Schwäbische Zeitung (Wangen)

Neutrale Stadt Hanoi

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„carrots“, die man Kim anbieten müsse, statt ihm nur mit „sticks“zu drohen. Möhren und Knüppel, die Metapher steht für das Wechselspi­el von Anreiz und Druck. Wenn man das bilaterale Verhältnis schrittwei­se normalisie­re, sagte Biegun, werde man auch bei der Abrüstung vorankomme­n. In dem Maße, wie man bei der Abrüstung vorankomme, könne man sich vorstellen, ein „dauerhafte­s Friedensre­gime“auf der koreanisch­en Halbinsel zu schaffen. Nach der Glitzermet­ropole Singapur nun also Hanoi: Der zweite Gipfel zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un geht diese Woche in Vietnams Hauptstadt über die Bühne. Sowohl die Vereinigte­n Staaten als auch Nordkorea unterhalte­n zu dem kommunisti­schen Staat in Südostasie­n gute Beziehunge­n. Für Nordkorea ist die „Sozialisti­sche Republik Vietnam“quasi ein Bruderstaa­t. Für die USA sind gute Kontakte aber keineswegs selbstvers­tändlich. Vor einem halben Jahrhunder­t gingen auf Hanoi noch amerikanis­che Bomben nieder. Seit Vietnams wirtschaft­licher Öffnung und dem daraus entstehend­en Boom hat sich Hanoi enorm verändert. Amerikanis­che Touristen gehören zum Alltag. Bilder des übergroßen Revolution­ärs Ho Chi Minh (18901969) sind allerdings noch allgegenwä­rtig – ebenso wie Tausende Straßenküc­hen und Millionen Mopeds. 2016 war Trumps Vorgänger Barack Obama zu Besuch. Obama ging sogar in eine traditione­lle Küche. Dort saß er auf einem kleinen Hocker, löffelte Suppe und trank Bier aus der Flasche. Der Tisch steht heute hinter Plexiglas. (dpa)

In Hanoi also könnten Trump und Kim in einer symbolisch­en Geste den Koreakrieg für beendet erklären, statt es beim 1953 vereinbart­en Waffenstil­lstand zu belassen. Als Nächstes, Fortschrit­te bei der Verschrott­ung nuklearer Anlagen und Raketen vorausgese­tzt, könnten sie einen Friedensve­rtrag ansteuern, den auch China, seinerzeit Kriegspart­ei, unterschre­iben müsste.

Trumps Hardliner lauern weiter

Im Moment scheint Trump der Schritt-für-Schritt-Strategie Bieguns zu folgen. Das kann sich ändern, zumal im Hintergrun­d die Hardliner auf ihre Chance lauern, allen voran der Nationale Sicherheit­sberater John Bolton, der mit maximalem Druck Kim zum Einlenken zwingen möchte. Zumindest für eine Übergangsp­hase indes scheint Trump zu akzeptiere­n, dass Nordkorea dem Club der Atommächte beigetrete­n ist und er daran zunächst nichts ändern kann. Mit anderen Worten, er akzeptiert die Fakten, nachdem er in seinem Amtsjahr noch gedroht hatte, das ostasiatis­che Land mit Feuer und Zorn zu überziehen.

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