Entrüstung nach Baumfällaktion im Ried
Bürger wundern sich über massive Eingriffe – Naturschutz sieht Hilfe für Landwirte als ein Ziel
WILHELMSDORF - Aufregerthemen in der Gemeinde Wilhelmsdorf sind nicht nur der Umgang mit der Narretei, zumindest in der Zentralortschaft, sondern immer wieder auch Fragen über die Bewertung von Aktionen rund um den Naturschutz und den Umgang mit Flächen im geschützten Ried. Derzeit gehen die Bewertungen von Baumfällarbeiten im Bereich des sogenannten zweiten Wegs links von der Riedstraße in Richtung Lindenhof erheblich auseinander. Die einen sehen einen völlig überzogenen Eingriff in die Landschaft, andere sprechen von aktivem Naturschutz, der in diesem Fall auch der Landwirtschaft zugutekommen soll.
Wer in diesen Tagen im genannten Bereich unweit des Naturschutzzentrums Erholung sucht, der kann kopfschüttelnde Spaziergänger treffen, die fassungslos große Mengen von gefällten Bäumen betrachten, die am Wegesrand zur Abfuhr bereitliegen. Bürger wandten sich an Gemeinderäte und zeigten sich empört, ja entrüstet über das Vorgehen. Hier wäre ein maßvolles Abholzen angebracht gewesen und nicht solch ein Kahlschlag, wie die Aktion kritisiert wurde. Die Aussagen reichen bis hin zu Respektlosigkeit gegenüber der Wilhelmsdorfer Geschichte. Und noch ein Zusammenhang wird konstruiert. Bei jedem Baugesuch oder bei der Ausweisung von Bau- oder Gewerbegebieten sollen möglichst „alle Büsche und Bäume erhalten bleiben“, wird emotional argumentiert. Hier gehe es aber um große Einschnitte, die sich dem unbedarften Betrachter nicht sofort erschließen.
Erläuterungen zu den Holzarbeiten im Ried sind aus der Feder des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu), Ortsgruppe Wilhelmsdorf, im Gemeindeblatt vom 22. November des vergangenen Jahres nachzulesen. Danach waren die Baumfällungen schon lange vom Regierungspräsidium Tübingen und dem Landratsamt Ravensburg genehmigt worden. Es ging dabei um die Fällung des Fichtenwäldchens am zweiten Weg auf der rechten Seite. Außerdem sollte ein Streifen am Weg freigelegt werden, wobei Solitärbäume erhalten bleiben sollten. Nicht zuletzt ging es um die Freilegung und Vertiefung mehrerer alter Torfstiche innerhalb des Grundstückes des Nabu sowie die Fällung einzelner Großfichten.
Aktion dient Verkehrssicherheit
Gründe für die Baumfällungen werden vom Nabu auch genannt. „Der kleine Fichtenwald stellt bisher eine Barriere dar, die verhindert, dass sich die erwünschte Flora und Fauna unseres Mooses ausbreiten kann und sich die Artenvielfalt erweitert.“Weiterhin wird in den Raum gestellt, dass die Fichte im Ried keinen natürlichen Lebensraum vorfindet. Im Gegensatz zur Moorbergkiefer und Moorbirke wachse die Fichte sehr schnell und verdränge diese anderen Baumarten.
Die Freilegung eines Streifens neben dem zweiten Weg diene der Verkehrssicherheit der Spaziergänger. Hier sei auch ein Weidezaun geplant. Wörtlich heißt es dazu: „Unsere vierbeinigen Helfer können dann ein weiteres Gebiet für etliche Lebewesen und Pflanzen freifressen, die Licht und Sonne benötigen.“Die Fällung der hohen Fichten an den alten Torfstichen, die wenig Licht auf den Boden zulassen, wird so erklärt: „Durch die Freilegung werden Biotope geschaffen, die neuen Lebensraum für Schmetterlinge, Insekten und Amphibien bieten.“Wilhelmsdorfs Bürgermeisterin Sandra Flucht ergänzte auf Nachfrage, dass Bäume auch vom Borkenkäfer befallen waren und deshalb gefällt werden mussten. Wichtig ist es der Bürgermeisterin, hervorzuheben, dass das Endziel aller Aktionen unter anderem sei, den Wald und die Grünlandflächen in diesem Bereich in die Beweidung durch geeignete Rinderarten zu überführen. Es handelt sich dabei um eine neue Nutzfläche in der Größenordnung von rund 30 Hektar. Die Landwirtschaft des Kinderheims Hoffmannhaus will die Beweidung gemeinsam mit einem ortsansässigen Landwirt übernehmen. „Die Wald-Weide ist ein Trend alter Kulturen“, sagt Flucht zu dieser Entwicklung.
„Naturschutz für Landwirtschaft“
Die Nutztiere kommen auch deshalb zum Einsatz, weil eine maschinelle Pflege der Flächen durch den Einfluss des Bibers, der die Flächen vernässt, stark infrage gestellt ist. Sandra Flucht wörtlich: „Der Naturschutz dient in diesem Fall der Landwirtschaft. Die Beweidung und Öffnung der Flächen ermöglichen außerdem eine Steigerung der Artenvielfalt.“