Mit Spaßfaktor, aber ohne Zulassung
Elektrisch betriebene Tretroller versprechen agile und umweltfreundliche Mobilität auf der Kurzstrecke – Erlaubt sind sie noch nicht
ZIRNDORF - Er ist ein Blickfang. Klein, schnell und wendig präsentiert sich die Zukunftshoffnung für staugeplagte, abgasbelastete Städte, in denen die Parkplatzsuche so häufig zum Abenteuer wird. Ausgerüstet mit einem Elektroantrieb, könnten diese E-Scooter zu einem Baustein urbaner Mobilität werden. Könnten, wohlgemerkt, wäre da nicht ein grundlegendes Problem: In Deutschland ist es verboten, mit Elektrotretrollern auf öffentlichen Straßen zu fahren.
Es geht um die „erste“respektive „letzte Meile“, von daheim zur Haltestelle, von der Haltestelle ins Büro. Mit den Elektroflitzern lassen sich kurze Wege ohne Anstrengung zurücklegen, und die meisten Batterietretroller sind klappbar und können in öffentliche Verkehrsmittel mitgenommen werden.
Während diese Ministromer schon längst durch Wien oder Paris zischen, darf man sich in Deutschland damit nicht erwischen lassen. Denn aktuell ist eine Zulassung der Tretroller nicht möglich. Laut Bundesverkehrsministerium können sie keiner bestehenden Fahrzeugart zugeordnet werden, und zudem gibt es keine entsprechende Versicherung. Für Unternehmen wie Metz oder BMW dennoch kein Grund, auf die Entwicklung der Ministromer zu verzichten.
Fünf Jahre Arbeit
Sie sind kein Nebenprodukt. Hinter den E-Scootern steckt mehrjährige Entwicklungsarbeit. Drei Jahre haben die BMW-Ingenieure am sogenannten X2City-Roller gearbeitet, seit zwei Jahren beschäftigen sich die Fachleute bei Metz mecatech im fränkischen Zirndorf mit ihrem Moover. In dem Roller stecken große Hoffnungen der Metz-Leute. Noch gehört die Firma zu den drei größten Herstellern von Blitzlichtgeräten auf der Welt, aber obwohl mehr denn je fotografiert wird, läuft das Kamerageschäft schlecht. Seit fünf Jahren sinke der Umsatz, klagt Geschäftsführer Lauri Jouhki. Klar war, alleine mit Blitzgeräten geht es nicht weiter. Ein neuer Geschäftsbereich, der auf die Zukunft ausgerichtet ist, soll die Lösung bringen. „Im Elektromobilitätsbereich wollen wir langfristig ein zweites Standbein aufbauen“, sagt Jouhki.
Der Geschäftsführer ist überzeugt, eine Lücke zwischen Laufen und Radeln entdeckt zu haben. Die will er füllen, mit dem Metz-eigenen Elektroroller. Bis zu 20 Stundenkilometer schnell, zusammenklappbar, mit einer Reichweite von 20 Kilometern und in vier Stunden aufgeladen, ist dieses Fahrzeug vor allem auf Pendler in Städten ausgerichtet. „Der Moover ist agiler und vielseitiger als ein Fahrrad, zumindest auf kurzen Strecken, und schneller als Laufen“, erklärt der Diplomingenieur.
Großes Potenzial bescheinigt auch Fabian Edel, Mobilitätsexperte des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation, den mikromobilen Gefährten. „Das liegt weniger im Ersetzen von anderen Fahrzeugen als im Ergänzen. Diese E-Scooter sind ideale Verkehrsmittel, um die erste und letzte Meile, von zu Hause bis zur U-Bahn und von der S-Bahn bis zum Arbeitsort, zu überwinden.“
Aber wann werden die Hoffnungen auch zur Realität? Seit mehr als eineinhalb Jahren verspricht das Bundesverkehrsministerium, die Zulassung zu regeln. Denn für Fahrzeuge mit Motor, die schneller als sechs Stundenkilometer fahren, sind eine Betriebserlaubnis und eine Versicherung nötig. Nun soll die entsprechende Verordnung kommen. Versprochen war das schon für Ende vergangenen Jahres.
