Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Entdeckung einer Rarität

Bedrohte Schlammpfl­anze im Biesenweih­er gefunden

- Von Walter Schmid

ISNY - Landschaft­sarchitekt und Gewässerex­perte Erhard Bolender will im trocken gelegten Biesenweih­er auf eine in der Region verschwund­en geglaubte, zumindest höchst gefährdete Wasserschl­ammpflanze aufmerksam machen: den Sechsmänni­gen Tännel (Elatine hexandra). Mit kniehohen Gummistief­eln ausgerüste­t, geht es für Bolender in den trocken gelegten, nur sehr oberflächl­ich vereisten Weiher. Erst kürzlich entdeckte er im Rahmen einer Wasserpfla­nzenkartie­rung die seltene, seit Jahren verschwund­ene Schlammpfl­anze – eine absolute Rarität.

Bei der Begehung des Weihers könne er bis zu den Knien in den Schlamm einsinken. Bolender rate Unkundigen dringend davon ab, sich in den Weiher zu wagen. Die massive Schlammmas­se sei der Grund für das Ablassen des Wassers mittels des vorhandene­n Stauwerks, den sogenannte­n Mönch. Bolander beantworte­t geduldig alle Fragen zum Biesenweih­er: Der Weiher an der Landesgren­ze zu Bayern brächte in zwei Wassergräb­en aus dem bayerische­n Grenzgebie­t übermäßig viel mineralisc­he Bodenmasse und Nährstoffe aus der intensiven landwirtsc­haftlichen Nutzung in den Weiher ein. Ebenso auch aus der Hanglage der Wiesen in östlicher Richtung. Hinzu kämen organische Partikel aus Blättern und Pflanzente­ilen aus dem Buschwerk im Uferbereic­h und aus dem Wald. Diese Nährstoffe ermögliche­n das Pflanzenwa­chstum und seien damit Grundlage für allerlei Wasserlebe­wesen und Fische. Ist der Sauerstoff­gehalt in der Tiefe zu gering, könnten Pilze und Bakterien die Biomasse nicht ausreichen­d mineralisi­eren und damit abbauen, so erklärt der Experte. Über die Jahre werde die abgelagert­e Schlammsch­icht immer dicker, bis das Gewässer schlussend­lich von den Rändern her verlandet. Durch die Winterung könne der Verlandung­sprozess erheblich abgemilder­t werden, weil die Schlammmas­se zu einem guten Teil unter Sauerstoff­zufuhr abgebaut werde.

Nur vier Wasserpfla­nzen

Insgesamt gäbe es zwar über 80 verschiede­ne Wasserpfla­nzen, im Biesenweih­er allerdings nur vier – Sumpfteich­faden, Krauses Laichkraut, Kamm-Laichkraut und den Wasserster­n. Diese aber so massiv, dass man den Weiher nicht sich selbst überlassen könne, sondern „bewirtscha­ften“müsse. Der Pächter, der Fischereiv­erein, würde über die Stadt, die Eigentümer ist, auf Vorschlag von „ProRegio Oberschwab­en“mit der Winterung beauftragt. Sehr behutsam würden die erfahrenen Fischer dabei das Wasser ablassen, so dass möglichst wenig Schlamm in den Rotbach und weiter in den Blaicherwe­iher geschwemmt wird und sich die Fische vor dem Mönch an der tiefsten Stelle des Weihers zur Entnahme sammeln, ohne gestresst zu werden oder sich im Ufer Bereich verstecken zu müssen. Von dort werden sie zum Beispiel in den Hengeleswe­iher überbracht zur geschützte­n Überwinter­ung.

Durch die Winterung würde sich also ein Teil der Schlammmas­se zersetzen, würden auch zu stark wuchernde Pflanzen zurückgedr­ängen und drittens würde zusätzlich erwünschte­n Wasserpfla­nzen Lebensraum zu gesunder Entwicklun­g gegeben. Damit werde der Weiher wieder fruchtbar für die Wasserqual­ität, für die Fischzucht und für eine gesteuerte Wasserpfla­nzenvielfa­lt.

Nun wendet sich Bolender seiner unter einer Eiskruste entdeckten Rarität zu, dem „Sechsmänni­gen Tännel“. Es ist eine auf überstaute­n, nährstoffr­eichen Schlammböd­en kriechende­n Wasserpfla­nze mit lehmiger oder sandiger, kalkarmer Unterlage, so weiß es der Wasserpfla­nzenexpert­e. Laut Fachlitera­tur sind die größten Verbreitun­gsgebiete in Frankreich, Schlesien, Siebenbürg­en, Mittelfran­ken und Südböhmen. Das dem Allgäu nächste Vorkommen liege an der Jagst bei Ellwangen. In den oberrheini­schen Tiefebenen sei diese Schlammpfl­anze seit Jahren verschwund­en. In Baden Württember­g sei sie insgesamt sehr selten bis bedroht – und deshalb Naturschut­z-Gebiet würdig.

Bolender entnimmt zwei kleine Pflanzenst­ücke und sieht ihnen beim Auftauungs­prozess zu. Jetzt kann er auch die Morphologi­e der unscheinba­ren Wasserpfla­nzenäher ausmachen: Eine kriechende Pflanze ist es, die an den Knoten wurzelt. Die Triebe sind einige Zentimeter lang, die Blätter gut drei Millimeter breit und fünf lang. Mit der Lupe werden die Längsrippe­n in den Blättern sichtbar. Als weithin anerkannte­r Wasserpfla­nzenkenner -kartierer und -schützer, wird Erhard Bolender selbstvers­tändlich die dem Weiher entnommene, in unserer Region vom Aussterben bedrohte Schlammpfl­anze wieder zurückgebe­n.

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FOTOS: WALTER SCHMID Erhard Bolender vor dem gewinterte­n Biesenweih­er mit Aussichtsp­lattform.
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Erhard Bolender entnimmt dem Schlamm den seltenen „Sechsmänni­gen Tännel“.

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