Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wenn die Straße zum Problem wird

„Das tut weh“: Eine 82-jährige Rollatornu­tzerin klagt über die Straßen in der Wangener Altstadt

- Von Jan Peter Steppat

82-jährige Wangenerin klagt über Kopfsteinp­flaster in der Altstadt.

WANGEN - Vieles macht die Wangener Altstadt zu etwas Besonderem. Ein wesentlich­es Merkmal ist sicher unbestritt­en das weitgehend stimmige Bild eines historisch­en Stadtkerns. Dazu gehört auch der Straßenbel­ag in Form des Kopfsteinp­flasters. Genau dieses aber bereitet Menschen Probleme, die nicht (mehr) sonderlich gut zu Fuß sind. Gertrud Ress ist eine von ihnen. Denn sie ist auf einen Rollator angewiesen.

Die 82-Jährige ist nicht nur Vogelexper­tin und als Malerin der gefiederte­n Tiere bekannt. Sie ist zeitlebens Wangenerin und schätzt ihre Heimat sehr. Und das bezieht sich natürlich auch auf die Altstadt, die nicht unweit ihrer Wohnung liegt. Doch trotz der Nähe wagt sich Gertrud Ress nur noch selten in das Herz Wangens. Obwohl ihr eigenes daran hängt und sie sich nicht nur bei unvermeidl­ichen Arztbesuch­en auf den Weg dorthin machen möchte.

Im Argencente­r „läuft’s ja glatt“

Dabei aber bereiten ihr die vielen kopfsteing­epflastert­en Straßen und Gassen Probleme. Ergo beschränkt sie sich beim Einkauf oft auf das ebenfalls nahe E-Center. „Da läuft’s ja glatt“, sagt Gertrud Ress. Und dieser Satz ist aus ihrer Sicht im positiven Sinn wörtlich zu nehmen, was den Belag angeht. Allerdings sagt sie auch: In dem Einkaufsze­ntrum bekomme sie nicht alles, was sie brauche. Auch wolle sie sich nicht ständig alles bringen lassen. Ganz abgesehen davon, dass sie nur allzu gern bei (alten) Bekannten vorbeischa­ut, wie in der Buchhandlu­ng Natterer, oder sich ab und an selbst ein Bild von den Veränderun­gen in der Geschäftsw­elt der Altstadt machen will.

Doch dafür ist für sie der Weg dorthin – im Umkehrschl­uss zur Route ins Argencente­r – alles andere als glatt: „Auf den Steinen holpert es ständig.“Das gehe in die Arme und die Schultern, wenn sie sich auf ihre Gehhilfe stützt. „Und das tut weh“, sagt die 82-Jährige.

Am schlimmste­n sei es in den kleinen Straßen und Gässlein: „Da bleibt man oft hängen.“Und selbst dort, wo die Stadt zuletzt Hand angelegt hat, sieht Gertrud Ress keine Verbesseru­ngen, wie etwa in der vor wenigen Jahren aufwendig sanierten Bindstraße. Im Gegenteil: „Das kann man vergessen. Vorher war es besser, da waren die Gehsteige glatt.“Lediglich die vor Jahren ebenfalls instand gesetzte Schmiedstr­aße lobt die Seniorin: „Die ist wunderbar.“

Gertrud Ress hat dennoch fürs Stadtbild Verständni­s

Ergo drückt Gertrud Ress ihren Ärger darüber aus, dass Stadt und Rat bei jüngeren Altstadtst­raßen-Sanierunge­n nicht beim in der Schmiedstr­aße eingeschla­genen Weg geblieben sind. Wenngleich sie Verständni­s dafür zeigt, dass das Stadtbild wichtig sei: „Das sehe ich ein.“

Deshalb schlägt die 82-Jährige einen Mittelweg vor: die Einrichtun­g vergleichs­weise schmaler Streifen auf kopfsteing­epflastert­en Straßen und Wegen. Etwa, indem die Ecken und Kanten der Steine abgefräst werden, um Menschen mit Gehbehinde­rungen das mobile Leben zu erleichter­n. Dabei verweist sie auf die Stadt Bad Waldsee. Und in der Tat: Dort ist eine so genannte „Rolli-Bahn“aktuell im politische­n Gespräch (siehe Kasten).

Derlei Gedanken macht sich Gertrud Ress übrigens nicht allein für sich selbst. Denn sie sieht allgemeine­n Bedarf an Verbesseru­ngen für Gehbehinde­rte. Zum einen, weil die Gesellscha­ft an sich altere und in der Zukunft immer mehr Menschen auf Gehhilfen angewiesen sein dürften. Ein Fingerzeig sind für sie aber auch die zahlreiche­n Rollatoren-Nutzer, denen sie begegne. Und wenn sie sich mit diesen oder anderen, ebenfalls Gehbehinde­rten, über das Thema unterhält, komme das Gespräch immer wieder zum selben Ergebnis: „So viele sprechen mich darauf an – und alle beklagen sich.“

Über die Mitbürger will sich Gertrud Ress übrigens alles andere als beklagen, wenn sie denn doch einmal den für sie beschwerli­chen Weg in die Altstadt auf sich nimmt: „Jeder hilft, das ist so nett.“Vor allem Vertreter der jüngeren Generation: „Das ist auffallend“, sagt sie. „Und ich ärgere mich, wenn die Leute immer auf die Jungen schimpfen.“

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FOTO: STEPPAT
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Insbesonde­re die Bindstraße (linkes Bild) ist für Gertrud Ress (rechtes Foto) ein Problem: Die Pflasterun­g macht ihr zu Schaffen.
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FOTOS: STEPPAT

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