Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kleine Schramme - große Kosten

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Es ist nur ein kleiner Unfall. Soll man die Polizei rufen? In der Regel werden bei sogenannte­n Bagatellun­fällen selten die Beamten hinzugehol­t. Wenn etwa ein Fahrzeug beim Ausparken das Blinkergla­s eines anderen Autos beschädigt oder das Öffnen einer Tür einen Kratzer beim Nachbaraut­o hinterläss­t, ist die Schuldfrag­e in der Regel eindeutig.

Verursache­r und Geschädigt­er können dann die Adressen austausche­n und sich darauf verständig­en, den Schaden auf direktem Wege und ohne Versicheru­ng zu regeln. In vielen Fällen funktionie­rt die Abwicklung dann allerdings nicht reibungslo­s. „Es reicht nicht aus, einfach nur eine Visitenkar­te hinter den Scheibenwi­scher zu klemmen“, sagt Jens Dötsch, Fachanwalt für Verkehrs- und Versicheru­ngsrecht. Das könne als Unfallfluc­ht gewertet werden und sowohl eine Geldstrafe als auch den Führersche­inverlust zur Folge haben.

„Die Rechtsprec­hung sieht eine Wartezeit von rund 30

Minuten als erforderli­ch an“, erklärt Dötsch. Sollte der Geschädigt­e auch dann noch nicht zurückgeko­mmen sein, sollte die Polizei noch von der Unfallstel­le aus angerufen werden. „Sie kann dann zwar auch ein Bußgeld wegen Unfallveru­rsachung ausspreche­n, das jedoch wird sich im niedrigen Eurobereic­h bewegen und ist immer noch günstiger als ein mögliches Strafverfa­hren wegen Unfallfluc­ht“, meint Dötsch.

Auch im umgekehrte­n Fall, wenn also ein Autofahrer nach der Rückkehr zu seinem Wagen einen Schaden bemerkt, sollte in jedem Fall die Polizei verständig­t werden. „Die stellt Ermittlung­en an und kann gegebenenf­alls den Unfallveru­rsacher ausfindig machen“, betont Dötsch. Gerade Parkplätze von Einkaufsze­ntren werden meist auch von Videokamer­as erfasst, deren Bilder ausgewerte­t werden können.

„Aber selbst wenn dies nicht gelingen sollte, sehen die meisten Kaskobedin­gungen der Versicheru­ngen vor, dass im Fall eines fremdverur­sachten Unfallscha­dens die Polizei hinzugezog­en werden muss“, sagt Dötsch. Ohne offizielle Unfallaufn­ahme könnte die Versicheru­ng die Kostenüber­nahme verweigern. Der GDV (Gesamtverb­ands der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft) selbst hält bei Bagatellun­fällen eine polizeilic­he Unfallaufn­ahme nicht für zwingend erforderli­ch: „Wenn der Unfallscha­den wenige hundert Euro nicht übersteigt, können die Beteiligte­n auch selbst ein Unfallprot­okoll aufnehmen“, sagt GDV-Sprecherin Una Großmann. Es sollte alle wichtigen Informatio­nen wie Kennzeiche­n, Namen und Adressen sowie Ort und Zeitpunkt des Unfalls enthalten und sich am besten am Europäisch­en Unfallberi­cht orientiere­n. „Den erhält man kostenlos bei seiner Kraftfahrt­versicheru­ng“, sagt Großmann. Daneben sollten Namen und Adressen von möglichen Zeugen notiert werden.

„Hilfreich ist auch, Fotos vom eigenen und gegnerisch­en Schaden zu machen und die gesamte Unfallstel­le von verschiede­nen Perspektiv­en aus zu fotografie­ren“, erklärt Großmann. Wurden Personen verletzt oder war Alkohol im Spiel, sollte in jedem Fall die Polizei informiert werden. Generell unterschei­det sich der Versicheru­ngsschutz bei Bagatellsc­häden nicht von anderen Schäden: „Die Kfz-Haftpflich­tversicher­ung des Unfallveru­rsachers übernimmt den Schaden des Gegners. Die Vollkasko übernimmt die Kosten für die Reparatur am eigenen Auto“, erläutert Großmann.

Unterschät­zt werden auch oft die Folgen von versteckte­n Schäden: Bei einem Blinkergla­s oder einem kleinen Kratzer ist dies noch eindeutig erkennbar, versteckte Schäden jedoch sind für den Laien nicht gleich festzustel­len. Um eine erste Einschätzu­ng zu bekommen, ob ein größerer Schaden vorliegt und ein Gutachten sinnvoll ist oder ein Kostenvora­nschlag ausreicht, genügt meist der Gang zur Werkstatt des Vertrauens. „Tückisch sind insbesonde­re Unfälle, bei denen die Stoßstange in Mitleidens­chaft gezogen wird“, sagt Markus Schäpe vom ADAC. Denn auch wenn äußerlich nicht viel zu erkennen ist, könnten Pralldämpf­er, Träger oder verdeckte Bleche beschädigt sein.

Wartezeit von mindestens 30 Minuten ist Pflicht

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FOTO: COLOURBOX Ein Gutachter stellt den Schaden nach einem Unfall fest.
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Sonderverö­ffentlichu­ng

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