Machtspiel um alles oder nichts
Ein friedlicher Machtwechsel wäre für den Kongo ein Erfolg und eine Premiere. Das riesige Land – allein die Hauptstadt Kinshasa hat so viele Einwohner wie die ehemalige Kolonialmacht Belgien – ist nur dem Namen nach eine „Demokratische Republik“. In Wahrheit plündern die Mächtigen das Land seit Jahrzehnten aus, ganz wie einst die europäischen Kolonialisten. Der Staat existiert in vielen Regionen nur auf dem Papier. Die staatliche Armee ist bei der Bevölkerung kaum weniger gefürchtet als die Rebellentruppen, die sie bekämpft.
Viele Kongolesen hegen nun den begründeten Verdacht, dass sich auch mit einem Wahlsieg Tshisekedis nichts daran ändern wird. Tatsächlich könnte eine Absprache mit diesem Oppositionskandidaten aus Sicht des scheidenden Präsidenten Kabila, der sich in seiner Amtszeit hemmungslos bereichert hat, ein schlauer Zug sein. Kabila ist vor allem daran gelegen, eine Strafverfolgung zu verhindern. Das könnte ihm Tshisekedi im Gegenzug für seine Anerkennung als Wahlsieger garantieren.
Der Zweitplatzierte Martin Fayulu spricht prompt von Wahlbetrug. Auch das ist allerdings in vielen afrikanischen Ländern ein Reflex der jeweils unterlegenen Kandidaten. Nun drohen Unruhen. Das ist kaum verwunderlich in einem Land ohne funktionierende Institutionen, in dem Politik immer ein Machtspiel um alles oder nichts gewesen ist.
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