Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Wir müssen uns auf eine Wiedervere­inigung vorbereite­n“

Politikpro­fessorin Deirdre Heenan spricht über die Lage auf der irischen Insel kurz vor dem Brexit

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Was passiert nach dem Brexit auf der irischen Insel? Diese Frage hält ganz Europa in Atem. Die nordirisch­e Politikpro­fessorin Deirdre Heenan hält sogar eine Wiedervere­inigung der Republik Irland mit Nordirland für möglich. Mit Sebastian Borger hat sie darüber gesprochen.

Professor Heenan, wird Irland bald wiedervere­inigt?

Diese Frage wurde vom Karfreitag­sabkommen 1998 beantworte­t: als Möglichkei­t, wenn eine Mehrheit der Nordiren dies wünscht. Das Thema lag für die allermeist­en Iren in weiter Zukunft. Der Brexit hat das verändert. Plötzlich steht die Möglichkei­t am Horizont, man redet darüber. Das ist neu.

Inwiefern ist dies dem Brexit geschuldet?

Die Grenze zwischen Nordirland und der Republik im Süden wird zur EU-Außengrenz­e. Da die britische Regierung aus Binnenmark­t und Zollunion austreten will, muss es zukünftig wieder Zoll- und Grenzkontr­ollen geben. Das gefährdet die Offenheit der Grenze, die wir seit Abschluss des Abkommens genießen.

Die größte Katholiken­partei Sinn Féin redet schon vom Referendum über die Wiedervere­inigung ...

Jetzt schon von einer Abstimmung zu reden, halte ich für unverantwo­rtlich. Wir haben durch den Brexit wirklich genug Unwägbarke­iten! Außerdem sollte Sinn Féin lieber konkret ausarbeite­n, wie denn das vereinigte Irland funktionie­ren würde.

Eine Wiedervere­inigung hätte ja zwei Partner. Wie sieht die Stimmung in der irischen Republik aus?

Dort gilt das als romantisch­es Ideal: Ein historisch­es Unrecht würde korrigiert. Deshalb sagen zwei Drittel in Umfragen dazu Ja. Aber wenn es dann an die praktische­n Folgerunge­n geht …

… zum Beispiel die finanziell­en, immerhin steckt London jährlich rund zehn Milliarden Pfund in die Region ...

… dann verändert sich die Einstellun­g schnell. Die Leute fragen sich: Was hätte das für Auswirkung­en auf mich, meine Finanzen, meine Kinder? Wollen wir uns wirklich den Konflikt der Nordiren ins Land holen? Da sagen viele: vielleicht lieber nicht.

Angeblich gehen Dubliner Regierungs­stellen in aller Stille solchen Fragen zu einer möglichen Wiedervere­inigung nach.

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