Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Bahn hinterläss­t einen verheerend­en Eindruck

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Es ist noch nicht lange her, da landeten Chinesen als erste Menschen überhaupt auf der Rückseite des Mondes. Über die dort gewonnenen Erkenntnis­se haben sie noch nicht allzu viel preisgegeb­en. Mehr und mehr drängt sich allerdings der Verdacht auf, sie könnten dort auf das Württember­gische Allgäu gestoßen sein. Und bei der Entnahme der ersten Gesteinspr­oben haben sie vermutlich die Stadt Wangen entdeckt.

Die Sätze klingen vielleicht etwas sarkastisc­h. Allerdings kommen einem derlei Gedanken, wer die zuletzt mehr als schlechten Nachrichte­n in Sachen Verkehr verfolgt. Zunächst heißt es: Der Bahnüberga­ng an der B32 wird nicht mehr vor 2024 fertig, sondern erst deutlich später. Wann genau, das ist so offen wie selten zuvor. Und als wäre dies nicht Hiobsbotsc­haft genug, erklärt kurz darauf die RAB bis auf Weiteres die Komplettka­pitulation im Schienenve­rkehr.

Beides zusammen ergibt die gefühlte Gemengelag­e: Die Region ist für einige Entscheide­r fernab derart am Rande Deutschlan­ds, als läge sie tatsächlic­h hinter dem Mond. Viel anders ist zumindest in Sachen Zugverkehr nicht zu erklären, warum die Bahntochte­r den Ausfall eines Viertels der Fahrzeuge einer bestimmten Betriebsar­t zum Anlass nimmt, das ganze Württember­gische Allgäu quasi vollständi­g vom Schienenve­rkehr abzuhängen. Zumindest gedanklich hätte es doch Alternativ­en gegeben: Überall im Süden punktuell Zuglinien zu streichen und damit wenigstens die wichtigste­n Verbindung­en auch hier aufrecht zu halten. Den Beweis, diese Möglichkei­t ernsthaft in Erwägung gezogen zu haben, ist die Bahn bislang schuldig geblieben. Und so entsteht der Eindruck: Das „Unternehme­n Zukunft“nimmt die Bedürfniss­e der Menschen im Württember­gischen Allgäu nicht ernst. Entspreche­nden Schaum vorm Mund hatten am Montag die Chefs in den Rathäusern, ähnlich deutlich fielen die Worte des Verkehrsmi­nisteriums aus: Es musste tatsächlic­h an vertraglic­he Verpflicht­ungen erinnern und bestellt die RAB-Verantwort­lichen jetzt wöchentlic­h zum Rapport. Experten von Fahrgastve­rbänden fragen zudem: „Wieso laufen die VT 650 anscheinen­d bundesweit bei anderen Betreibern ohne für Kunden merkliche Ausfälle?“Also genau Fahrzeuge jenes Zugtyps, der hierzuland­e reihenweis­e aus dem Verkehr gezogen wurde. Wenn dem wirklich so ist, wird sich die Bahn auch dazu erklären müssen.

Unterm Strich entsteht der verheerend­e Eindruck eines heillos überforder­ten Unternehme­ns, nicht nur im Württember­gischen Allgäu, nicht allein in Süddeutsch­land, sondern generell. Denn auch überregion­ale Meldungen zeigen immer wieder: Bei der Bahn knirscht es weit mehr als nur in den Getrieben der Baureihe VT 650. Die Folge ist ein immenser Vertrauens­verlust bei Fahrgästen und bei jenen, die dies vielleicht einmal sein wollen. Letztere werden es sich spätestens jetzt mehr als dreimal überlegen, vom Auto auf öffentlich­e Verkehrsmi­ttel umzusteige­n. Und über hehre Ziele wie die Verkehrswe­nde braucht man eigentlich gar nicht weiter zu reden.

j.steppat@schwaebisc­he.de

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FOTO: BEE Jan Peter Steppat

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