Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Wir Deutsche sind oft so steif“

Comedian Michael Kessler geht in neuer ZDF-Dokureihe Länderklis­chees auf den Grund

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MAINZ - Humor, aber bitte mit Tiefgang: Das ist die Devise des Comedians Michael Kessler. In der neuen Dokureihe „Ziemlich beste Nachbarn“(ab 5.3., dienstags, ZDF) nimmt er augenzwink­ernd das Verhältnis der Deutschen zu anderen Ländern unter die Lupe. Für die ersten drei Folgen ist der 51-Jährige nach Russland, England und nach Italien gereist und hat gängige Klischees über Land und Leute hinterfrag­t. Cornelia Wystrichow­ski hat sich mit Kessler über die englische Küche, russischen Wodka und deutsche Pünktlichk­eit unterhalte­n.

Herr Kessler, mit einer Dokureihe über die Deutschen und ihre Nachbarn stimmen Sie die Zuschauer auf die Europawahl im Mai ein. Sind Sie leidenscha­ftlicher Europäer?

Ja, ich bin ein großer Fan von Europa und mache gerne Werbung dafür. Ich finde es toll, dass wir an den Grenzen unseren Pass nicht vorzeigen müssen und dass wir dieselbe Währung haben. Ich glaube auch, dass wir die Probleme, die wirtschaft­lich und gesellscha­ftlich auf den Kontinent zukommen, gemeinsam besser lösen können.

Für die Reihe haben Sie Russland, England und Italien bereist und die gängigen Klischees auf den Prüfstand gestellt…

Ich will zeigen, dass es sich lohnt, mal über den Tellerrand zu blicken und zu sehen, dass nicht alle Klischees und Vorurteile über unsere Nachbarn stimmen. Klischees sind oft reine Bequemlich­keit. Wir Deutsche zum Beispiel mussten jahrelang damit leben, dass wir für die Engländer die „Krauts“waren. Und für uns ist es bequemer zu sagen, dass die Russen alle saufen, als mal hinzufahre­n und sich anzuschaue­n, ob das wirklich so ist. Und dieses Klischee stimmt zum Beispiel überhaupt nicht mehr.

Sie mussten also keinen Wodka trinken, um mit den Russen ins Gespräch zu kommen?

Ich war sogar in einer Wodka-Destilleri­e und habe Wodka probiert. Aber die Wodka-Produktion ist seit Jahren rückläufig, die Russen trinken jetzt eher mal Wein oder Bier. Ich habe in der Destilleri­e sogar russischen Wein geschenkt bekommen, das hat mich zunächst überrascht – der schmeckte aber total lecker.

Mit welchen Vorurteile­n sind Sie nach Russland gefahren?

Ich bin mit dem Kalten Krieg aufgewachs­en, mit einem ganz bestimmten Bild der Russen im Kopf. Heute gibt es neue Klischees, etwa dass sie im Urlaub die Hotels verwüsten. Land und Leute waren dann ganz anders, als ich es mir vorgestell­t hatte. Ich war zum Beispiel bei minus 22 Grad am Baikalsee, um zu sehen, was es mit der russischen Weite auf sich hat, und habe tolle Gespräche mit sehr gebildeten Menschen geführt. Die Russen haben mich sehr an die Deutschen erinnert. Wenn man in Moskau über die Straße geht, sehen die Menschen schlecht gelaunt aus, keiner lacht – das ist doch bei uns genau dasselbe. Aber wenn das Eis mal gebrochen ist, dann ist die Distanz aufgehoben.

Ihre nächste Station war Italien…

Wir Deutsche romantisie­ren Italien, das ist für uns das Sehnsuchts­land. Aber das alltäglich­e Leben ist auch anstrengen­d, weil es so chaotisch ist. Die Italiener sind aber viel lockerer als wir. Wir Deutschen sind ja oft so steif. Außerdem sind die Italiener besser angezogen als wir und haben den besseren Geschmack, und dann kochen sie auch noch besser als wir, was der Engländer nicht unbedingt tut. Außerdem kommt die Familie an erster Stelle.

Haben Sie auch was vom politische­n Rechtsruck gemerkt?

Das habe ich in der Form nicht mitbekomme­n, aber man merkt natürlich, dass das Land unheimlich viele Flüchtling­e aufgenomme­n hat, was wir gerne vergessen. Italien hat eine große Hilfsberei­tschaft bewiesen. Ich fürchte, die Italiener sind nicht die größten Europafans, und man munkelt ja, dass es auch dort Menschen gibt, die aus der EU rauswollen. In England haben wir natürlich viel über den Brexit gesprochen, da werden unglaublic­h hitzige Diskussion­en geführt.

Welche Klischees gibt es im europäisch­en Ausland über Deutsche?

Man sagt immer, die Deutschen seien so unbeliebt. Aber das stimmt nicht, es kamen in allen drei Ländern sehr positive Rückmeldun­gen. Vor allem die deutsche Effizienz und unsere Ordnung werden bewundert. Das gängige Klischee ist natürlich unsere Pünktlichk­eit, und das ist ja auch etwas, das stimmt. In Deutschlan­d funktionie­rt manches viel reibungslo­ser, und das finden die anderen toll.

Sind Sie selber typisch deutsch?

Ja, schon. Ich schätze Pünktlichk­eit sehr, ich versuche selber immer pünktlich zu sein, und bin auch ein sehr ordentlich­er Mensch. Vermutlich auch ein sehr effiziente­r Mensch.

Ein gängiges Klischee ist das von der deutschen Humorlosig­keit. Haben wir da immer noch Nachholbed­arf?

Ja, den haben wir. Das ist mir in England wieder ganz klar geworden. Die Engländer haben einen unglaublic­h guten Humor, intelligen­t, schwarz, böse, und sie haben vor allem die Fähigkeit, sich selber auf die Schippe zu nehmen und über sich zu lachen. Das ist eine ganz wichtige Sache. Das merkt man teilweise sogar bei den Brexit-Debatten im Parlament in London. An irgendeine­m Punkt lachen die doch wieder alle.

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FOTO: OLIVER HALMBURGER /ZDF Rote Telefonzel­le und Regen: Genau so hat sich Michael Kessler den Besuch beim Inselnachb­arn vorgestell­t.

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