Neuer Bluttest auf Brustkrebs kommt
Heidelberger Forscher stellen neues Verfahren zur Früherkennung vor – Aber es gibt kritische Stimmen
HEIDELBERG (dpa) - Ein neuer Bluttest soll Brustkrebs künftig besonders schonend erkennen können. Für das Verfahren seien nur wenige Milliliter Blut nötig, teilten die Forscher der Uni Heidelberg mit. Bei der Untersuchung werden sogenannte Biomarker erkannt, die auf eine Erkrankung schließen lassen. Bei 500 untersuchten Brustkrebspatientinnen habe der Test in 75 Prozent der Fälle die Erkrankung korrekt angezeigt. Das Verfahren soll noch 2019 in der Praxis angewendet werden.
HEIDELBERG (dpa/AFP) - Heidelberger Mediziner sprechen von einem Meilenstein, doch es gibt noch viele offene Fragen: Das Universitätsklinikum Heidelberg und das eigens gegründete Unternehmen HeiScreen haben am Donnerstag einen Bluttest zur besseren Erkennung von Brustkrebs vorgestellt. Das neue Verfahren erkennt eine Krebserkrankung mithilfe sogenannter Biomarker und kann gängige Diagnoseverfahren wie Mammografie, Ultraschall oder MRT ergänzen.
Für den Bluttest seien nur wenige Milliliter Blut nötig, teilte das Universitätsklinikum Heidelberg mit. Es werden bestimmte Biomarker – Botenstoffe, die eine aktive Krebszelle ins Blut aussendet – erkannt, die auf eine Krebserkrankung schließen lassen. In einer Studie wurden in den vergangenen zwölf Monaten mehr als 900 Frauen – 500 davon mit Brustkrebs – untersucht. Die Treffsicherheit des neuen Bluttests lag bei den Brustkrebspatientinnen demnach bei 75 Prozent. Bei den unter 50-Jährigen war die Quote mit 86 Prozent höher. Bei den über 50-Jährigen lag sie bei 60 Prozent.
Erweiterung der Diagnostik
Die Ergebnisse sind allerdings nur schwer einzuschätzen. Nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) ist bislang keine begutachtete Studie in einem Fachmagazin erschienen. Der DKFZFachmann zu diesem Thema wollte sich nicht zu dem neuen Test äußern, da er nur spekulieren könne.
Die Brustkrebsdiagnostik könne mit dem neuen Test erweitert werden, sagte Christof Sohn vor Medien am Donnerstag in Düsseldorf, wo er das Verfahren vorstellte. Der Geschäftsführende Ärztliche Direktor der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg betont: „Wir sind keine Konkurrenz zur Bildgebung.“Darunter fallen das Mammografie-Screening oder Ultraschalluntersuchungen. Sohn betonte zugleich, dass die Studien dazu weiterliefen. Das Verfahren werde wissenschaftlich auf „ganz akkurate Weise“begleitet. „Wir wollen keinen Test propagieren, um Hoffnungen zu wecken, die wir nicht halten können“, sagte der Mediziner. Den Angaben zufolge soll das Verfahren noch in diesem Jahr in der Praxis angewendet werden.
Viele offene Fragen
Tanja Fehm, Direktorin der Universitätsfrauenklinik Düsseldorf, steht einem routinemäßigen Einsatz kritisch gegenüber. „Das ist noch nicht in großem Stil einsetzbar“. Es seien Tests an viel mehr Frauen nötig. Es sei schade, wenn falsche Hoffnungen geweckt würden. Viele Fragen seien ungeklärt, kritisiert Fehm: Wie wirken sich beispielsweise Effekte wie Rauchen oder die Einnahme der Antibabypille auf die Ergebnisse aus? Wie lange nach einem negativen Testergebnis können sich Frauen sicher fühlen? Was bedeutet es, wenn ein Bluttest positiv, das Mammografie-Screening aber negativ ist?
Brustkrebs ist laut Zentrum für Krebsregisterdaten des Robert Koch-Instituts mit rund 69 000 Neuerkrankungen jährlich die mit Abstand häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Dem Heidelberger Uni-Klinikum zufolge liegen die Heilungschancen bei früher Erkennung mit 95 Prozent sehr hoch. Nach den aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamts starben 2016 18 570 Frauen an Brustkrebs.
Bislang basiert die Früherkennung von Brustkrebs in der Hauptsache auf regelmäßigem Abtasten und dem Mammografie-Screening, einer Röntgenuntersuchung der Brust. Frauen zwischen 50 und 69 Jahren können alle zwei Jahre auf Kosten ihrer Krankenkasse zur Mammografie in einem spezialisierten ScreeningZentrum gehen.
Die Heidelberger Forscher verteidigen ihre Methode: Mit der Trefferquote von 75 sei die sogenannte Liquid Biopsy in den Tests in etwa vergleichbar mit der Mammografie, sagt Sohn. Auf die Frage, ob es auch bei den gesunden 400 Frauen Fehlalarme gab – in diesen Fällen also einen falschen Befund – antwortet Sohn: „Selbstverständlich.“Und: „Wir werden immer eine Unschärfe haben.“Eine konkrete Zahl nennt er auf Nachfrage nicht. Fehlalarme gebe es auch bei Mammografien.
Als Frühwarnsystem gedacht
Die Düsseldorfer Expertin Fehm, die von „spannenden wissenschaftlichen Daten“spricht, warnt davor, den neuen Bluttest schon jetzt mit Mammografie-Screenings zu vergleichen. Das gebe die Datenlage noch nicht her.
„Der Test soll ein Frühwarnsystem sein, um Frauen zu weiteren Untersuchungen zu überweisen“, sagt Mediziner Sohn der „Bild“-Zeitung über den neuen Bluttest. Damit solle Krebs früher erkennbar sein als mit Verfahren wie etwa der Mammografie. Zudem gebe es keine Strahlenbelastung.
Die gibt es bei der Mammografie, sie ist aber laut DKFZ gering.
Kosten noch unklar
Auch bei der Therapieüberwachung könne das Verfahren künftig hilfreich sein, sagt Sohn. Würden trotz Behandlung weitere Botenstoffe nachgewiesen, sei das ein Hinweis, dass die Therapie nicht ausreichend wirke und nachgesteuert werden müsse.
Auf den Test hat das Uni-Klinikum ein Patent angemeldet. Wie viel er kosten wird, sei noch unklar, sagt ein Sprecher von HeiScreen. Man spreche mit den Krankenkassen über eine Kostenübernahme. Die Hürden für eine Übernahme gelten als hoch. Medizinprodukte wie der Bluttest müssen in Deutschland nicht behördlich zugelassen werden. Stattdessen muss ein Zertifizierungsverfahren durchlaufen werden. Nach der Zertifizierung darf das Produkt europaweit vertrieben werden.