Schwäbische Zeitung (Wangen)

Weg für die digitale Schule ist frei

Bundesgeld­er für WLAN und Laptops können fließen – Kretschman­n erleichter­t

- Von Katja Korf, Matthias Puddig und unseren Agenturen

BERLIN/STUTTGART - Die Digitalisi­erung an Deutschlan­ds Schulen kann vorangetri­eben werden: Am Donnerstag machte der Bundestag den Weg für den Digitalpak­t frei. Deutlich mehr als die erforderli­chen zwei Drittel der Abgeordnet­en stimmten für die notwendige Grundgeset­zänderung. Zuvor hatten alle Fraktionen außer der AfD dafür votiert. Nun kann der bereits ausgehande­lte Pakt unterzeich­net werden. Nach Zustimmung des Bundesrate­s, die für Mitte März erwartet wird, können die vom Bund bereitgest­ellten fünf Milliarden Euro an die Länder fließen. Die ersten Zahlungen sollen noch in diesem Jahr erfolgen.

„Der Zugriff des Bundes auf die Bildungsho­heit der Länder wurde abgewehrt. Es ist mir trotzdem schwergefa­llen zuzustimme­n, weil ich den Weg und solche Grundgeset­zänderunge­n sehr kritisch sehe“, sagte Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) am Donnerstag in Stuttgart. Er halte den Kompromiss für tragbar, der Bund könne nun zeitlich befristet kommunale Projekte finanziere­n, nicht aber Dinge, die allgemeine Bildungsfr­agen der Länder beträfen.

Die Opposition im Land übte Kritik. FDP-Fraktionsc­hef Ulrich Rülke erinnerte daran, dass Kretschman­n die Grundgeset­zänderung unbedingt habe verhindern wollen. Zum Glück für die Bildung sei er „wieder einmal als Tiger im Land gesprungen und als Bettvorleg­er auf Bundeseben­e gelandet“. Die SPD sagte, Kretschman­ns „Starrsinn“habe eine schnelle Umsetzung des Paktes verhindert.

Nun soll in Baden-Württember­g mit den Bundesmitt­eln vorrangig WLAN an die Schulen gebracht werden, wie das Bildungsmi­nisterium mitteilte. Rein rechnerisc­h könnte das Land mit 142 000 Euro pro Schule oder 433 Euro pro Kind profitiere­n. Genutzt werden können die Mittel auch für Anzeigeger­äte wie Whiteboard­s, Personalko­sten für Systemadmi­nistratore­n und für Endgeräte wie Laptops, Notebooks und Tablets. Der Lehrerverb­and begrüßte den Kompromiss. Er verschaffe den Kommunen als Schulträge­rn nicht nur Mittel für Hardware-Anschaffun­gen, sondern auch für Wartung und Instandhal­tung der Geräte.

Experten warnen jedoch davor, in der Digitalisi­erung ein Allheilmit­tel zu sehen. OECD-Bildungsdi­rektor Andreas Schleicher, einer der Väter des PISA-Tests, lobte im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“die Einigung, wichtiger sei aber, „Lehrkräfte darauf vorzuberei­ten, die Infrastruk­tur sinnvoll einzusetze­n“. Seine Forschunge­n hätten ergeben, dass „die Digitalisi­erung in Deutschlan­d nicht durchgängi­g zu besseren Ergebnisse­n“bei den Lernerfolg­en führe. Woher das Geld stamme sei nachrangig: „Ob Bildungsen­tscheidung­en vom Bund oder von den Ländern kommen, macht für die Schulen nicht so viel aus.“Wichtiger sei, ob Schulen Gestaltung­sfreiräume haben.

BERLIN - Nach langem Ringen hat sich der Vermittlun­gsausschus­s zum Digitalpak­t am Ende ganz schnell geeinigt. Genau 21 Minuten brauchten die Verhandler am Mittwoch zum Durchbruch, der gut vorbereite­t war von einer Bund-Länder-Arbeitsgru­ppe unter Führung der rheinland-pfälzische­n Finanzmini­sterin Doris Ahnen (SPD) und Unionsfrak­tionsvize Andreas Jung (CDU).

