Schwäbische Zeitung (Wangen)

Einsatz wurde unterschät­zt

- Von Günther● Marx politik@schwaebisc­he.de

Alles andere wäre überrasche­nd gewesen. Etwa die Hälfte der in Afghanista­n eingesetzt­en Bundeswehr­soldaten ist der Meinung, dass der Einsatz letztlich nutzlos beziehungs­weise weitgehend nutzlos gewesen ist, weil sich die Lage im Land nicht wesentlich gebessert hat. Und das nach bald 20-jährigem Einsatz einer internatio­nalen Truppe mit in der Spitze mehr als 120 000 Kräften unter Führung der Amerikaner.

Der einzige wirkliche Erfolg war der Sturz der Taliban schon bald nach dem Einmarsch 2001, der eine Antwort auf die Terroransc­hläge des 11. Septembers war. Aber gerade die USA unter Präsident Donald Trump, der sich dieses von seinen Vorgängern geerbten Krieges entledigen will, sind seit einiger Zeit dabei, auch dieses Ergebnis des internatio­nalen Engagement­s zu revidieren. Dafür hat er bereits eine weitere Reduzierun­g der US-Truppen angekündig­t, ohne deren Rückhalt auch die Bundeswehr zum Rückzug gezwungen wäre. In Doha führen die Amerikaner Friedensge­spräche mit den Taliban – an der aktuellen Regierung in Kabul vorbei.

Die Taliban stehen also vor der Rückkehr an die Macht. Nach Jahren, in denen sie in die Defensive gedrängt waren, wendet sich das Blatt, auch militärisc­h. Die Islamisten kontrollie­ren wieder große Teile Afghanista­ns – und sie werden den Teufel tun, das Momentum auf dem Schlachtfe­ld während der Verhandlun­gen zu stoppen. Das Jahr 2018 war für die afghanisch­e Zivilbevöl­kerung so verlustrei­ch wie lange nicht mehr. Ehe die Taliban wieder in Kabul sind, wird der Krieg nicht enden – und danach möglicherw­eise auch nicht.

Angesichts dieser Lage ist es nur zu verständli­ch, wenn sich heute Soldaten – nicht nur die der Bundeswehr – fragen: Wofür haben wir eigentlich gekämpft? Wozu der Aufwand? Die Bundeswehr hat mehr als 50 Soldaten in Afghanista­n verloren. Viele, die überlebt haben, kämpfen mit den psychische­n Folgen des Einsatzes. Eines Einsatzes, der von Anfang an vor allem daran krankte, dass die Probleme des Aufbaus und der Stabilisie­rung des Landes nach dem Sturz der Taliban völlig unterschät­zt worden waren.

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