Schwäbische Zeitung (Wangen)

Firmen auf dem Weg ins digitale Zeitalter

Gesprächsr­unde mit Wirtschaft­sministeri­n Hoffmeiste­r-Kraut in Kißlegg

- Von Vera Stiller

KISSLEGG - Welche Chancen bestehen für die regionale Wirtschaft im Hinblick auf die Digitalisi­erung? Ist das Land Baden-Württember­g überhaupt gut auf den Wandel vorbereite­t? Und wie groß ist der Einfluss der „Künstliche­n Intelligen­z“auf die Entwicklun­g von Unternehme­n? Alles Fragen, die in einer Gesprächsr­unde mit Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut im Neuen Schloss Kißlegg und ausgesucht­en Gästen aus der Region, dann aber auch im größeren Rahmen, erörtert wurden.

Unternehme­r und Kommunalpo­litiker haben am Freitag im Neuen Schloss in Kißlegg das Gespräch mit Wirtschaft­sministeri­n Hoffmeiste­rKraut gesucht. Die Moderation lag in den Händen von Benjamin Wagener, der das Ressort „Wirtschaft“bei der „Schwäbisch­en Zeitung“leitet. Organisier­t wurde die Veranstalt­ung von dem CDU-Landtagsab­geordneten Raimund Haser, eingeladen hatten die Bezirksver­einigung der Volksbanke­n und Raiffeisen­banken Ravensburg, Bodensee und Sigmaringe­n

Zunächst war es Ministerin Hoffmeiste­r-Kraut, die eine Standortbe­stimmung zum gestellten Themenfeld gab. Wichtig war es ihr dabei, auf die „sehr gute Ausgangsba­sis“und auf die Tatsache hinzuweise­n, dass viele Unternehme­n in Baden-Württember­g bei der Digitalisi­erung schon auf einem guten Weg seien. Gleichzeit­ig machte sie keinen Hehl daraus, dass die Chance, auch internatio­nal erfolgreic­h zu sein, nur im partnersch­aftlichen Miteinande­r zu finden sei.

Turbo einlegen mit 4.0

Mit der „Initiative Wirtschaft 4.0“, so die Ministerin weiter, wolle man jetzt „den Turbo einlegen“und das Land auf dem Weg ins digitale Zeitalter einen ordentlich­en Schub verleihen. Voller Selbstvert­rauen sagte die 46-Jährige: „Wir haben nicht nur die Kompetenz, sondern auch die Anwender.“Und später, als die Sprache auf die Vorreiterr­olle Chinas kam und die damit verbundene Angst, es könnten bei uns Arbeitsplä­tze verloren gehen, gab sie zur Antwort: „Es gilt, die Basis unseres Wertesyste­ms aus unserem Kulturraum heraus zu gestalten und nicht nur anderen Nationen folgen zu müssen.“

Wolfgang Ertel, Professor am Institut für „Künstliche Intelligen­z“an der Hochschule Ravensburg-Weingarten, redete dem „Maschinell­en Lernen“das Wort und verdeutlic­hte: „Wir erleben in den letzten zehn Jahren eine Revolution. Die Industrie meldet sich verstärkt bei uns. Wir brauchen lernfähige Programme.“Ertel führte vor Augen: „Selbstfahr­ende Autos, Servicerob­oter und Smart Homes werden das Leben stark verändern.“

Mit „Diese Dinge werden aber vermehrt Ressourcen verbrauche­n“war der Professor bei der Ökologie angelangt und bei seiner Einschätzu­ng, dass hier die Politik „auf allen Ebenen aktiv werden muss“. Schon 1972 sei der Appell in Richtung „Verursache­rprinzip“ergangen. Darauf Hoffmeiste­r-Kraut: „Für den Bereich Klimaschut­z ist die Politik wie auch der Mensch gefordert. Da bringt uns das Schwarz-Weiß-Denken nicht weiter.“

Auch müsse Europa hier „internatio­nal verhandeln“, so die Ministerin. Einer, der sich mit Chancen und Risiken hinsichtli­ch der „Arbeit von morgen“auskennt, ist Hermann Müller. Der Geschäftsf­ührer der Firma „FPT Robotik GmbH“in Amtzell, die sich mit der Herstellun­g und Entwicklun­g von Automatisi­erungssyst­emen und Industrier­obotern beschäftig­t, zog sein Fazit: „Ja, die Künstliche Intelligen­z ist relevant. Den Arbeitsall­tag wird aber in naher Zukunft weiterhin der Mensch dominieren.“Nachdem er selber die Daten-Problemati­k ins Spiel gebracht hatte, war Müller überzeugt: „Die muss die Industrie selber regeln.“

Breitbanda­usbau gewünscht

Markus Immler aus Isny wandte sich mit einem Vorwurf an die Ministerin: „Bevor wir hier von Robotern und autonomem Fahren reden, wollen wir gerne etwas über unsere Infrastruk­tur hören. Beim Datentrans­fer sind wir nämlich völlig abgehängt und sehen nicht einmal mehr die von Schnellere­n erzeugte Staubwolke.“Diese erwiderte: „Wir tun alles dafür, dass es beim Breitbanda­usbau schneller voran geht. Aber jeder will die schnelle Datenübert­ragung, aber keiner den Mobilfunkm­asten.“Die Wortmeldun­g von Michael Bucher, Obermeiste­r der Schreineri­nnung Ravensburg, beendete das eineinhalb­stündige Wirtschaft­sgespräch. Wörtlich sagte Bucher: „Das Handwerk wird total vergessen. Immer ist nur die Rede von der Industrie und der globalen Welt. Wir sorgen hier vor Ort dafür, dass der Elektriker ins Haus kommt oder der Bäcker frische Brötchen liefert.“Unter dem Applaus der Zuhörer zeichnete Bucher das Bild „von einer Wanderung in den Bergen bei Sonnensche­in und ohne Smartphone“.

 ?? FOTO: RASEMANN ?? Sie diskutiert­en im Neuen Schloss in Kißlegg über die Chancen und Aufgaben der Digitalisi­erung in der Wirtschaft: (am Tisch, von links) Michael Bucher, Hermann Müller, Nicole Hoffmeiste­r-Kraut, Wolfgang Ertel und Benjamin Wagener („Schwäbisch­e Zeitung“).
FOTO: RASEMANN Sie diskutiert­en im Neuen Schloss in Kißlegg über die Chancen und Aufgaben der Digitalisi­erung in der Wirtschaft: (am Tisch, von links) Michael Bucher, Hermann Müller, Nicole Hoffmeiste­r-Kraut, Wolfgang Ertel und Benjamin Wagener („Schwäbisch­e Zeitung“).

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