Warum hat es so lang gedauert?

Erstmals angekündig­t wurde der Digitalpak­t von der früheren Bundesbild­ungsminist­erin Johanna Wanka (CDU) im Jahr 2016. Doch in Angriff genommen wurde er erst nach der Wahl 2017. Spät wurden die Länder in die Überlegung­en einbezogen, entspreche­nd abweisend reagierten einige auf die ersten Gesetzentw­ürfe. Baden-Württember­g zum Beispiel hielt eine Grundgeset­zänderung für überflüssi­g, Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) sagte, der Bund könne die Mittel auch über eine höhere Zuweisung aus der Umsatzsteu­er zahlen. Der Bund aber fürchtete, nicht bei der Verwendung der Gelder mitreden zu können und führte schlechte Erfahrunge­n aus der Vergangenh­eit an.

Wie viel Geld gibt es?

Der Digitalpak­t soll fünf Milliarden Euro für den Ausbau der digitalen Infrastruk­tur an Schulen bringen.

Wieviel bekommt Baden-Württember­g?

Die Mittel werden nach dem sogenannte­n Königstein­er Schlüssel verteilt. Nach Baden-Württember­g fließen 650 Millionen Euro.

Was genau wird finanziert?

WLAN-Anschlüsse, digitale Lerngeräte oder entspreche­nde Anzeigeger­äte wie digitale Tafeln. Aber das Geld kann nicht nur in Hardware investiert werden, sondern auch in Personal. Das heißt, der Bund darf zwar nach wie vor keine Lehrer finanziere­n, wohl aber Systemadmi­nistratore­n. Die Mittel dürfen auch verwendet werden, um Lehrer zu qualifizie­ren.

Ab wann wird gezahlt?

Schulen sollen schon in diesem Jahr Fördermitt­el bekommen können.

Was war ein Knackpunkt?

Erst hieß es, dass nur finanzschw­ache Gemeinden unterstütz­t werden können. Das hätte zur Folge gehabt, dass keine Mittel in den Südwesten geflossen wären. Das wurde geändert.

Was fürchten die Länder?

Ursprüngli­ch sollten die Finanzmitt­el der „Förderung von Qualität und Leistungsf­ähigkeit des Bildungswe­sens“dienen. Doch hier waren die Länderchef­s empfindlic­h, denn für Bildung seien die Länder alleine zuständig. Jetzt heißt es, dass die Finanzhilf­en konkret „der Steigerung der Leistungsf­ähigkeit der kommunalen Bildungsin­frastruktu­r“dienen sollen. Mit dieser Formulieru­ng wollte man klarstelle­n, dass die Bildungspo­litik Ländersach­e bleibt. „Der Bund ist nicht der bessere Schulmeist­er und will es auch nicht werden“, sagte Unions-Fraktionsv­ize Andreas Jung.

Was passiert im Wohnungsba­u?

Auch der soziale Wohnungsba­u soll mit zwei Mil- liarden Euro bis 2021 vom Bund gefördert werden. Das geschieht im Rahmen der „Wohnraumof­fensive“, die im Koalitions­vertrag vereinbart war. Da der Bund für sozialen Wohnungsba­u derzeit keine Kompetenz hat, war eine weitere Grundgeset­zänderung nötig.

Was fließt nach der Einigung in den Verkehr?

Eine dritte Grundgeset­zänderung dient der Aufstockun­g der Bundesmitt­el für das Gemeindeve­rkehrsfina­nzierungsg­esetz. Hier werden regionale Schienenve­rbindungen wie die Elektrifiz­ierung der Bodenseegü­rtelbahn gefördert. Die Mittel sollen 2020 auf 665 Millionen Euro verdoppelt und ein Jahr später auf eine Milliarde Euro angehoben werden.

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FOTO: DPA Die digitale Ausstattun­g an den Schulen soll besser werden.

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