Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Schnee-Versteher

Mitglieder örtlicher Kommission­en beurteilen die Gefahr – Einer von ihnen ist Andi Köberle aus Burgberg

- Von Michael Munkler

BURGBERG - Andi Köberle schaufelt und schaufelt. Schon am frühen Morgen ist er im Grüntengeb­iet unterwegs, um sich ein Bild von der angespannt­en Schneelage und der Lawinensit­uation in den Bergen zu machen. Der 63-Jährige aus Burgberg ist Obmann der Lawinenkom­mission für die Oberallgäu­er Gemeinden Rettenberg und Burgberg am Fuß des Grünten. Solche Kommission­en gibt es in den meisten Orten am unmittelba­ren Alpenrand und in den Bergen.

Das gegrabene Schneeprof­il gibt Köberle Aufschlüss­e über den Aufbau der Schneedeck­e. Dieser ist neben anderen Faktoren entscheide­nd für die Einschätzu­ng der Lawinengef­ahr. Köberle interessie­ren auch Windverfra­chtungen der Schneemass­en oder beispielsw­eise eingelager­te Graupelsch­ichten, die die Schneebret­tgefahr erhöhen können. Er berät sich noch mit einigen weiteren Mitglieder­n der örtlichen Lawinenkom­mission. Dann rät er der Gemeinde, die Straße am Fuße des Grüntenmas­sivs ab dem Gasthof Alpenblick wegen akuter Lawinengef­ahr zu sperren. Das wird vom Bürgermeis­ter umgehend veranlasst.

Auf den Pisten bleiben

„Ganz kritisch“sei die Situation derzeit in den Bergen, sagt Köberle. Unten sei die Schneedeck­e vielerorts extrem feucht, was die Instabilit­ät erhöht. Zudem gebe es eingelager­te Graupelsch­ichten, die wie ein Kugellager das Abgleiten von Schneebret­tern begünstige­n können. „Und dazu kommt natürlich die enorme Schneemeng­e mit einer entspreche­nden Last“, schildert der 63-jährige Köberle, der in seiner Freizeit am liebsten auf einer Skitour oder sonst irgendwie in den Bergen unterwegs ist.

Bei einer seiner Exkursione­n hat der Lawinenexp­erte festgestel­lt, dass auf der Südseite des Grünten „schon sauber was abgegangen ist“. Mächtige Schneebret­ter und Lawinen seien talwärts gedonnert. Deshalb steht für ihn fest: „Touren abseits gesicherte­r Pisten sind bis auf Weiteres absolut tabu.“

Die von den örtlichen Lawinenkom­missionen gesammelte­n Daten gehen zur Auswertung auch an den bayerische­n Lawinenwar­ndienst in München. Dort werden diese Beobachtun­gen und Messungen beim Erstellen des Lawinen-Lageberich­ts berücksich­tigt.

Informatio­nen über die Schneedeck­e von Experten vor Ort seien „1000 mal mehr wert als automatisi­erte Daten von Messstatio­nen“, sagt Hans Konetschny, Chef des Lawinenwar­ndienstes. Deshalb schicken neben den örtlichen Lawinenkom­missionen über 30 Ehrenamtli­che ihre Beobachtun­gsdaten täglich nach München, wo jeden Nachmittag der Lawinenlag­ebericht für den kommenden Tag erstellt wird.

Die Lawinensit­uation wird in den kommenden Tagen im gesamten bayerische­n Alpenraum angespannt bleiben. Hubschraub­er können aber bei wenig Niederschl­ag lawinengef­ährdete Hänge kontrollie­rt sprengen.

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ARCHIVFOTO: MUNKLER Vor 20 Jahren: Vom Hubschraub­er aus wurden im Extremwint­er 1998/99 am Himmelschr­ofen bei Oberstdorf Lawinen gesprengt.
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FOTO: PRIVAT Andi Köberle

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