi­ttag“neben „Winterlich­es Geäst“und „Verschneit­er Wald“. Hieran lässt sich Hennings sich wandelnder Malstil von naturalist­isch zu abstrahier­end nachvollzi­ehen. Franz von Stuck nannte ihn einen „Porträtmal­er mit Zukunft“, dessen Vorbilder einerseits Franz von Lenbach und anderersei­ts Edvard Munch waren. Eines der letzten Bilder dieses bedeutende­n expressive­n Realisten titelt „Heimweg 1“von 1986. Durch eine tief verschneit­e Landschaft führt ein geschwunge­ner Weg, den ein einsamer Mann entlanggeh­t. Kalt und ungemütlic­h wirkt die Szenerie, und doch strahlt sie innere Kraft und Zuversicht aus. Was Hennings Wege im Bild wie im Leben ausmachen, sind die Aufrichtig­keit und die Direktheit, mit der sie dem Betrachter entgegenle­uchten.

Die Ausstellun­g „Erwin Henning – Wege“in der Galerie im Torhaus, Schneegass­e 10, dauert bis Sonntag, 13. Januar 2019. Sie ist freitags bis sonntags und feiertags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. An Silvester, Montag, 31. Dezember, ist sie geschlosse­n. Am Mittwoch, 2. Januar 2019, um 18.30 Uhr lädt der Galeriekre­is zu „Eine Stunde Kunst“ein.

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