Rabiater Pizzakunde muss jahrelang ins Gefängnis
Weil er mit gelieferter Ware nicht einverstanden ist, greift ein Mann zur Waffe
RAVENSBURG - Für vier Jahre und sieben Monate muss ein 38-jähriger Mann ins Gefängnis, nachdem er im vergangenen Jahr zunächst den Kunden eines Drogendealer-Pärchens krankenhausreif geschlagen hatte und ein halbes Jahr später dann nachts einen Pizzaboten mit einer Schreckschusspistole bedrohte und um etwa 190 Euro erleichterte. (die SZ berichtete.) Die Kammer am Landgericht Ravensburg verurteilte den mehrfach Vorbestraften im einen Fall wegen vorsätzlicher Körperverletzung und im Pizza-Fall wegen schweren Raubs und Diebstahls mit Waffen.
Als nach drei straffen Verhandlungstagen am Freitag vor dem Landgericht das Urteil gesprochen wird, da sitzt die Lebensgefährtin des Angeklagten auf der Zuschauerbank. Sie ist es auch, die den Tränen freien Lauf lässt, angesichts der Tatsache, dass sie und ihre Tochter wohl Jahre werden verzichten müssen, auf den Geliebten und Ersatzpapa. „Wie soll ich das bloß meiner Tochter erklären?“, schluchzt die junge Frau nach Prozessende.
„Absolut erbarmungslos“
Denn offenbar ist der 38-Jährige ein liebevoller Mensch mit viel Gerechtigkeitsgefühl – sofern er nicht gerade gefrustet, enttäuscht oder high ist. Dann nämlich handle er „absolut erbarmungslos“, ja, lege geradezu „Mafia-Methoden“an den Tag – wie es der Vorsitzende Richter Veiko Böhm in seiner Urteilsbegründung nennt.
„Der verdient eine Abreibung, das haben Sie gedacht“, führt Richter Böhm aus, als er erklärt, wie es nach Ansicht der Kammer zu der vorsätzlichen Körperverletzung gekommen sein muss. Der selbst drogenabhängige Angeklagte war am 1. Januar 2018 wohl zu einem Streit zwischen seinen Dealern und einem anderen Kunden gekommen. Der Kunde sei dem Dealer-Pärchen gegenüber „unflätig geworden“, daraufhin habe der Angeklagte sich bemüßigt gefühlt, „die Ordnung wiederherzustellen“. Indem er dem Kunden mindestens zwei Faustschläge verpasste, diesen noch mit Fußtritten traktierte und dem am Boden liegenden Mann anschießend mindestens 100 Euro aus dem Geldbeutel nahm. Das Opfer kam mit einem Nasenbeinbruch und einer Gehirnerschütterung davon und musste vorübergehend intensivmedizinisch versorgt werden. „Dabei wissen Sie doch, dass dort manchmal nichts mehr wächst, wo Sie hinschlagen“, rügt Böhm den Mann.
Abermals einfach Geld genommen, das hat der 38-Jährige auch knapp ein halbes Jahr später. Als der Mann eine Familienpizza orderte und irrtümlicherweise nur eine große Pizza geliefert bekam, da geriet er nach Auffassung des Gerichtes „in Rage“. Und zwar so sehr, dass er aus seiner Tasche eine Schreckschusspistole zog, den Pizzaboten durchs Treppenhaus verfolgte und ihn im dunklen Hinterhof mit vorgehaltener, entsicherter Waffe in Todesangst versetzte. Als der Pizzalieferant das Geld wieder zurückgeben wollte, da habe der Angeklagte nicht abgewartet, bis der verängstigte Bote ihm zitternd 20 Euro abzählen konnte sondern ihm ein ganzes Bündel Scheine aus der Hand genommen.
„Das hört sich nach Schwerstkriminalität an“, kommentiert der Vorsitzende Richter dieses Gebaren und führt vor Augen, was daraus erwachsen könnte: „Wenn das Schule macht, dass jeder, der mit einer gelieferten Ware nicht einverstanden ist, einfach zur Schusswaffe greift … – na dann gut’ Nacht“.
Im Übrigen zeigte sich der 38Jährige erst kurz vor dem Urteilsspruch annähernd geläutert. „Das war wirklich eine schwachmatische Aktion“, sagte er, als es nach den Plädoyers an ihm war, die letzten Worte zu sagen. Er entschuldigte sich und gab zu, aufgebracht und wütend gewesen zu sein. Sein Verteidiger hatte zuvor noch einmal alle Register gezogen, ja sogar in den Raum gestellt, beim Pizza-Fall hätten der Pizzabote oder gar die Chefin sich auch am Geldbeutel vergreifen können. Außerdem hatte er versucht, das Gericht von einer „Unterbringung nach Paragraf 64“zu überzeugen. Dann hätte sein Mandant die Strafe nicht im Gefängnis, sondern in einer Entziehungsanstalt absitzen können.
Entzug ist mehrfach gescheitert
Das jedoch wiegelte die sachverständige Psychiaterin ab. Nach drei gescheiterten Entzugsversuchen sei das ein aussichtsloses Unterfangen. Dem amphetaminabhängigen Mann fehle es deutlich an Eigenmotivation. „Er muss sich erst entscheiden, dass er wirklich sein Leben ändern will“, so die Gutachterin. Gegen dieses Urteil kann die Verteidigung binnen einer Woche Revision einlegen.