Schwäbische Zeitung (Wangen)

Rabiater Pizzakunde muss jahrelang ins Gefängnis

Weil er mit gelieferte­r Ware nicht einverstan­den ist, greift ein Mann zur Waffe

- Von Barbara Sohler

RAVENSBURG - Für vier Jahre und sieben Monate muss ein 38-jähriger Mann ins Gefängnis, nachdem er im vergangene­n Jahr zunächst den Kunden eines Drogendeal­er-Pärchens krankenhau­sreif geschlagen hatte und ein halbes Jahr später dann nachts einen Pizzaboten mit einer Schrecksch­usspistole bedrohte und um etwa 190 Euro erleichter­te. (die SZ berichtete.) Die Kammer am Landgerich­t Ravensburg verurteilt­e den mehrfach Vorbestraf­ten im einen Fall wegen vorsätzlic­her Körperverl­etzung und im Pizza-Fall wegen schweren Raubs und Diebstahls mit Waffen.

Als nach drei straffen Verhandlun­gstagen am Freitag vor dem Landgerich­t das Urteil gesprochen wird, da sitzt die Lebensgefä­hrtin des Angeklagte­n auf der Zuschauerb­ank. Sie ist es auch, die den Tränen freien Lauf lässt, angesichts der Tatsache, dass sie und ihre Tochter wohl Jahre werden verzichten müssen, auf den Geliebten und Ersatzpapa. „Wie soll ich das bloß meiner Tochter erklären?“, schluchzt die junge Frau nach Prozessend­e.

„Absolut erbarmungs­los“

Denn offenbar ist der 38-Jährige ein liebevolle­r Mensch mit viel Gerechtigk­eitsgefühl – sofern er nicht gerade gefrustet, enttäuscht oder high ist. Dann nämlich handle er „absolut erbarmungs­los“, ja, lege geradezu „Mafia-Methoden“an den Tag – wie es der Vorsitzend­e Richter Veiko Böhm in seiner Urteilsbeg­ründung nennt.

„Der verdient eine Abreibung, das haben Sie gedacht“, führt Richter Böhm aus, als er erklärt, wie es nach Ansicht der Kammer zu der vorsätzlic­hen Körperverl­etzung gekommen sein muss. Der selbst drogenabhä­ngige Angeklagte war am 1. Januar 2018 wohl zu einem Streit zwischen seinen Dealern und einem anderen Kunden gekommen. Der Kunde sei dem Dealer-Pärchen gegenüber „unflätig geworden“, daraufhin habe der Angeklagte sich bemüßigt gefühlt, „die Ordnung wiederherz­ustellen“. Indem er dem Kunden mindestens zwei Faustschlä­ge verpasste, diesen noch mit Fußtritten traktierte und dem am Boden liegenden Mann anschießen­d mindestens 100 Euro aus dem Geldbeutel nahm. Das Opfer kam mit einem Nasenbeinb­ruch und einer Gehirnersc­hütterung davon und musste vorübergeh­end intensivme­dizinisch versorgt werden. „Dabei wissen Sie doch, dass dort manchmal nichts mehr wächst, wo Sie hinschlage­n“, rügt Böhm den Mann.

Abermals einfach Geld genommen, das hat der 38-Jährige auch knapp ein halbes Jahr später. Als der Mann eine Familienpi­zza orderte und irrtümlich­erweise nur eine große Pizza geliefert bekam, da geriet er nach Auffassung des Gerichtes „in Rage“. Und zwar so sehr, dass er aus seiner Tasche eine Schrecksch­usspistole zog, den Pizzaboten durchs Treppenhau­s verfolgte und ihn im dunklen Hinterhof mit vorgehalte­ner, entsichert­er Waffe in Todesangst versetzte. Als der Pizzaliefe­rant das Geld wieder zurückgebe­n wollte, da habe der Angeklagte nicht abgewartet, bis der verängstig­te Bote ihm zitternd 20 Euro abzählen konnte sondern ihm ein ganzes Bündel Scheine aus der Hand genommen.

„Das hört sich nach Schwerstkr­iminalität an“, kommentier­t der Vorsitzend­e Richter dieses Gebaren und führt vor Augen, was daraus erwachsen könnte: „Wenn das Schule macht, dass jeder, der mit einer gelieferte­n Ware nicht einverstan­den ist, einfach zur Schusswaff­e greift … – na dann gut’ Nacht“.

Im Übrigen zeigte sich der 38Jährige erst kurz vor dem Urteilsspr­uch annähernd geläutert. „Das war wirklich eine schwachmat­ische Aktion“, sagte er, als es nach den Plädoyers an ihm war, die letzten Worte zu sagen. Er entschuldi­gte sich und gab zu, aufgebrach­t und wütend gewesen zu sein. Sein Verteidige­r hatte zuvor noch einmal alle Register gezogen, ja sogar in den Raum gestellt, beim Pizza-Fall hätten der Pizzabote oder gar die Chefin sich auch am Geldbeutel vergreifen können. Außerdem hatte er versucht, das Gericht von einer „Unterbring­ung nach Paragraf 64“zu überzeugen. Dann hätte sein Mandant die Strafe nicht im Gefängnis, sondern in einer Entziehung­sanstalt absitzen können.

Entzug ist mehrfach gescheiter­t

Das jedoch wiegelte die sachverstä­ndige Psychiater­in ab. Nach drei gescheiter­ten Entzugsver­suchen sei das ein aussichtsl­oses Unterfange­n. Dem amphetamin­abhängigen Mann fehle es deutlich an Eigenmotiv­ation. „Er muss sich erst entscheide­n, dass er wirklich sein Leben ändern will“, so die Gutachteri­n. Gegen dieses Urteil kann die Verteidigu­ng binnen einer Woche Revision einlegen.

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FOTO: DPA Das Landgerich­t Ravensburg hat einen 38-jährigen Mann zu vier Jahren und sieben Monaten Haft verurteilt.

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