Dem Vernehmen nach gibt es immerhin einen Referentenentwurf. Darin wird zwar mit den Elektrokleinstfahrzeugen eine komplett neue Fahrzeugkategorie eingeführt. Es heißt aber auch, dass die Fahrzeuge eine Lenkstange brauchen, das Aus für E-Skateboards oder Hover boards. „Teilweise ist das berechtigt“, sagt Fraunhofer-Experte Edel. Die E-Kleinstfahrzeuge sollen nämlich nicht auf Fußwegen unterwegs sein, sondern auf Radwegen oder sogar auf der Fahrbahn. „Ohne Haltestange am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen ist einfach zu gefährlich“, sagt Edel. Bis die Tretrollerfahrer also legal im öffentlichen Verkehr unterwegs sein dürfen, bleiben ihnen nur Privatstraßen und Betriebsgelände.
Im firmeninternen Verkehr versucht Metz aktuell seine Fahrzeuge unterzubringen, und von denen gibt es mittlerweile einige. Eine hohe vierstellige Anzahl haben die Franken seit März produziert. Es kann losgehen mit dem Verkauf. Der soll dann, ebenso wie beim BMW-Tretroller, über den Fahrradfachhandel abgewickelt werden.
Die E-Roller in den Bus oder die U- und S-Bahn mitzunehmen, ist allerdings gar nicht so leicht. Sie können zwar zusammengelegt werden, aber mit 16 Kilogramm beim Moover und 20 Kilogramm beim X2City ist das so, als würde man einen Getränkekasten mit sich schleppen.
Dennoch: Elektromikromobilität scheint sich vielerorts zum Trend zu entwickeln. Verschläft Deutschland derweil eine Entwicklung in urbaner Mobilität? Der Metz-Geschäftsführer findet, es könnte schneller gehen mit der Verordnung, aber er setzt auch auf Sicherheit. Große Reifen und ordentliche Bremsen gehören für ihn dazu. In Österreich dagegen dürfe jeder E-Roller aus Fernost fahren. Das ist einer der Gründe, warum sich Metz in Österreich mit dem Verkauf seines Fahrzeugs schwertut. Sicherer, aber teurer als viele Wettbewerber.
Zahlen zur Sicherheit oder Unfallstatistiken gibt es keine, aber in den USA mehren sich Hinweise auf Unfälle mit Elektrokleinstfahrzeugen. Auf Sicherheit und Qualität setzt auch BMW mit seinem X2City. Dem Auto- und Motorradhersteller war es zwar zunächst gelungen, seinen E-Scooter als Pedelec einstufen zu lassen. Ein Pedal am Trittbrett musste kontinuierlich auf und ab bewegt werden, nur dann funktionierte auch die elektrische Unterstützung. Aber das Bundesverkehrsministerium kassierte diese Einordnung. Nun wartet auch BMW auf neue Nachrichten aus Berlin.
Auch BMW mischt mit
Mittlerweile hat der Konzern seinen Ministromer angepasst, um in die geplante neue Fahrzeugkategorie zu passen. Statt 25 Kilometer in der Stunde fährt er nun nur noch 20, und das Pedal muss nicht mehr dauerhaft bewegt werden. „Wir rechnen damit, dass der Roller groß einschlägt“, sagt Gerhard Lindner von BMW Motorrad. Beide Hersteller wollen auch vom wachsenden Sharingtrend profitieren und die Roller zum Verleih anbieten.
So könnten sie ein Baustein sein, um die Verkehrsprobleme der Städte zu lösen. Also genau das richtige Gefährt im Zeitalter der aufgehenden EMobilität. „Wir müssen über neue Formen der Mobilität nachdenken“, sagt Lindner. Der Metz-Chef identifiziert indes zwei städtische Verkehrsprobleme: die Luftverschmutzung sowie die Masse an Verkehr. Er gibt zu bedenken: „Auch ein E-Auto steht im Stau und braucht einen Parkplatz, ein E-Roller nicht.“
Und dann wäre da noch der Spaßfaktor. „Es macht einfach riesig Spaß, mit dem Roller zu fahren“, lobt BMW-Mann Lindner die Neuerung. Das bestätigt auch Metz-Boss Jouhki: „Ich habe noch niemanden hier gehabt, der nach einer Runde auf dem E-Scooter nicht ein Lächeln im Gesicht hatte.“