Wenn der Arzt nach Hause kommt
Psychiatrische Klinik plant neues Behandlungskonzept – Teilnahme von Patienten an Ärzte-Besprechungen ist bereits möglich
WANGEN - Alkoholsucht, Depression oder Angststörung: Seit 20 Jahren finden psychisch kranke Menschen in Wangen eine Anlaufstelle. Die Klinik des Zentrums für Psychiatrie (ZfP) Südwürttemberg war viele Jahre im vierten Stock des Krankenhauses untergebracht. Seit zweieinhalb Jahren befindet sie sich in einem Neubau direkt neben dem Krankenhaus. Die neuen Räume verbessern die Arbeit, sagt Chefärztin Ursula Göser. Und auch inhaltlich ist einiges neu: So haben Patienten der Klinik jetzt die Möglichkeit, bei Gesprächen der Ärzte über den Therapieerfolg dabei zu sein. In Planung ist außerdem, Behandlungen bei Betroffenen zu Hause anzubieten.
Ärzte, Psychologen und Pflegekräfte sprechen regelmäßig über Fortschritte und Probleme einzelner Patienten während der Therapie. Früher taten sie das unter sich. Seit Kurzem haben die Patienten der Wangener Klinik die Möglichkeit, bei diesen Terminen dabei zu sein und zuzuhören. Anfangs sei sie skeptisch gewesen, ob dieses Konzept sinnvoll sei, sagt Ursula Göser. Inzwischen weiß sie, dass diese sogenannte systemische Therapie funktioniert, und die Wangener Klinik ist eine systemisch zertifizierte Einrichtung. „Auch Angehörige oder Freunde sind eingeladen, an den Terminen teilzunehmen“, erklärt sie, „eben alle, die zum System des Patienten dazugehören“.
Neue Wege will die Klinik außerdem in Sachen Behandlungskonzepte gehen: Ab Herbst soll es die Möglichkeit geben, dass Mitarbeiter der Klinik psychisch Kranke in deren häuslichem Umfeld aufsuchen und behandeln. Diese Form eigne sich zum Beispiel für Patienten, die sonst gar nicht in Behandlung kommen würden, erklärte Pflegedienstleiterin Anna Heinsch am Montag bei einem Besuch von Petra Krebs, Landtagsabgeordnete der Grünen, in der Klinik. Im Stammhaus, dem ZfP Südwürttemberg in Weißenau, werde dies bereits praktiziert.
Über das neue Gebäude, das nun seit rund zweieinhalb Jahren steht, freue sich das ganze Team, berichten Anna Heinsch und Ursula Göser. Neben modernen und hellen Räumen gibt es gemütliche Aufenthaltsbereiche für Patienten, Außenterrassen und eine eigene Rezeption. Auch wurde ein separater geschlossener Bereich eingerichtet, in dem Patienten wohnen, die durch ihre Krankheit sich selbst oder andere gefährden könnten. Früher musste zum Schutz dieser Patienten oft die gesamte Klinik abgeschlossen werden, sagt Ursula Göser. „Jetzt sind die Türen immer offen.“
Klinik ist oft überbelegt
In der Wangener Klinik werden psychisch kranke Menschen im Erwachsenenalter behandelt, auch ältere Patienten, die pflegebedürftig sind. Rund ein Drittel seien Suchtpatienten, sagt Chefärztin Ursula Göser. Es gibt 22 Plätze in der Akutstation und zehn Plätze in der Tagesklinik. Dazu kommt die Ambulanz, die im Prinzip wie eine Praxis funktioniert, erklärt Stationsleiter Hans Knoblauch. In die Ambulanz kommen pro Quartal rund 270 Patienten. Die Klinik sei oft überbelegt, die Aufenthaltsdauer bewege sich zwischen zwei Stunden und mehreren Monaten. Tritt langfristig keine Besserung ein, gibt es die Möglichkeit, dass Patienten an eine Wohngruppe für psychisch Kranke weitervermittelt werden.
Die Klinik hat 45 Mitarbeiter, viele davon sind Teilzeitkräfte. Im Team sind Ärzte, Psychologen, Pflegekräfte, Ergotherapeuten sowie Sozialarbeiter. Sie tauschen sich mit den Fachkräften am benachbarten Krankenhaus aus und arbeiten mit den niedergelassenen Fachärzten und den ambulanten psychiatrischen Diensten der Region zusammen.