Weg für die digitale Schule ist frei
Bundesgelder für WLAN und Laptops können fließen – Kretschmann erleichtert
BERLIN/STUTTGART - Die Digitalisierung an Deutschlands Schulen kann vorangetrieben werden: Am Donnerstag machte der Bundestag den Weg für den Digitalpakt frei. Deutlich mehr als die erforderlichen zwei Drittel der Abgeordneten stimmten für die notwendige Grundgesetzänderung. Zuvor hatten alle Fraktionen außer der AfD dafür votiert. Nun kann der bereits ausgehandelte Pakt unterzeichnet werden. Nach Zustimmung des Bundesrates, die für Mitte März erwartet wird, können die vom Bund bereitgestellten fünf Milliarden Euro an die Länder fließen. Die ersten Zahlungen sollen noch in diesem Jahr erfolgen.
„Der Zugriff des Bundes auf die Bildungshoheit der Länder wurde abgewehrt. Es ist mir trotzdem schwergefallen zuzustimmen, weil ich den Weg und solche Grundgesetzänderungen sehr kritisch sehe“, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Donnerstag in Stuttgart. Er halte den Kompromiss für tragbar, der Bund könne nun zeitlich befristet kommunale Projekte finanzieren, nicht aber Dinge, die allgemeine Bildungsfragen der Länder beträfen.
Die Opposition im Land übte Kritik. FDP-Fraktionschef Ulrich Rülke erinnerte daran, dass Kretschmann die Grundgesetzänderung unbedingt habe verhindern wollen. Zum Glück für die Bildung sei er „wieder einmal als Tiger im Land gesprungen und als Bettvorleger auf Bundesebene gelandet“. Die SPD sagte, Kretschmanns „Starrsinn“habe eine schnelle Umsetzung des Paktes verhindert.
Nun soll in Baden-Württemberg mit den Bundesmitteln vorrangig WLAN an die Schulen gebracht werden, wie das Bildungsministerium mitteilte. Rein rechnerisch könnte das Land mit 142 000 Euro pro Schule oder 433 Euro pro Kind profitieren. Genutzt werden können die Mittel auch für Anzeigegeräte wie Whiteboards, Personalkosten für Systemadministratoren und für Endgeräte wie Laptops, Notebooks und Tablets. Der Lehrerverband begrüßte den Kompromiss. Er verschaffe den Kommunen als Schulträgern nicht nur Mittel für Hardware-Anschaffungen, sondern auch für Wartung und Instandhaltung der Geräte.
Experten warnen jedoch davor, in der Digitalisierung ein Allheilmittel zu sehen. OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher, einer der Väter des PISA-Tests, lobte im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“die Einigung, wichtiger sei aber, „Lehrkräfte darauf vorzubereiten, die Infrastruktur sinnvoll einzusetzen“. Seine Forschungen hätten ergeben, dass „die Digitalisierung in Deutschland nicht durchgängig zu besseren Ergebnissen“bei den Lernerfolgen führe. Woher das Geld stamme sei nachrangig: „Ob Bildungsentscheidungen vom Bund oder von den Ländern kommen, macht für die Schulen nicht so viel aus.“Wichtiger sei, ob Schulen Gestaltungsfreiräume haben.
BERLIN - Nach langem Ringen hat sich der Vermittlungsausschuss zum Digitalpakt am Ende ganz schnell geeinigt. Genau 21 Minuten brauchten die Verhandler am Mittwoch zum Durchbruch, der gut vorbereitet war von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Führung der rheinland-pfälzischen Finanzministerin Doris Ahnen (SPD) und Unionsfraktionsvize Andreas Jung (CDU).
Warum hat es so lang gedauert?
Erstmals angekündigt wurde der Digitalpakt von der früheren Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) im Jahr 2016. Doch in Angriff genommen wurde er erst nach der Wahl 2017. Spät wurden die Länder in die Überlegungen einbezogen, entsprechend abweisend reagierten einige auf die ersten Gesetzentwürfe. Baden-Württemberg zum Beispiel hielt eine Grundgesetzänderung für überflüssig, Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, der Bund könne die Mittel auch über eine höhere Zuweisung aus der Umsatzsteuer zahlen. Der Bund aber fürchtete, nicht bei der Verwendung der Gelder mitreden zu können und führte schlechte Erfahrungen aus der Vergangenheit an.
Wie viel Geld gibt es?
Der Digitalpakt soll fünf Milliarden Euro für den Ausbau der digitalen Infrastruktur an Schulen bringen.
Wieviel bekommt Baden-Württemberg?
Die Mittel werden nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel verteilt. Nach Baden-Württemberg fließen 650 Millionen Euro.
Was genau wird finanziert?
WLAN-Anschlüsse, digitale Lerngeräte oder entsprechende Anzeigegeräte wie digitale Tafeln. Aber das Geld kann nicht nur in Hardware investiert werden, sondern auch in Personal. Das heißt, der Bund darf zwar nach wie vor keine Lehrer finanzieren, wohl aber Systemadministratoren. Die Mittel dürfen auch verwendet werden, um Lehrer zu qualifizieren.
Ab wann wird gezahlt?
Schulen sollen schon in diesem Jahr Fördermittel bekommen können.
Was war ein Knackpunkt?
Erst hieß es, dass nur finanzschwache Gemeinden unterstützt werden können. Das hätte zur Folge gehabt, dass keine Mittel in den Südwesten geflossen wären. Das wurde geändert.
Was fürchten die Länder?
Ursprünglich sollten die Finanzmittel der „Förderung von Qualität und Leistungsfähigkeit des Bildungswesens“dienen. Doch hier waren die Länderchefs empfindlich, denn für Bildung seien die Länder alleine zuständig. Jetzt heißt es, dass die Finanzhilfen konkret „der Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Bildungsinfrastruktur“dienen sollen. Mit dieser Formulierung wollte man klarstellen, dass die Bildungspolitik Ländersache bleibt. „Der Bund ist nicht der bessere Schulmeister und will es auch nicht werden“, sagte Unions-Fraktionsvize Andreas Jung.
Was passiert im Wohnungsbau?
Auch der soziale Wohnungsbau soll mit zwei Mil- liarden Euro bis 2021 vom Bund gefördert werden. Das geschieht im Rahmen der „Wohnraumoffensive“, die im Koalitionsvertrag vereinbart war. Da der Bund für sozialen Wohnungsbau derzeit keine Kompetenz hat, war eine weitere Grundgesetzänderung nötig.
Was fließt nach der Einigung in den Verkehr?
Eine dritte Grundgesetzänderung dient der Aufstockung der Bundesmittel für das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Hier werden regionale Schienenverbindungen wie die Elektrifizierung der Bodenseegürtelbahn gefördert. Die Mittel sollen 2020 auf 665 Millionen Euro verdoppelt und ein Jahr später auf eine Milliarde Euro angehoben werden.