Die Entdeckung einer Rarität
Bedrohte Schlammpflanze im Biesenweiher gefunden
ISNY - Landschaftsarchitekt und Gewässerexperte Erhard Bolender will im trocken gelegten Biesenweiher auf eine in der Region verschwunden geglaubte, zumindest höchst gefährdete Wasserschlammpflanze aufmerksam machen: den Sechsmännigen Tännel (Elatine hexandra). Mit kniehohen Gummistiefeln ausgerüstet, geht es für Bolender in den trocken gelegten, nur sehr oberflächlich vereisten Weiher. Erst kürzlich entdeckte er im Rahmen einer Wasserpflanzenkartierung die seltene, seit Jahren verschwundene Schlammpflanze – eine absolute Rarität.
Bei der Begehung des Weihers könne er bis zu den Knien in den Schlamm einsinken. Bolender rate Unkundigen dringend davon ab, sich in den Weiher zu wagen. Die massive Schlammmasse sei der Grund für das Ablassen des Wassers mittels des vorhandenen Stauwerks, den sogenannten Mönch. Bolander beantwortet geduldig alle Fragen zum Biesenweiher: Der Weiher an der Landesgrenze zu Bayern brächte in zwei Wassergräben aus dem bayerischen Grenzgebiet übermäßig viel mineralische Bodenmasse und Nährstoffe aus der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung in den Weiher ein. Ebenso auch aus der Hanglage der Wiesen in östlicher Richtung. Hinzu kämen organische Partikel aus Blättern und Pflanzenteilen aus dem Buschwerk im Uferbereich und aus dem Wald. Diese Nährstoffe ermöglichen das Pflanzenwachstum und seien damit Grundlage für allerlei Wasserlebewesen und Fische. Ist der Sauerstoffgehalt in der Tiefe zu gering, könnten Pilze und Bakterien die Biomasse nicht ausreichend mineralisieren und damit abbauen, so erklärt der Experte. Über die Jahre werde die abgelagerte Schlammschicht immer dicker, bis das Gewässer schlussendlich von den Rändern her verlandet. Durch die Winterung könne der Verlandungsprozess erheblich abgemildert werden, weil die Schlammmasse zu einem guten Teil unter Sauerstoffzufuhr abgebaut werde.
Nur vier Wasserpflanzen
Insgesamt gäbe es zwar über 80 verschiedene Wasserpflanzen, im Biesenweiher allerdings nur vier – Sumpfteichfaden, Krauses Laichkraut, Kamm-Laichkraut und den Wasserstern. Diese aber so massiv, dass man den Weiher nicht sich selbst überlassen könne, sondern „bewirtschaften“müsse. Der Pächter, der Fischereiverein, würde über die Stadt, die Eigentümer ist, auf Vorschlag von „ProRegio Oberschwaben“mit der Winterung beauftragt. Sehr behutsam würden die erfahrenen Fischer dabei das Wasser ablassen, so dass möglichst wenig Schlamm in den Rotbach und weiter in den Blaicherweiher geschwemmt wird und sich die Fische vor dem Mönch an der tiefsten Stelle des Weihers zur Entnahme sammeln, ohne gestresst zu werden oder sich im Ufer Bereich verstecken zu müssen. Von dort werden sie zum Beispiel in den Hengelesweiher überbracht zur geschützten Überwinterung.
Durch die Winterung würde sich also ein Teil der Schlammmasse zersetzen, würden auch zu stark wuchernde Pflanzen zurückgedrängen und drittens würde zusätzlich erwünschten Wasserpflanzen Lebensraum zu gesunder Entwicklung gegeben. Damit werde der Weiher wieder fruchtbar für die Wasserqualität, für die Fischzucht und für eine gesteuerte Wasserpflanzenvielfalt.
Nun wendet sich Bolender seiner unter einer Eiskruste entdeckten Rarität zu, dem „Sechsmännigen Tännel“. Es ist eine auf überstauten, nährstoffreichen Schlammböden kriechenden Wasserpflanze mit lehmiger oder sandiger, kalkarmer Unterlage, so weiß es der Wasserpflanzenexperte. Laut Fachliteratur sind die größten Verbreitungsgebiete in Frankreich, Schlesien, Siebenbürgen, Mittelfranken und Südböhmen. Das dem Allgäu nächste Vorkommen liege an der Jagst bei Ellwangen. In den oberrheinischen Tiefebenen sei diese Schlammpflanze seit Jahren verschwunden. In Baden Württemberg sei sie insgesamt sehr selten bis bedroht – und deshalb Naturschutz-Gebiet würdig.
Bolender entnimmt zwei kleine Pflanzenstücke und sieht ihnen beim Auftauungsprozess zu. Jetzt kann er auch die Morphologie der unscheinbaren Wasserpflanzenäher ausmachen: Eine kriechende Pflanze ist es, die an den Knoten wurzelt. Die Triebe sind einige Zentimeter lang, die Blätter gut drei Millimeter breit und fünf lang. Mit der Lupe werden die Längsrippen in den Blättern sichtbar. Als weithin anerkannter Wasserpflanzenkenner -kartierer und -schützer, wird Erhard Bolender selbstverständlich die dem Weiher entnommene, in unserer Region vom Aussterben bedrohte Schlammpflanze wieder zurückgeben.