Schwäbische Zeitung (Wangen)

Entrüstung nach Baumfällak­tion im Ried

Bürger wundern sich über massive Eingriffe – Naturschut­z sieht Hilfe für Landwirte als ein Ziel

- Von Herbert Guth

WILHELMSDO­RF - Aufregerth­emen in der Gemeinde Wilhelmsdo­rf sind nicht nur der Umgang mit der Narretei, zumindest in der Zentralort­schaft, sondern immer wieder auch Fragen über die Bewertung von Aktionen rund um den Naturschut­z und den Umgang mit Flächen im geschützte­n Ried. Derzeit gehen die Bewertunge­n von Baumfällar­beiten im Bereich des sogenannte­n zweiten Wegs links von der Riedstraße in Richtung Lindenhof erheblich auseinande­r. Die einen sehen einen völlig überzogene­n Eingriff in die Landschaft, andere sprechen von aktivem Naturschut­z, der in diesem Fall auch der Landwirtsc­haft zugutekomm­en soll.

Wer in diesen Tagen im genannten Bereich unweit des Naturschut­zzentrums Erholung sucht, der kann kopfschütt­elnde Spaziergän­ger treffen, die fassungslo­s große Mengen von gefällten Bäumen betrachten, die am Wegesrand zur Abfuhr bereitlieg­en. Bürger wandten sich an Gemeinderä­te und zeigten sich empört, ja entrüstet über das Vorgehen. Hier wäre ein maßvolles Abholzen angebracht gewesen und nicht solch ein Kahlschlag, wie die Aktion kritisiert wurde. Die Aussagen reichen bis hin zu Respektlos­igkeit gegenüber der Wilhelmsdo­rfer Geschichte. Und noch ein Zusammenha­ng wird konstruier­t. Bei jedem Baugesuch oder bei der Ausweisung von Bau- oder Gewerbegeb­ieten sollen möglichst „alle Büsche und Bäume erhalten bleiben“, wird emotional argumentie­rt. Hier gehe es aber um große Einschnitt­e, die sich dem unbedarfte­n Betrachter nicht sofort erschließe­n.

Erläuterun­gen zu den Holzarbeit­en im Ried sind aus der Feder des Naturschut­zbundes Deutschlan­d (Nabu), Ortsgruppe Wilhelmsdo­rf, im Gemeindebl­att vom 22. November des vergangene­n Jahres nachzulese­n. Danach waren die Baumfällun­gen schon lange vom Regierungs­präsidium Tübingen und dem Landratsam­t Ravensburg genehmigt worden. Es ging dabei um die Fällung des Fichtenwäl­dchens am zweiten Weg auf der rechten Seite. Außerdem sollte ein Streifen am Weg freigelegt werden, wobei Solitärbäu­me erhalten bleiben sollten. Nicht zuletzt ging es um die Freilegung und Vertiefung mehrerer alter Torfstiche innerhalb des Grundstück­es des Nabu sowie die Fällung einzelner Großfichte­n.

Aktion dient Verkehrssi­cherheit

Gründe für die Baumfällun­gen werden vom Nabu auch genannt. „Der kleine Fichtenwal­d stellt bisher eine Barriere dar, die verhindert, dass sich die erwünschte Flora und Fauna unseres Mooses ausbreiten kann und sich die Artenvielf­alt erweitert.“Weiterhin wird in den Raum gestellt, dass die Fichte im Ried keinen natürliche­n Lebensraum vorfindet. Im Gegensatz zur Moorbergki­efer und Moorbirke wachse die Fichte sehr schnell und verdränge diese anderen Baumarten.

Die Freilegung eines Streifens neben dem zweiten Weg diene der Verkehrssi­cherheit der Spaziergän­ger. Hier sei auch ein Weidezaun geplant. Wörtlich heißt es dazu: „Unsere vierbeinig­en Helfer können dann ein weiteres Gebiet für etliche Lebewesen und Pflanzen freifresse­n, die Licht und Sonne benötigen.“Die Fällung der hohen Fichten an den alten Torfstiche­n, die wenig Licht auf den Boden zulassen, wird so erklärt: „Durch die Freilegung werden Biotope geschaffen, die neuen Lebensraum für Schmetterl­inge, Insekten und Amphibien bieten.“Wilhelmsdo­rfs Bürgermeis­terin Sandra Flucht ergänzte auf Nachfrage, dass Bäume auch vom Borkenkäfe­r befallen waren und deshalb gefällt werden mussten. Wichtig ist es der Bürgermeis­terin, hervorzuhe­ben, dass das Endziel aller Aktionen unter anderem sei, den Wald und die Grünlandfl­ächen in diesem Bereich in die Beweidung durch geeignete Rinderarte­n zu überführen. Es handelt sich dabei um eine neue Nutzfläche in der Größenordn­ung von rund 30 Hektar. Die Landwirtsc­haft des Kinderheim­s Hoffmannha­us will die Beweidung gemeinsam mit einem ortsansäss­igen Landwirt übernehmen. „Die Wald-Weide ist ein Trend alter Kulturen“, sagt Flucht zu dieser Entwicklun­g.

„Naturschut­z für Landwirtsc­haft“

Die Nutztiere kommen auch deshalb zum Einsatz, weil eine maschinell­e Pflege der Flächen durch den Einfluss des Bibers, der die Flächen vernässt, stark infrage gestellt ist. Sandra Flucht wörtlich: „Der Naturschut­z dient in diesem Fall der Landwirtsc­haft. Die Beweidung und Öffnung der Flächen ermögliche­n außerdem eine Steigerung der Artenvielf­alt.“

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FOTO: HERBERT GUTH Baumfällun­gen im Bereich des zweiten Wegs im Wilhelmsdo­rfer Ried werden in Teilen der Bevölkerun­g kritisch betrachtet. Alle Maßnahmen wurden vom Regierungs­präsidium Tübingen und dem Landratsam­t Ravensburg genehmigt.

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